Wie kann Künstliche Intelligenz Lehrkräfte unterstützen? Welche Tools können den Unterricht bereichern? Das erörtern die drei Lehrkräfte Franziska Haberler, Ivan Topic und Bernhard Gmeiner.
Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers "KI im Klassenzimmer".
Wo seht ihr die kurz- und langfristigen Potenziale für den Einsatz von KI im Bildungswesen?
Haberler: KI-gestützte Tools für die Stundenplanung, die Erstellung von Tests und die Anpassung von Lernmaterialien können Lehrkräfte enorm entlasten. Gerade jetzt, wo es an Lehrkräften mangelt, ist das wichtiger denn je.
Gmeiner: Absolut, und nicht zu vergessen die Möglichkeiten im Bereich der Mehrsprachigkeit und des personalisierten Feedbacks. KI-Systeme wie fiete.ai können hier wirklich einen Unterschied machen.
Topic: Das Schlüsselwort hier ist Individualisierung und Differenzierung. KI kann Materialien individuell an die Bedürfnisse der einzelnen Schüler*innen anpassen. Das erspart uns Lehrkräften viel Zeit und eröffnet neue Möglichkeiten.
Fokusgruppe mit (von links nach rechts) Ivan Topic, Bernhard Gmeiner und Franziska Haberler.
Welche Tools habt ihr bereits erfolgreich im Unterricht eingesetzt?
Gmeiner: Ich habe mit ChatGPT gute Erfahrungen gemacht, insbesondere bei der Unterstützung von Schüler*innen mit sprachlichen Schwierigkeiten. Es hilft ihnen, ihre Gedanken zu sortieren und gibt Tipps für bessere Formulierungen.
Haberler: Ich nutze und empfehle zum Beispiel DeepL für die Übersetzung und sprachliche Verbesserung von Arbeiten. Das ist auch bei Sprachbarrieren besonders hilfreich.
Topic: Kennt ihr AIEDN? AIEDN ist ein kostenloser, KI-gestützter Lernassistent, bei dem zum Beispiel für Mathematik Videos hochgeladen und in die Datenbank eingespeist werden. Wenn du eine Frage eingibst, bekommst du das passende Video mit einer Erklärung dazu.
Haberler: Wir sprechen viel von Tools, aber ich finde es auch wichtig, das Thema KI auf der Meta-Ebene in den Unterricht zu integrieren. Vor allem auch in Bezug auf Herausforderungen und Gefahren.
Gmeiner: Das stimmt, es verändert auch unsere Rolle als Lehrkraft — hin zur Beratung.
Wie können solche Tools langfristig zur Verbesserung der pädagogischen Qualität beitragen?
Topic: KI kann dazu beitragen, die Unterrichtszeit effizienter zu nutzen. Lehrkräfte konzentrieren sich mehr auf die individuelle Förderung der Schüler*innen, indem sie Zeit bei der Vorbereitung und Bewertung einsparen.
Haberler: Das stimmt! Zusätzlich kann das objektive und unmittelbare Feedback von KIs etwaige Bias-Problematiken verringern, die wir oft bei menschlichen Bewertungen sehen.
Haberler: Schulbücher können aufgrund des Formats nicht immer topaktuell sein: Hier könnte man mit dynamischen QR-Codes arbeiten, unter denen jeweils aktuelle Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Und ich finde es wichtig, dass Aufgaben in Zukunft so gestellt sind, dass sie nicht einfach mit einer KI beantwortbar sind.
Gmeiner: Sehr hilfreich wäre eine Art Co-Teacher-Chatbot, in dem alle Inhalte aus allen Bildungsmedien hinterlegt sind. Dann kann ich mir zu meinem Thema immer die passende Aufgabe ausspielen lassen.
Topic: Und mit einer Augmented-Reality-Brille kann ich meinen Co-Teacher dann gleich zum Leben erwecken und mit ihm diskutieren! Das wär was …
Welche Herausforderungen seht ihr im Moment noch mit KI?
Gmeiner: Eine der größten Herausforderungen ist die Integration in den bestehenden Lehrplan. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass alle Schüler*innen gleichberechtigten Zugang zu diesen Technologien haben.
Haberler: Hinzu kommt die Frage der Datenethik und -sicherheit. Wir müssen sorgfältig überlegen, wie wir die Innovationen nutzen, aber gleichzeitig die Daten der Schüler*innen schützen.
Wenn wir an Bildungsmedien oder Unterrichtsmaterialien der Zukunft denken: Welche Tools oder Funktionen würdet ihr euch noch wünschen?
Topic: Richtig cool wäre es, wenn man mittels QR-Code direkt mit dem Smartphone Animationen und 3D-Objekte aufrufen könnte. Das wäre z.B. bei der Erklärung von Textaufgaben in Mathe sehr hilfreich.
Seht ihr auch Gefahren im Umgang mit KI in der Schule?
Topic: Natürlich! Mit den richtigen Aufforderungen kannst du ChatGPT dazu bringen, dir alle möglichen Anleitungen zu geben, etwa wie eine Bombe aus Haushaltsmitteln gebaut werden kann.
Gmeiner: Ich sehe ein großes Problem in Bezug auf Gender und Rassismus: Wenn man ChatGPT beispielsweise sagt, dass es ein Arzt ist, liefert es bessere Antworten, als wenn man sagt, es soll eine Ärztin sein.
Haberler: Auch die KI-Bildgenerierung spiegelt stark Stereotype wider. Sie generiert beispielsweise von Frauen hauptsächlich Bilder, die ganz klassischen Schönheitsidealen entsprechen.
Wird sich KI auf die Chancengerechtigkeit in der Bildung auswirken?
Gmeiner: Ich habe das Gefühl, dass durch die individuelle Förderung die Bildungsschere leicht zusammengeht. Allerdings braucht es zu manchen Tools einen Premium-Zugang und in dem Fall ist doch wieder die finanzielle Ausgangslage entscheidend.
Topic: Spannend, ich merke das Umgekehrte! Bildungsnahe Familien versuchen oft, ihre Kinder von der KI fernzuhalten, während bildungsfernere Familien sie als Chance begreifen, dass sie endlich „gleich auf” sein können.
Haberler: Hier sehe ich die Herausforderung, dass im bildungsferneren Umfeld das Hinterfragen von Informationen teilweise nicht so geübt ist. Da ist es wiederum unsere Verantwortung als Lehrkraft, das allen beizubringen.
Zum Abschluss, wie seht ihr die Zukunft der Bildung mit KI?
Gmeiner: Positiv, wir müssen nur wirklich alle mitnehmen! Lehrkräfte und Schüler*innen.
Haberler: Es müssen nicht alle gleich Profis sein, aber alle sollten sich ausprobieren und neugierig bleiben!
Topic: Ich bin optimistisch. KI wird nicht nur die Effizienz verbessern, sondern auch den Unterricht inklusiver gestalten. Wir stehen erst am Anfang dessen, was mit KI möglich ist.
Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers "KI im Klassenzimmer"
Franziska Haberler ist stellvertretende Schulleiterin an der Leopold-Kohr-Schule und Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, Englisch und digitale Grundbildung. Sie war zudem Fellow der Bildungsinitiative „Teach for Austria“ und ist Autorin auf der digitalen Bildungsplattform lörn.at sowie Redakteurin bei Schulgschichtn.
Bernhard Gmeiner ist AHS-Lehrer für Englisch und Geografie am GRG15 im 15. Bezirk. Er veranstaltet regelmäßig Gesprächsrunden zu verschiedenen Themen mit Persönlichkeiten aus Politik, Journalismus, Kultur und mehr. Er ist Autor auf der Bildungsplattform lörn.at und schreibt einen Gastblog zum Thema KI in der Schule auf derstandard.at.
Ivan Topic ist AHS-Lehrer für Mathematik und Physik am GWIKU 18 Haizingergasse im 18. Bezirk. Neben seiner Lehrtätigkeit engagiert er sich als Mentor, ist Autor auf der Bildungsplattform lörn.at und als Autor tätig. Er hat ein Buch über Mentoring sowie einen Erziehungsratgeber geschrieben und ist auf projektorientierten Unterricht spezialisiert.