Welche Rolle spielt der öbv im digitalen Zeitalter? Im Interview spricht Geschäftsführer Philipp Nussböck über seine Pläne und Visionen – und verrät, ob er gern noch einmal die Schule besuchen würde.
Philipp Nussböck ist seit Anfang 2024 Geschäftsführer des öbv. Im April 2023 kam er ins Unternehmen und bringt seitdem Expertise aus der Medienbranche in das Bildungsunternehmen ein. Im Interview spricht er über seine Pläne, die Bildungsangebote des öbv weiterzuentwickeln und dabei die 250-jährige Tradition mit Innovation zu verbinden.
Was sind aktuell deiner Meinung nach die größten Herausforderungen im Bildungsbereich?
Philipp Nussböck: Der Lehrkräftemangel fordert das Bildungssystem sehr heraus. Viele Lehrer*innen arbeiten zur Zeit unter wirklich schwierigen Bedingungen. Und die Digitalisierung bietet zwar viele Chancen für die Schulen, aber eine solche Transformation sinnvoll zu gestalten, ist nicht leicht.
Auch Bildungsgerechtigkeit ist ein großes Thema. Bildung wird in Österreich vererbt, die Bildungsschere öffnet sich immer weiter. Vor allem aber fehlt uns in Österreich ein grundlegender Konsens, eine Vision für die Bildung, auf die wir unser Schulsystem ausrichten können.
Welche Rolle kann dabei der öbv spielen?
Philipp Nussböck: Zunächst einmal das ganz Naheliegende: Wir können durch innovative Bildungsangebote zur Lösung beitragen: Produkte, die Lehrkräfte entlasten, Digitalisierung smart und in sinnvollem Maß integrieren und ganz individuelle Fördermöglichkeiten bieten.
Aber uns liegt Bildung auch darüber hinaus am Herzen. Wir sehen es als unsere Verantwortung, mitzugestalten, wie die Bildung der Zukunft aussehen wird. Darum werden wir aktiv zum Bildungsdiskurs beitragen, konstruktive Gespräche anstoßen und unser Netzwerk und unsere Expertise nutzen, um an Lösungen mitzuarbeiten.
Den öbv kennen viele als Schulbuchverlag. Sind Schulbücher im digitalen Zeitalter denn noch relevant?
Philipp Nussböck: Absolut! Gedruckte Schulbücher werden zwar mit Digitalem ergänzt, doch gedruckte Bücher werden nicht aus der Bildung verschwinden. Beim Lesen auf Papier bleibt erwiesenermaßen mehr hängen und einige Lernmethoden lassen sich mittels gedruckten Materials am besten vermitteln. Ein sinnvoller Mix zwischen digital und analog macht es aus – das sehen wir ja aktuell in Schweden.
Daher arbeiten wir kontinuierlich an einer idealen Kombination aus gedruckten Schulbüchern und digitalen Tools, mit der wir Lehrkräfte wie auch Schüler*innen flexibel und innovativ beim Lehren und Lernen unterstützen und gleichzeitig die fundierte und verlässliche Wissensbasis bieten, für die wir bekannt sind. Und wir setzen uns dafür ein, dass sinnvolle Rahmenbedingungen für diese neu entstehenden Bildungsmedien geschaffen werden.
Was hat dich motiviert, in den Bildungsbereich zu wechseln?
Philipp Nussböck: Für mich ist Bildung der Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Wir haben tolle Voraussetzungen für gute Bildung und daraus sollten wir mehr machen! Die Gelegenheit, daran mitzuwirken und etwas zu verändern, motiviert mich enorm.
Wenn du eine Zeitmaschine hättest, in welche Epoche der Bildungsgeschichte würdest du reisen?
Philipp Nussböck: Am liebsten würde ich in die Zukunft reisen! Ich bin sehr gespannt darauf, wie in einigen Jahren oder Jahrzehnten unser Bildungssystem aussieht. Wie Kinder dann lernen werden, ob es noch Frontalunterricht gibt, welche Bildungsmedien wir verwenden werden. Aber auch, ob wir es schaffen, die Digitalisierung sinnvoll ins Schulsystem zu integrieren, echte Bildungsgerechtigkeit zu schaffen und die Freude am Lernen zu stärken. Ich bin da hoffnungsvoll!
Nicht ganz ernst gemeint, aber: Spannend wäre es, wenn das mit der Zeitmaschine auch geht, Hogwarts zu besuchen. Den magischen Büchern mit sich bewegenden Bildern und veränderlichen Inhalten sind wir durch neue Technologien ja schon ein bisschen nähergekommen. Zum Beispiel gibt es Systeme wie Studyly, die jungen Menschen individuell auf ihren Lernfortschritt zugeschnittene Erklärungen und Aufgaben anzeigen.
Oder Bücher, die man mit unserer Quick Media App scannen kann und sofort dazugehörige Videos, Audios & Co angezeigt bekommt. In der magischen Welt sind physische und virtuelle Lernumgebungen nahtlos verschmolzen – vielleicht werden sich auch unsere Bildungsmedien dahin entwickeln. Möglicherweise wartet dort ja noch mehr Inspiration für die Bildung der Zukunft auf uns!
Würdest du heute gern noch einmal in der Schule sitzen?
Philipp Nussböck: Ja, ich würde gern nochmal in der Schule sitzen. Ich habe nichts mehr genossen als die Schulzeit meiner Tochter! Ich habe so viel gelernt in diesen letzten zwölf Jahren. In der Schule funktionieren ja viele Dinge gut, auch wenn wir oft mehr über die Probleme sprechen. Lernen ist sowieso eine lebenslange Tätigkeit. Jetzt würde ich am liebsten Fächer besuchen, die ich damals nicht hatte, zum Beispiel Digitale Grundbildung oder Sprachen wie Chinesisch oder Arabisch.