In der WUK-Schüler*innenschule entscheiden Schüler*innen und Lehrkräfte gemeinsam wesentliche Dinge des Schullebens. Wie läuft das ab?
Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers „Partizipation in der Schule“.
„Stoppst du mit? Dann machen wir jetzt eine Schweigeminute“, verkündet ein Schüler, der mit einem Klemmbrett vor der Kletterwand steht. „Für den Frieden“, ergänzt ein Lehrer. Gut sechzig Kinder und vier Erwachsene sitzen auf Turnbänken, Weichbodenmatten, einige sogar auf Fensterbrettern im Turnsaal der Schüler*innenschule im WUK. Heute ist ihr wöchentliches Plenum, in dem sie demokratisch Schulentscheidungen treffen. Moderiert wird es von den Schüler*innen selbst. Heute sind zwei Burschen an der Reihe. Sie sind Teil der Plenumsgruppe, die mit Hilfe einer Lehrkraft die Themen sammelt und das Plenum organisiert.
„Morgen ist Tag der offenen Tür. Wer möchte herumführen?“ Fast alle Hände gehen nach oben. Ein Lehrer fragt eine Gruppe von Schüler*innen: „Seid ihr in Physik dabei? Da machen wir nämlich den Bubble Tea.“ Einige Hände gehen zögernd wieder nach unten. „Alle, die herumführen wollen, treffen sich heute um 14:30 Uhr mit Alex zur Vorbesprechung“, kündigt der Bursche an, der moderiert. Dann wird das Programm besprochen: Welche Kurse finden statt? Wer möchte den Zirkus im Turnsaal mitbetreuen? Wer traut sich, die Mathe-Präsentation zu machen, auch wenn Besucher*innen da sind?
Einige Schüler*innen beginnen, in einer kleinen Gruppe miteinander zu diskutieren. Hier kommen weitere Mitglieder der Plenumgsruppe ins Spiel: Eine der vorab bestimmten Ruhestifter*innen geht hin und weist die Jugendlichen zurecht, es gibt eine kleine Diskussion. Schließlich setzen sich – wenn auch widerwillig – die Tratschenden auseinander.
Als Nächstes wird entschieden, wie es mit den Waldtagen weitergeht, die fünfmal im Jahr stattfinden und die die Kinder ohne Handy und Bespaßung im Wald verbringen. Letztes Mal haben einige gleich begonnen, Hütten und Dämme zu bauen. Wie gefallen ihnen diese Waldtage? Soll es sie weiterhin geben? Sollte mehr gewandert werden? Verschiedene Schüler*innen melden sich zu Wort und äußern ihre Meinungen. „Können wir nicht vielleicht eine ganze Waldwoche machen?“, fragt ein Bursche. „Jaaaa! – Och nein …“ – Das Plenum reagiert mit zustimmendem und ablehnendem Gemurmel. „Dann stimmen wir jetzt ab!“, ruft einer der Moderatoren.
Eine Schülerin aus der Plenumsgruppe schreibt die wichtigen Informationen und Entscheidungen ins Plenumsbuch, in dem man später alles nachlesen kann. Es ist ein bunter Themenmix: Einige Schülerinnen schlagen eine Mottowoche vor, in der sich alle jeden Tag nach einem bestimmten Thema kleiden. Angenommen! Ein Grätzlpolizist kommt in den Geschichtskurs. Wer möchte, kann dazukommen. Andere organisieren einen Schulball und wollen wissen, wie viele Mitschüler*innen kommen wollen. Jemand fragt: „Braucht ihr Hilfe beim Aufbauen und Putzen? Und wenn ja, kriegt man dafür Sozialstunden?“ Leichte Enttäuschung herrscht, weil am Tag nach dem Ball nicht schulfrei sein kann. Denn leider sind alle schulautonomen Tage schon aufgebraucht. „Aber wir können ihn uns schön gestalten, mit einem gemeinsamen Frühstück“, schlägt ein Lehrer vor.
Die Schüler*innen schätzen es sehr, dass sie so viel mitgestalten dürfen. „Ich liebe diese Schule. Es ist wichtig, dass wir mitentscheiden dürfen, denn wir sind Teil der Schule! Und Lehrkräfte kriegen ja nicht alles mit“, sagt eine ältere Schülerin. Ein jüngerer Bursche ergänzt: „Ich finde, das Plenum ist ziemlich cool, weil man selbst seine Stimme abgeben kann. Meiner Meinung nach sollte jeder Mensch seine Meinung sagen dürfen! Ich war vorher in einer anderen Schule und da war das ganz anders.“ Sein Freund erklärt: „In Regelschulen bestimmen die Lehrer alles. Dadurch, dass wir hier mitbestimmen dürfen, gibt es Angebote, die mir wirklich Spaß machen. Ich lerne nicht nur Deutsch und Mathe, sondern auch soziale Kompetenzen und solche Dinge.“
Für einige Teenager sind andere Aspekte wesentlich: „Mitgestaltung ist wichtig, weil man sich dann wohlfühlt. Und damit niemand übersehen oder ausgeschlossen wird!“ Sie sind überzeugt: „Wir gehen auch lieber zur Schule, weil wir mitentscheiden dürfen. Wir haben alle einen eigenen Stundenplan, den wir uns am Anfang vom Jahr selbst zusammenstellen können. So macht es viel mehr Spaß.“
Die Jugendlichen sind es gewohnt, dass sie für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen verantwortlich sind – und sehen auch die Herausforderungen der Schuldemokratie: „Manchmal ist das Plenum schon lang oder mühsam. Aber das ist es wert! Es macht Spaß, dass man mitentscheiden kann. Und man bekommt mit, was sich in der Schule tut.“
Das längste Plenum in der Geschichte hat die Schule übrigens den Smartphone-Regelungen zu verdanken. Die wurden über viele Monate hinweg regelmäßig im Plenum diskutiert. Die Meinungen gingen weit auseinander, verschiedene Lösungen wurden jeweils für eine Woche ausprobiert. Die Woche ganz ohne Smartphones fanden die Schüler*innen am angenehmsten, denn es gab mehr soziales Miteinander. Trotzdem hat sich die Regelung nicht demokratisch durchgesetzt. Schließlich haben die Lehrkräfte beschlossen (eine Seltenheit in der Schüler*innenschule): Ein generelles Handyverbot muss her. „Als wir das im Plenum verkündet haben, haben wir damit gerechnet, dass der Aufschrei groß ist. Die Kinder sind es schließlich gewohnt, alles mitentscheiden zu dürfen“, erzählt Schulleiterin Claudia Gerhartl. Die Empörung sei dann aber weit geringer gewesen als erwartet. Sie lächelt leicht ironisch: „Hätten wir noch ein Jahr gewartet, wäre uns die Entscheidung abgenommen worden!“ Im Gespräch mit den Schüler*innen ist zu merken, dass es zum Handyverbot weiterhin unterschiedliche Positionen gibt. Aber da sie ansonsten so konsequent mitbestimmen dürfen, scheint die vorgegebene Regelung nichts daran zu ändern, dass sie die Schule als ein demokratisches Umfeld erleben.
Der letzte Agendapunkt im Plenum ist immer das Freitagsprogramm. Der Tag ist nicht Teil des regulären Stundenplans, sondern es gibt ein ständig wechselndes Angebot an Kursen, für die sich die Schüler*innen eintragen können. „Das Plenum ist jetzt vorbei. Bitte nicht alle zur Anmeldung rennen!“, beenden die Moderatoren das Plenum. Viele stürmen sofort los, es herrscht Trubel. Bei aller demokratischen Verantwortung bleiben die Schüler*innen doch ganz normale Kinder.
Die Schüler*innenschule im WUK ist eine der ältesten demokratischen Alternativschulen Österreichs. Sie ist eine private, ganztägige Gesamtschule mit Öffentlichkeitsrecht für die 5. bis 9. Schulstufe.
Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers „Partizipation in der Schule“.