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Textvorlage
Eckart Liebau: Über die Werkästhetik des Schultheaters
Die werkästhetische Perspektive geht bekanntlich aus-
schließlich von den Anforderungen des Kunstwerks
aus. Aber was bedeutet eine solche Feststellung im
Blick auf das Theater der Schule? Was ist hier unter
dem Kunstwerk zu verstehen? […]
Wiederum bietet es sich an, von der Differenz zum
Profi-Theater auszugehen. Theater in der Schule ist
Laientheater; und es sind besondere Laien, die da spie-
len. Seine Legitimation ist durch den schulischen Rah-
men bestimmt; in der Schule geht es um die Ermögli-
chung von Bildungsprozessen. Das hat Folgen für das
Kunst-und damit auch das Werk-Verständnis. Es ist
evident
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, dass dieses Theater in mancher Hinsicht an-
deren ästhetischen Aspekten folgt und folgen muss als
das Profi-Theater. Denn die Ästhetik des Schultheaters
folgt nicht zuletzt aus der Notwendigkeit der Inszenie-
rung von unabgeschlossenen Bildungs-und Entwick-
lungsprozessen.
Es sind Kinder und/oder Jugendliche, die dort auf der
Bühne agieren; für sie stellt das Mitspiel eine ganz an-
dere Herausforderung dar als für die Profis der Profi-
Bühne. Die Kunst der Profi-Bühne entsteht vor dem
Hintergrund der von Regie und Schauspielern zu füh-
renden Auseinandersetzung mit der gesamten Thea-
tergeschichte in Produktion und Rezeption; sie ist also
notwendig in einem Feld voller historischer und aktu-
eller kultureller Auseinandersetzungen verankert; und
sie wäre gänzlich unprofessionell, wenn sie diesen Hin-
tergrund nicht aktiv präsent hielte. Die Kunst des
Schultheaters dagegen entsteht vor dem Hintergrund
von Erstbegegnungen zwar nicht des Theaterlehrers,
aber doch der meisten Mitwirkenden mit den Heraus-
forderungen des Stoffes, des Stücks, des Textes, der
Idee, die notwendigerweise naiv und original erfolgen
müssen. Hier wird das Theater durch die Mitwirken-
den gewissermaßen immer wieder neu erfunden, auch
wenn es in Wirklichkeit nur neu gefunden wird. Dass
es Teil von Bildungsprozessen ist, ist für dieses Theater
konstitutiv. Seine Vollkommenheit erreicht es dann,
wenn die Grenzen des unter diesen Bedingungen Mög-
lichen und Sinnvollen erreicht werden. Gutes
Schultheater kann daher niemals „Serientheater“ sein;
es legt vielmehr Zeugnis ab von dem besonderen, ein-
maligen Prozess, den die aufführende Gruppe bis zur
Aufführung hinter sich gebracht hat. Dass die allge-
meinen Gesetze der Bühne nicht negiert werden kön-
nen, gehört dabei zu den wesentlichen Erfahrungen,
die alle Gruppen machen; auch daraus folgen Quali-
tätsmaßstäbe.
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augenscheinlich richtig
Quelle:
http://www.akademie-rotenfels.de/downloads/projekte-initiativen/Beitrag-Liebau-Zukunftskonferenz.pdf(abgerufen am 14.2.2017)
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