So wirkt sich KI auf Bildungsmedien aus

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Titelbild Am besten ist die Mischung

Wird durch Künstliche Intelligenz das Schulbuch obsolet? Oder können sich beide sinnvoll ergänzen? Das erklären Didaktik-Expertin Elke Höfler und öbv-Geschäftsführer Philipp Nussböck im Interview.

Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers "KI im Klassenzimmer".

„Das Schulbuch wird zum Buffet“

mit Elke Höfler

Ist KI in der Schule ein Fluch oder ein Segen?

Höfler: KI im Schulsystem ist beides – Fluch und Segen. KI kann uns dabei helfen, kritisches Denken, das Erklären von eigenen Meinungen und das Herstellen von Zusammenhängen zu fördern. Vor allem zeigt sie uns aber Baustellen und Mängel im aktuellen Bildungssystem auf – zum Beispiel, dass noch ein zu großer Fokus auf dem Auswendiglernen und Reproduzieren liegt.

Foto elke Höfler


Aufgrund von KI steigt die Relevanz von Kompetenzen – die des Auswendiglernens sinkt. Wie können Bildungsmedien darauf eingehen?

Höfler: Mir ist es besonders wichtig, dass Schüler*innen gut erklären können: Sie sollen in der Schule lernen, wie man schlüssig begründet, argumentiert und debattiert. Gewisse Fakten zu kennen und auswendig zu wissen, bleibt wichtig, um KI-Ergebnisse zu hinterfragen. Hier kommen die Bildungsmedien ins Spiel: Sie helfen, Fakten- und Anwendungswissen miteinander zu verknüpfen.

Wie sieht ein Bildungsmedium aus, das ein klassisches Schulbuch mit KI vereint?

Höfler: Bildungsmedien sollten KI als ein integriertes Medium nutzen – einerseits, um die Funktionsweise und Ergebnisse von KI zu verstehen, andererseits sollte KI direkt beim Schreiben und Korrigieren eingesetzt werden.

Wie sieht das ideale Schulbuch der Zukunft aus?

Höfler: Es sollte jedenfalls modular sein, sodass sich Lehrkräfte je nach den Bedürfnissen ihrer Schüler*innen verschiedene Inhalte zusammenstellen können. Es sollte also weg von einem starren Buchcharakter hin zu einem „Buffet“ gehen, von dem man sich passende Elemente auswählen kann.

Wie kann KI dabei helfen, Schüler*innen mit verschiedenen Lerntypen und -niveaus im Unterricht zu unterstützen?

Höfler: Durch die Einbindung von KI im Unterricht kann der Unterricht viel abwechslungsreicher gestaltet und auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen zugeschnitten werden. Je nach Lernniveau kann beispielsweise ein Kind gebeten werden, ein KI-generiertes Bild sehr oberflächlich zu beschreiben, während ein anderes Kind gefragt wird, welcher kulturelle Bias oder welche Stereotype in dem Bild abgebildet sind. Somit wird je nach Entwicklung und Wissensstand immer weiter in die Tiefe gegangen.

Wie kann bzw. sollte man als Lehrperson KI im Unterricht einbinden?

Höfler: Lehrer*innen sollten die Nutzung von KI als Werkzeug sowie die kritische Reflexion darüber fördern: Was passiert beispielsweise, wenn man die Handykamera oder den Fingerabdruck-Scan nutzt, um den Bildschirm zu entsperren? Wie und wo werden die Daten verarbeitet, die dabei entstehen? Und wie funktioniert die KI dahinter eigentlich?

Was bedeutet das konkret für die Schüler*innen? Inwiefern beeinflussen Unterrichtsmaterialien den Lernerfolg? Womit lernen Schüler*innen besser?

Höfler: Welche Unterrichtsmaterialien für Schüler*innen besser funktionieren, ist individuell und situationsabhängig. Ein guter Unterricht ist es dann, wenn er abwechslungsreich gestaltet ist und verschiedene kognitive Leistungen abruft. Das kann auch sein, wenn man im Sesselkreis sitzt und Dinge diskutiert, ganz ohne Materialien. Für Schüler*innen heißt es in jedem Fall, regelmäßig aus ihrer Komfortzone herauszugehen.

„Am besten ist die Mischung aus analog und digital“

mit Philipp Nussböck

Was ist die wichtigste Funktion eines Bildungsmediums?

Nussböck: Bildungsmedien übersetzen den Lehrplan in den Unterrichtskontext. Das ist ganz entscheidend. Unsere Produkte stellen die Lerninhalte so dar, dass Lehrkräfte sie unkompliziert vermitteln und Schüler*innen sie gut verstehen und motiviert lernen können. Das ist nicht trivial, denn Anforderungen des Lehrplans, der Lehrkräfte und der Schüler*innen sind nicht immer deckungsgleich.

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Braucht es in Zukunft überhaupt noch (analoge) Schulbücher?

Nussböck: Auf jeden Fall werden wir auch in Zukunft qualitativ hochwertige Bildungsmedien brauchen, die durchdachte didaktische Konzepte enthalten und Lernstoff altersgerecht und zukunftsorientiert vermitteln. Ich bin auch überzeugt, dass das weiterhin in Buchform geschehen wird – aber sicherlich nicht als einziges Medium. Auch heute werden gedruckte Schulbücher ja schon vielfach durch digitale Bildungsmedien ergänzt. Für einige Inhalte oder Methoden eignen sich digitale Medien besser, andere lassen auf Papier besser vermitteln. Am besten also schafft man eine sinnvolle Kombination aus gedruckten und digitalen Bildungsmedien.

Welche Auswirkungen hat KI auf den Stellenwert von Bildungsmedien?

Nussböck: KI sorgt dafür, dass wir Bildung ganz neu denken müssen. Aber sie ist limitiert und bringt auch Probleme mit sich: Sie präsentiert immer wieder fehlerhafte Informationen oder frei erfundene Quellen und Inhalte. Gerade dadurch kann Menschen bewusst werden, wie wichtig professionelle, geprüfte Bildungsmedien sind.

Macht KI den klassischen Bildungsmedien Konkurrenz?

Nussböck: Ersetzen kann Künstliche Intelligenz professionelle Bildungsmedien nicht. Inhaltliche Überprüfung und funktionierende didaktische Konzepte werden wichtig bleiben. Aber es muss ja kein Gegeneinander sein. KI und Bildungsmedien in Kombination miteinander können das Lernen durchaus bereichern. Vielleicht wird es dadurch abwechslungsreicher, Lehrkräfte haben es einfacher bei der Unterrichtsvorbereitung oder dabei, die individuellen Bedürfnisse in heterogenen Klassen zu erfüllen.

Zum Beispiel könnte es eine KI geben, die auf die Inhalte unserer Bildungsmedien zugreift, also auf eine geprüfte Informationsbasis. Sie kann Schüler*innen im Chat Fragen zum Schulbuch beantworten, Texte auf ein einfacheres Niveau übertragen oder den Schwierigkeitsgrad von Aufgaben anpassen.

Oder vielleicht lernen Schüler*innen in Zukunft mehr anhand von Themen, die sie interessieren. Vielleicht mag eine Schülerin Basketball und berechnet als Mathe-Hausübung die Fläche eines Spielfelds. Ihr Mitschüler ermittelt stattdessen die Fläche des Stadions beim Konzert seiner Lieblingsband. Einem anderen Kind liegt Mathe besonders, also rechnet sie noch das Volumen des Stadions aus. Das alles könnte KI individualisieren und so zu einem auf jedes Kind zugeschnittenen Lernprozess beitragen.

Wie kann KI dabei unterstützen, dass Bildungsmedien inhaltlich immer aktuell sind?

Nussböck: Der Konzeptions- und Approbationsprozess unserer Lehrwerke ist sehr komplex. Bis die Schüler*innen ihr Buch in den Händen halten, dauert es häufig drei Jahre. Damit trotzdem aktuelle Themen im Unterricht Platz finden, stellen wir Zusatzmaterialien in PDF-Form bereit. Hier könnte Künstliche Intelligenz definitiv unterstützen, sodass diese Materialien schneller erstellt werden können. Aber natürlich müssten alle Inhalte trotzdem von Expert*innen geprüft werden. KI ist fehleranfällig. Deshalb – und auch wegen der Approbationsprozesse – kann ich mir auch nicht vorstellen, dass KI jemals eigenständig Inhalte in Bildungsmedien aktualisiert.

Wird KI in den öbv-Bildungsmedien bereits integriert?

Nussböck: Die Begutachtungskommissionen überprüfen vorab alle Inhalte unserer approbierten Bildungsmedien; diese dürfen sich daher nicht dynamisch ändern. Echte KI-Funktionen können aktuell also in für die Schulbuchaktion zugelassenen Produkten nicht enthalten sein. Aber wir arbeiten aktiv daran, das Potenzial Künstlicher Intelligenz für zukünftige Angebote und Funktionen auszuloten.

Wie sieht das Bildungsmedium der Zukunft aus?

Nussböck: In Zukunft wird Lernen mit einer sinnvolle Mischung aus gedruckten und digitalen Bildungsmedien passieren, die nahtlos ineinandergreifen. Visualisierungen und interaktive Übungen sind zum Beispiel besser im Digitalen möglich, konzentriertes Lesen passiert am besten im gedruckten Buch. Das Bildungsmedium der Zukunft wird also wohl hybrid sein.


Dieser Artikel ist Teil des öbv-Whitepapers "KI im Klassenzimmer".

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