KI live im Klassenzimmer

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Titelbild KI live im Klassenzimmer

Wie hat sich der Alltag von Schüler*innen seit dem Aufkommen von ChatGPT und Co verändert? Wie gerne setzen sie KI in der Schule und im Alltag ein? Eine Bestandsaufnahme.

Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers "KI im Klassenzimmer".

Wir werfen einen Blick in eine KI-Pilotschule im 23. Wiener Gemeindebezirk. Dort unterrichtet Alicia Bankhofer eine Übergangsklasse in Englisch und setzt verschiedene Large Language Models in ihrem Unterricht ein. „Der Klasse fehlte es im Herbst noch an digitaler Grundkompetenz. Sie konnten sich teilweise nicht einmal am PC einloggen“, berichtet Bankhofer, die als Quereinsteigerin in den Beruf gefunden hat. Ursprünglich aus der Privatwirtschaft kommend, weiß sie, wie wichtig es ist, mit modernen Technologien vertraut zu sein und die Schüler*innen in dieser Hinsicht früh genug auf die Arbeitswelt vorzubereiten. So hat sie beschlossen, KI als festen Bestandteil in den Unterricht zu integrieren. Wie gut funktioniert das?

Social Media unter die Lupe nehmen

Klappernde Tasten, zusammengesteckte Köpfe. Es ist ein gewöhnlicher Wochentag, an dem die 5. Klasse im Computerraum vor ihren Rechnern Platz nimmt. Zwei- bis dreimal die Woche treffen sich die Schüler*innen mit ihrer Englischlehrerin hier, um in Partner- oder Einzelarbeit mit der Unterstützung von Künstlicher Intelligenz an diversen Arbeitsaufträgen zu arbeiten. Heute geht es um die Vorteile und Gefahren von Social Media.

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Die Jugendlichen recherchieren zu Fragen wie „Was versteht man unter dem Dopamin-Effekt?“, „Stimmt es, dass die Nutzung von Social Media abhängig machen kann?“, „Wie verdienen Plattformen wie Instagram oder Facebook ihr Geld?“ und „Wie kann man soziale Medien auf gesunde Art und Weise nutzen?“. Hierbei stellt die Lehrerin verschiedene Schwierigkeitsniveaus zur Wahl, aus denen sich die Schüler*innen eine für sie passende Aufgabenstellung aussuchen können. Anschließend formulieren sie gemeinsam mit Partner*innen und mithilfe diverser KI-Tools Antworten und erstellen eine Präsentation auf Canva, einem Online-Tool für Grafikdesign, das ebenfalls KI-gestützte Funktionen enthält.

„Man muss nur wissen, was man genau will“

Gleich vorne rechts sitzen zwei Schüler*innen, die großen Gefallen an der Arbeit mit KI gefunden haben. Sie sind darin schon geübt. „Anfangs war es noch etwas schwer, gute Prompts, also Aufforderungen, an die KI zu stellen. Nach einer gewissen Zeit jedoch kommt man gut hinein und versteht, wie die KI so tickt“, erzählt der Schüler. Sie wurden gleich zu Beginn von ihrer Lehrerin eingeschult und mochten die Herausforderung, sich neue Skills anzueignen. In der Schule nutzen bislang nur sehr wenige – vor allem junge – Lehrkräfte die Unterstützung von KI.

"Anfangs war es noch etwas schwer. Nach einer gewissen Zeit jedoch versteht man, wie die KI so tickt."

Dennoch kommt KI bei den Hausaufgaben oder der Vorbereitung auf Tests oft zur Anwendung. „Ich nutze sie als eine Art Suchmaschine, weil sie mir tieferes Wissen zu einem Thema gibt“, berichtet die zweite Schülerin. Ebenso sei KI für sie eine große Hilfe, was das Erstellen von Zusammenfassungen, das Korrekturlesen von Texten oder Übersetzungen betrifft. Auch Formeln und Zahlen für Mathematik oder Chemie ließen sich gut eingeben. Die Jugendlichen haben nicht das Gefühl, dass die KI alleine arbeite – ganz im Gegenteil: Der Prozess, sich darauf festzulegen, was man von der KI will und mit welchen Informationen man sie füttert, sei bereits entscheidend, sagen sie. Die KI inspiriere die Schüler*innen und gebe ihnen hilfreiche Denkanstöße. So falle es ihnen leichter, ihre Gedanken zu sortieren und zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen. Vieles bliebe dabei auch im Gedächtnis haften – sie lernen also.

Der Vorteil eines Bleistifts

Eine Reihe weiter hinten finden sich zwei Schüler in ihre Rechercheaufgabe vertieft. Die Frage, ob sie gerne und oft mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, verneinen sie schnell. „Ich arbeite lieber ganz normal, so wie wir es aus den anderen Schulfächern kennen“, antwortet der 14-Jährige. Ihm sei es lieber, auf ganz traditionelle Weise mit Papier und Bleistift zu arbeiten. Wenn er beispielsweise unter der Woche bei seiner Oma sei, könne er sich sonst nicht mit Schulaufgaben beschäftigen, da er dort keinen Laptop habe. Das finde er schade. Neben Englisch nutzen die Buben KI nur selten. Andere Lehrkräfte erlauben den Umgang damit meist nicht und privat finden sie kaum Verwendung dafür. Eine Zeit lang schrieb einer der beiden mithilfe von KI eigene Codes für ein Computerspiel, das sei aber mittlerweile Vergangenheit.

"Ich arbeite lieber ganz normal, so wie wir es aus den anderen Schulfächern kennen."

Die beiden Schüler würden sich eine Kombination aus analogem Schulbuch und computergestütztem Arbeiten wünschen. Eine integrierte Nutzung von KI über QR-Codes zum Beispiel. Wenn sie KI doch zum Einsatz kommen lassen, greifen sie gerne auf Tools wie Perplexity oder you.com zurück. „Hier sind jeweils auch die Quellen der Informationen angegeben“, erzählen die Jugendlichen.

Es ist für sie wichtig, die Herkunft der Informationen rückverfolgen und ihre ursprüngliche Form einsehen zu können. Deshalb bevorzugen sie KI-Tools, die Quellen angeben, gegenüber anderen. ChatGPT hätten sie schnell verworfen — nicht nur, weil teilweise Informationen nicht stimmen und die Plattform manche Quellen erfindet, sondern auch, weil man sich dort registrieren muss. Sie vermeiden es, persönliche Daten weiterzugeben, wenn das möglich ist.

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Lehrkräfte brauchen Schulungen

Szenenwechsel zur verantwortlichen Lehrperson. Bankhofer ist Englisch- und IKT-Lehrerin für die Sekundarstufe I. Seit Oktober 2023 unterrichtet sie die Klasse mit Unterstützung von KI. Als sie bemerkte, wie sehr es den Schüler*innen an digitaler Grundbildung fehle, handelte sie rasch. „Die Klasse hatte nie das Fach Informatik. Digitale Kompetenzen gehören viel mehr in den Unterricht integriert. Das passiert oftmals leider nicht“, weiß die Englischlehrerin. Sie selbst verwende einige Tools auch zur Unterrichtsvorbereitung. „Für heute zum Beispiel habe ich zwei Stunden gemeinsam mit der KI gebrainstormt. Ich habe mir überlegt, was mache ich, wie mache ich es und wie kann ich es den Schüler*innen auf verständliche Weise näherbringen?“, berichtet Bankhofer.

"Die Schule muss sich weiterentwickeln und den aktuellen Entwicklungen anpassen."

Die größte Herausforderung bezogen auf KI im Schulalltag stellen für sie die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrer*innen dar. Lehrpersonen fehle es oft an Zeit und digitalen Kompetenzen. Notwendige Fähigkeiten würden ihnen nicht einheitlich von der Schule aus beigebracht, jede und jeder müsse sich selbst darum kümmern. Bankhofer als Quereinsteigerin sei in dieser Hinsicht durch ihre vorherigen Joberfahrungen flexibler. „Es ist das gleiche wie bei der Einführung aller anderen digitalen Tools. Die Schule muss sich weiterentwickeln und den aktuellen Entwicklungen anpassen“, so die Lehrerin.

Gemischtes Stimmungsbild

Das Stimmungsbild unter den Schüler*innen der KI-Pilotschule ist also gemischt. Für die einen bietet KI im Bildungsbereich spannende Möglichkeiten, die anderen wünschen sich weiterhin traditionelle Unterrichtsmethoden. Einige Kinder sind skeptisch, aber die meisten arbeiten gern mit KI. Aus Sicht der Pilotschule sollte KI in der Schule gefördert und mehr Schulung für Lehrkräfte angeboten werden. Auf welchem Niveau Schüler*innen KI in ihrer Zukunft nutzen, hänge schließlich auch wesentlich von ihren Erfahrungen damit in ihrer Schulzeit ab. Denn wie schon Albert Einstein sagte: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man all das, was man in der Schule gelernt hat, vergisst.“

Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers "KI im Klassenzimmer".


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