Christiane Pabst, Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs, gibt einen Überblick über die neue Rechtschreibung. Wichtige Änderungen betreffen Anglizismen, Beistriche und Genitiv-Apostroph.
Vor kurzem hat der Rechtschreibrat – ein Gremium von etwa 40 Personen aus sieben deutschsprachigen Regionen – neue Regeln zur Rechtschreibung beschlossen. Auch Christiane Pabst, Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs (ÖWB), ist neben Personen aus Wissenschaft, Didaktik und Journalismus Mitglied des Gremiums. Die neuen Regeln treten im Herbst 2025 in Kraft; ab dann läuft eine Übergangsfrist von zwei Jahren. Eine neue Auflage des Österreichischen Wörterbuchs, in der alle Neuerungen schon enthalten sind, erscheint rechtzeitig im Juni 2025.
Setze ich vor einer Infinitivgruppe einen Beistrich? Bisher war das nur bei eingeleiteten Infinitiven oder sogenannten Korrelaten im Hauptsatz verpflichtend. Das bleibt auch weiterhin so, daher muss es heißen: Sie traf ihn, um über die Geburtstagsfeier zu sprechen. (Hier leitet das „um“ den Infinitiv ein.) Ein weiteres Beispiel ist: Ich habe darauf vergessen, das Fenster zu schließen. (Hier verweist das „darauf“ auf den Infinitiv und leitet ihn damit ein.)
Bei einem einfachen Infinitiv war bisher beides möglich, je nachdem, ob man ihn als Nebensatz versteht oder als Wortgruppe. Auch das bleibt bestehen. Möglich sind also sowohl „Es ist schön, zu sprechen“ als auch „Es ist schön zu sprechen.“
Was aber, wenn der Infinitiv durch ein zusätzliches Wort erweitert wird? In diesem Punkt gibt es eine Änderung. In Zukunft muss bei solchen erweiterten Infinitiven zwingend ein Beistrich gesetzt werden (wie es auch vor 1996 geregelt war): „Es ist schön, über die Geburtstagsfeier zu sprechen.“
Wenn Menschen vor dem Genitiv-s bei Eigennamen einen Apostroph setzen, wurde das pointiert auch gern „Deppen-Apostroph“ genannt. Im Deutschen setzt man nämlich vor dem Genitiv-s grundsätzlich keinen Apostroph: Leylas Wohnung ist hübsch, Davids Hund ist gefleckt, Mariams Heft ist verlorengegangen. Besonders häufig wurde dieser Genitiv-Apostroph in Namen von Lokalen oder Firmen gesetzt – bisher fälschlicherweise. Weil das aber inzwischen so weit verbreitet ist, ist dieser Apostroph in Zukunft erlaubt, wenn die Gesamtkonstruktion ein Eigenname ist: Florian’s Kellerheuriger, Maria’s Hundestudio, Gusti’s Würstelstand dürfen also in Zukunft mit Apostroph geschrieben werden.
Achtung: Wenn die Gesamtkonstruktion aber kein Eigenname ist, sondern wir tatsächlich von Gustis Würsteln, Marias Hund oder Florians Heurigen sprechen, ist der Apostroph weiterhin nicht korrekt.
Ob ein Fremdwort mit f oder ph geschrieben wird, orientiert sich stark daran, was von den meisten Menschen verwendet wird. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das f in der Alltagssprache verwendet wird, in der Fachsprache aber das ph erhalten bleibt. Für viele Begriffe heißt das, dass je nach Kontext beides möglich ist. In einer WhatsApp-Nachricht an die Nachbarin liegt man mit „Fotovoltaik“ richtig, in einem Fachartikel wird man weiterhin „Photovoltaik“ finden. Das gilt für alle Wörter mit den Vorsilben Foto-, fono- und den Nachsilben -fon und -fonie. (Allerdings ist fotogen ausschließlich mit f korrekt.)
In einigen Fällen ist auch in der Alltagssprache das ph ebenso weit verbreitet wie das f; dann bleiben beide Varianten erlaubt, etwa bei Fantasie, fantastisch, Delfin und Grafik. Teils überwiegt das ph sogar in der Alltagssprache noch; hier bleibt es weiterhin die Norm. So wird man etwa Phase, pharmazeutisch, Philharmonie, Philosophie, Physik, Alphabet und phlegmatisch weiterhin mit ph finden.
Die jeweils erlaubten Schreibweisen finden sich ab Juni 2025, also rechtzeitig vor Inkrafttreten, in der neuen Auflage des Österreichischen Wörterbuchs.
Grundsätzlich erhalten englische Verben, die in der deutschen Sprache verwendet werden, deutsche Flexionsendungen: Sie surft im Internet. Er jobbte in seiner Jugend als Kellner, sie hat früher im Supermarkt gejobbt.
Was aber passiert mit Verben wie to like, to fake oder to time? Bei Verben, die im englischen Infinitiv auf ein stummes e enden, ist neben der deutschen Endung (gelikt, gefakt, getimt) auch die englische Version möglich (geliked, gefaked, getimed). Verwendet man dieses Verb aber gemeinsam mit einem Hauptwort und bekommt es dadurch eine weitere Endung, funktioniert die englische Version nicht mehr. Dann ist nur die deutsche Form erlaubt, wie etwa „der gelikte Beitrag“.
Ausnahme: Es gibt einige englische Verben, die nicht auf stummes e enden, aber bei denen das Partizip II mit der englischen Endung schon eingebürgert hat. In dem Fall ist neben der deutschen Version auch diese englische Version möglich, etwa relaxt/relaxed oder overdresst/overdressed.
Bei Anglizismen wurde außerdem geregelt, ob man sie klein oder groß, getrennt, zusammen oder mit Bindestrich schreibt. Die zugrundeliegenden Regeln sind sehr komplex, daher empfiehlt es sich, die entsprechend korrekte Version im Wörterbuch nachzuschlagen. Wer sich aber im Detail für die Hintergründe der richtigen Schreibung interessiert, kommt in den folgenden Absätzen auf seine Kosten. (Alle anderen können getrost zum Interview mit der ÖWB-Chefredakteurin springen und dort noch erfahren, warum es eigentlich Rechtschreibregeln braucht.)
Ob man eine Kombination aus einem englischen Substantiv mit einem anderen englischen Wort zusammen oder getrennt schreibt, hängt vom Hauptakzent ab. Liegt der Hauptakzent auf dem ersten Wortbestandteil, schreibt man die Wörter zusammen, etwa Swimmingpool, Chatgroup oder Touchpad. (Schließlich sagt man ja Swimmingpool und nicht Swimmingpool.) Gibt es mehrere Hauptakzente, schreibt man die Wörter getrennt, etwa bei Corporate Identity, Electronic Banking, High Society, Human Resources oder Social Media. (Schließlich betont man bei Social Media sowohl eine Silbe im ersten, als auch im zweiten Wort.) Bei einigen Wörtern gibt es verschiedene Aussprachevarianten. Diese kann man entsprechend entweder zusammen oder getrennt schreiben. Das betrifft zum Beispiel Wörter wie Happy End (bzw. Happyend) oder Smart Home (bzw. Smarthome).
Teils empfiehlt sich die Schreibung mit Bindestrich, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen. So ist Midlifecrisis zwar erlaubt, aber Midlife-Crisis deutlich leichter lesbar.
Schreibt man die Kombination aus einem Substantiv und einem Adverb zusammen, ergeben sich teils schwer lesbare Wörter. Daher verbindet man diese in der Regel mit einem Bindestrich; das Adverb wird dabei kleingeschrieben, z.B. Check-in, Make-up, Stand-by oder Back-up. Wenn die Lesbarkeit nicht beeinträchtigt ist, kann das Wort auch regulär zusammengeschrieben werden. Möglich ist das zum Beispiel bei Standby oder Backup.
Ausnahme: Es gibt einige Wörter, die bereits zusammengeschrieben lexikalisiert sind, etwa Layout, Countdown oder Handout. Diese werden auch weiterhin zusammengeschrieben.
Fremdsprachige adverbiale Fügungen schreibt man grundsätzlich klein. Das gilt sowohl für Anglizismen (last minute, just in time) als auch für andere Fremdsprachen (de facto, coram publico, a cappella). Sind diese Fügungen aber Teil einer substantivischen Zusammensetzung, koppelt man sie mit Bindestrichen an das Substantiv. Dabei wird der Wortanfang wie auch das Substantiv immer großgeschrieben, der Rest der adverbialen Fügung kann sowohl klein- als auch großgeschrieben werden. Beispiele hierfür sind Last-minute-Angebot (oder Last-Minute-Angebot) sowie A-cappella-Chor (oder A-Cappella-Chor).
Englische Verbindungen aus gleichrangigen, nebengeordneten Infinitiven schreibt man getrennt; die Infinitive werden dabei großgeschrieben, etwa: Copy and Paste, Park and Ride, Stop and Go.
Fast geschafft, aber es wird noch einmal etwas komplizierter: Will man die Verbindung aber als Gesamtbegriff interpretiert wissen, kann man sie auch mit Bindestrich durchkoppeln. Hier darf der zweite Infinitiv sowohl groß als auch klein geschrieben werden. Möglich ist dann also auch Park-and-Ride und Park-and-ride.
Keine Sorge! Diese komplexen Regeln muss man sich keinesfalls alle auswendig merken. Das neue Österreichische Wörterbuch wird rechtzeitig vor Inkrafttreten der neuen Rechtschreibung herauskommen. Dort können Menschen jederzeit nachschlagen, welche Schreibungen richtig sind.
Im Interview erklärt Christiane Pabst, Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs, die Hintergründe von Rechtschreibregeln.
Wer regelt eigentlich, wie etwas richtig geschrieben wird?
Pabst: Das regelt der Rat für deutsche Rechtschreibung. Das ist ein Gremium von 40 Personen aus sieben deutschsprachigen Ländern bzw. Regionen. Er ist die maßgebliche Instanz in Rechtschreibfragen der deutschen Sprache. Ich bin als Vertreterin des Österreichischen Wörterbuchs Teil des Gremiums, aber es sind zum Beispiel auch Personen aus Wissenschaft, Didaktik und Journalismus vertreten.
Nach welchen Kriterien wird die Rechtschreibung festgelegt?
Pabst: Der Rechtschreibrat legt nicht einfach willkürlich fest, wie etwas geschrieben wird. Stattdessen beobachtet er sehr genau, wie wir in deutschsprachigen Gebieten Sprache verwenden, und macht dann in erster Linie das zur Regel, was sich schon im Alltagsgebrauch durchgesetzt hat.
Warum braucht es solche Regelungen?
Pabst: Vor fast 150 Jahren wurde eine einheitliche Rechtschreibung eingeführt, damit wir Texte besser lesen können. Stellen Sie sich vor, wir hätten uns nie auf eine einheitliche Schreibung geeinigt – es wäre das reinste Chaos und wir könnten Texte nur viel langsamer und mühsamer lesen: Denken Sie etwa an ähnliche Wörter wie Ofen/offen, reisen/reißen, hacken/haken. Wenn die gleichlautenden Wörter immer wieder anders aussehen würden, wäre es auch sehr schwierig, lesen zu lernen.
Es gibt definitiv ein Happyend, denn Sie wissen jetzt just in time über die neuen Regeln Bescheid und müssen sich bei der Rechtschreibung nicht auf Ihre Fantasie verlassen. Haben Sie eine Phobie gegen komplexe Regeln, gehen Sie am besten Frustessen bei Rudi’s Würstelstand und kaufen Sie sich im Juni 2025 ganz relaxt das Österreichische Wörterbuch, um Back-up zu haben!