Foto: CDC / Unsplash
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Petra Ackerlauer ist VS-Lehrerin, Schulbuchautorin und DaZ-Expertin. In diesem Artikel gibt sie praktische Tipps für den Unterricht mit DaZ-Schüler*innen in der Volksschule.
Petra Ackerlauer MA ist Autorin der Lehrwerke Buntspecht Fibel AH Fördern/DaZ und Ko-Autorin bei Buntspecht Deutsch AH Fördern/DaZ 2-4, außerdem Autorin der Sommertrainings 2-4 zum Deutsch Sprachbuch/Sprach-Lese-Buch, der Deutsch Kopiervorlagen Inklusion 2-4 und der interaktiven Übungen zum Deutsch Sprachbuch/Sprach-Lese-Buch 2-4.
Das sinnverstehende Lesen stellt für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) eine besondere Herausforderung dar. Deutschsprachige Kinder können beim Entschlüsseln des Schriftsystems leichter auf bedeutungstragende Merkmale der Schriftsprache zurückgreifen, um die verborgene Botschaft zu erkennen und zu überprüfen, ob sie diese korrekt verstanden haben. Zu diesen Merkmalen gehören die Wortstellung im Satz (syntaktische Merkmale), der Klang des Geschriebenen (phonologische Merkmale) sowie die Bedeutung des Geschriebenen (semantische Merkmale). DaZ-Kindern stehen jedoch die notwendigen Voraussetzungen für die Orientierung an diesen Merkmalen in geringerem Umfang zur Verfügung. Sie können nicht wie deutschsprachige Kinder auf das Sprachwissen zurückgreifen, das sie vor dem Schuleintritt erlangt haben, um Lese- und Schreibprozesse zu unterstützen. Ganzheitliche Sprachbildungskonzepte sollten daher mündliche und schriftliche Spracherfahrungen systematisch miteinander verknüpfen. Ein wichtiger Aspekt davon sind Lese- und Spracherwerbsstrategien, die DaZ-Kinder von Anfang an dabei unterstützen können, strukturiert Lese- und Spracherwerbsaufgaben zu bewältigen.
Mit Strategie lernen heißt „Ich habe einen Plan“
Lesestrategien und Spracherwerbsstrategien im Allgemeinen sind Empowerment-Strategien, da sie Kindern Möglichkeiten bieten, ihr Lernen selbst zu steuern. Sie helfen dabei, dass auch Kinder mit weniger günstigen Lernvoraussetzungen Handlungsspielräume entdecken und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit entwickeln können. Besonders DaZ-Kinder geraten häufig in Situationen in denen sie Defizite erleben, sei es durch zu anspruchsvolles Lernmaterial oder bei unvollständigem Verständnis. Daher ist es wichtig, einen klaren Plan („Schritt für Schritt“) zu haben, bei dem die Aufgabe in kleinere, überschaubare Schritte unterteilt wird, die die Kinder bei der Bearbeitung anleiten. Wesentlich ist es, das Lernen der deutschen Sprache als normalen Prozess zu betrachten. Stolpersteine sollten als reale Herausforderungen anerkannt werden. Neugier und Offenheit helfen dabei, die Schwierigkeiten der komplexen deutschen Sprache und Schrift zu bewältigen.
Dieser Beitrag beleuchtet, wie Lese- und Spracherwerbsstrategien entwickelt werden und wie DaZ-Kinder ihre muttersprachlichen Ressourcen beim Deutschlernen nutzen können. Dies wird anhand von Beispielen aus den Buntspecht Lehrwerksreihen (Fibel und Band 2) veranschaulicht.
Ich erzeuge eine Leseerwartung
Kinder mit weniger Spracherfahrung haben oft Schwierigkeiten, in einen Text einzutauchen. Der Ratschlag „Fang einfach an“ ist für sie schwer umzusetzen, da es eben nicht „einfach“ ist. Was ihnen fehlt, ist eine Strategie für den Einstieg in den Text. Beim sinnverstehenden Lesen kann die bewusste Schaffung einer Leseerwartung hilfreich sein. Diese ermöglicht eine inhaltliche Vorstrukturierung des Textes und bereitet auf die Sinnentnahme in Bezug auf Inhalt oder Textart vor. Durch die Eingrenzung des Themas wird die Decodierung leichter. Das bewusste Erzeugen einer Leseerwartung ist eine grundlegende Lesestrategie. Kinder können dabei nach Anhaltspunkten wie bildlichen Hinweisen, der Überschrift oder der Identifizierung der Hauptfiguren suchen und darauf aufbauend Schritt für Schritt eine Leseerwartung entwickeln. Mit einer solchen Leseerwartung erschließt sich der Text leichter, da einzelne Codes besser gedeutet werden können und der Sinn klarer erfasst wird.
(siehe Abb. 1: Buntspecht Deutsch Arbeitsheft Sprachförderung und DaZ 2, S. 17)
Ich erfrage Bedeutungen, sammle neue Wörter und verwende Merkhilfen
Es ist ganz normal und zu erwarten, dass DaZ-Kinder die Bedeutungen vieler Wörter oder Wortkombinationen (z. B. „geradeaus“) nicht kennen. Für Lernende ist es sinnvoller, einen Plan zu haben, wie sie lernförderlich und selbstbewusst mit ihrem Nichtwissen umgehen können, anstatt mit großem Aufwand ihre Schwächen verbergen zu müssen. Strategien wie „Markiere unbekannte Wörter und frage nach der Bedeutung“ sind hilfreiche Ansätze beim Spracherwerb. Dabei sollten die Kinder wissen, wen sie fragen können und wie sie nachfragen oder die Bedeutung nachschlagen können. Zudem kann es eine effektive Gedächtnisstütze sein, neue Wörter zu sammeln und deren Bedeutungen in der Erstsprache oder als Zeichnungen zu notieren.
(siehe Abb. 2: Buntspecht Fibel Arbeitsheft Fördern und DaZ, S. 15)
Ich darf meine mehrsprachigen Ressourcen in die Klasse mitbringen (und darauf stolz sein)
DaZ-Kinder sind nicht einfach nur Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Diese Bezeichnung konzentriert sich auf ihre Beherrschung der deutschen Sprache, was zwar für die Unterrichtsplanung von Bedeutung ist, jedoch oft von den Kindern als Defizit wahrgenommen wird. Es ist entscheidend anzuerkennen, dass diese Kinder auch mehrsprachig sind. Sie sprechen häufig eine oder mehrere weitere Sprachen, was im Schulsystem jedoch oft nicht als Leistung anerkannt wird. Die Mehrsprachigkeit als Ressource zu begreifen und wertzuschätzen, ist wichtig für das Selbstwertgefühl der Kinder. Zudem kann die Einbindung von Mehrsprachigkeit auch das Deutsch lernen unterstützen. Zum Beispiel, indem Kinder in Sprachvergleichen unterschiedliche Sprachphänomene in verschiedenen Sprachen erkennen lernen.
Lesen Sie dazu passend auch unseren Artikel Sprachprestige in Schulen!
(siehe Abb. 3: Buntspecht Fibel Arbeitsheft Fördern und DaZ, S. 26)
Jeder weiß was! Wir dürfen zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen
Kooperative Arbeit von DaZ-Kindern bietet zahlreiche Vorteile. Kinder mit der gleichen oder einer ähnlichen Erstsprache können bei Übersetzungen unterstützen, und Aufgaben lassen sich gemeinsam lösen. Auf diese Weise kann jedes Kind das beitragen, was es weiß oder kann, und somit zum Gruppenergebnis beitragen. Anstatt beim individuellen Bearbeiten von Aufgaben möglicherweise Misserfolge zu erleben, sehen sie, dass sie mit ihrem Wissen und Können etwas Wertvolles zur Gruppe beisteuern können. Offene Aufgabenstellungen wie „sammelt“, „überlegt“ oder „gestaltet“ fördern kooperatives Arbeiten besonders gut.
(siehe Abb. 4: Buntspecht Deutsch Arbeitsheft Sprachförderung und DaZ 2, S. 43)
ÜBER DIE BUNTSPECHT REIHEN
Indem ein Schulbuch gut durchdachte Aufgabenstellungen entwickelt, sorgfältig ausgewähltes Sprachmaterial strukturiert bereitstellt und Ideen für passende Lernsituationen bietet, kann es Lehrkräfte bei der Unterrichtsplanung und Schülerinnen und Schüler beim Lernen wirkungsvoll unterstützen.
Die beiden Zusatzmaterialien zu den Schulbüchern Buntspecht Fibel und Buntspecht Deutsch 2 konzentrieren sich auf die Förderung der Sprache. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Aufbau des Wortschatzes, situativem Sprechen in vorstrukturierten Sprachhandlungen (Verwendung von illustrierten Comics in der Fibel) sowie verschiedenen Sprechanlässen (Band 2). Zudem enthalten die Materialien Hör- und Verständnisübungen, die mit QR-Codes zu Audiomaterial verknüpft sind, sowie eine Progression der Wortformen in Modellsätzen.
Die Lesetexte orientieren sich an der Lebensrealität und den Interessen von 6- bis 7-jährigen Kindern. Eine fortlaufende Geschichte über Khan aus Afghanistan ermöglicht Identifikation und weckt die Neugier auf die Fortsetzung. Spezielle Seiten unterstützen dabei, den Lernfortschritt zu überblicken und die nächsten Schritte zu planen sowie digitale Angebote zu nutzen.
Literatur:
Röthlisberger, M., Schneider, H., & Juska-Bacher, B. (2021). Lesen von Kindern mit Deutsch als Erst-und Zweitsprache–Wortschatz als limitierender Faktor. Zeitschrift für Grundschulforschung, 14(2), 259-374.