Wie wünschen sich Schüler*innen ihre Bildungsmedien? Bei einem Workshop des öbv gemeinsam mit YEP durften Jugendliche mitreden, wie Schulbücher & Co. gestaltet sein sollten.
„Wie digital sollen die Materialien sein, mit denen ihr lernt? Da drüben ist 100 % - also wenn ihr am liebsten nur mit Laptop, Lern-Apps und E-Book lernen würdet, stellt ihr euch dort hin. Hier ist 0 % - also wenn ihr am liebsten nur mit gedruckten Schulbüchern und Arbeitsblättern lernt, kommt hierher. Und der ganze Raum ist die Skala dazwischen – also wenn ihr zum Beispiel gern zur Hälfte mit digitalen und zur Hälfte mit gedruckten Materialien lernen würdet, stellt ihr euch in die Mitte.“ So führt eine der Workshopleiter*innen die unterhaltsame Übung ein. Viele Jugendliche – sie sind zwischen 12 und 17 Jahre alt – stürmen sofort los zu einer Seite des Raums. Einige überlegen ein bisschen, suchen sich bedacht einen Platz auf der Skala. Das Ergebnis überrascht: Der Großteil der Schüler*innen will sehr eindeutig ausschließlich oder zum großen Teil mit gedruckten Materialien lernen. Schulbücher stehen hoch im Kurs! Viele Jugendliche stehen bei zehn bis zwanzig Prozent, wenige haben sich in der Mitte des Raums positioniert. Mehr als 50 % digitale Medien will niemand von ihnen. Warum?
„Wir sind in der Freizeit eh schon so viel vor dem Bildschirm, das muss in der Schule nicht auch noch sein.“ – „Wenn die Lehrerin sagt, macht diese Seite im Buch, dann weiß ich genau was zu tun ist. Mit digitalen Medien ist das manchmal komplizierter.“ Das sind nur zwei der Begründungen, die die Schüler*innen dafür geben, dass sie lieber analog arbeiten. Für das Team ist diese starke Tendenz hin zum gedruckten Buch eine Überraschung: „Wir hätten uns gedacht, dass die Jugendlichen viel lieber mit Lern-Apps oder am Laptop arbeiten“, erklärt eine öbv-Mitarbeiterin, die beim Action Day „Bildungsmedien, wie Jugendliche sie wollen“ dabei ist.
Über 60 Jugendliche haben an diesem Tag einigen Trubel ins Büro des öbv gebracht. Sie kamen von der Modularen Mittelstufe Aspern, dem BRG16 Schuhmeierplatz sowie der AHS Wien West. Der öbv veranstaltet den Action Day gemeinsam mit dem Sozialunternehmen YEP, das jahrelange Erfahrung mit Jugendpartizipationsprozessen mitbringt. Zu Beginn der Veranstaltung wurden die Jugendlichen bestärkt, dass ihre Stimme zählt – an diesem Action Day aber auch darüber hinaus. So soll der Tag auch zur Demokratiebildung beitragen und Jugendliche ermutigen, ihre Meinungen in der Gesellschaft einzubringen.
Insgesamt ging es um drei Dimensionen: die visuelle Gestaltung von Bildungsmedien, die Lernmethodik sowie das Thema Digitalisierung. Die jungen Menschen gestalteten zum Beispiel ihr eigenes Schulbuchcover, stimmten mit Übungen wie “Vote on your feet” und einer Online-Umfrage ab oder diskutierten bei “Open Speech” sowie diversen Stationen tiefergehende Fragen rund um Bildungsmedien. Sie unterzogen Schulbücher auch einem Reality Check: Wie gut entsprechen aktuelle Bildungsmedien den Bedürfnissen der Schüler*innen? Wie nah sind sie der Lebensrealität der Jugendlichen? Die Ergebnisse werden noch im Detail ausgewertet und dann in Form eines Leitfadens von der öbv-Redaktion bei allen neuen Bildungsmedien und umfassenderen Überarbeitungen einbezogen.
Dass die Schüler*innen lieber mit gedruckten Büchern arbeiten, dürfe man auch nicht überbewerten, so Philipp Nussböck, der Geschäftsführer des öbv: „Instabiles W-Lan an Schulen, komplizierte Login-Prozesse, digitale Lernmaterialien, die die Chancen der Digitalisierung nur teilweise nutzen – das prägt das Erleben der Jugendlichen auch. Wir freuen uns natürlich, dass das gedruckte Schulbuch so beliebt ist und nehmen das in unsere Arbeit mit. Wir hören aber auch nicht auf, an wirklich sinnvollen hybriden und digitalen Bildungsmedien zu arbeiten. Vielleicht schaut in einigen Jahren, wenn die Jugendlichen einige tolle, unkomplizierte digitale Lernmedien erlebt haben, die Aufstellung wieder etwas anders aus.“
Besonders schön war das Feedback der Jugendlichen am Ende des Workshops. Nicht nur, dass 80 % dem Action Day die Schulnote 1 oder 2 geben würden. 91 % der teilnehmenden Jugendlichen gaben auch an, dass sie dort erlebt haben, dass ihre Stimme zählt. 79 % wollen ihre Stimme in Zukunft sogar öfter einbringen. Und 72 % haben nach dem Action Day das Gefühl, dass sie Demokratie jetzt besser verstehen. Wenn das nicht allein schon bestätigt, dass der Action Day sinnvoll war!