Geschichte des öbv

Gründung durch Maria Theresia im Jahr 1772

Den öbv gibt es schon mehrere Jahrhunderte lang. In dieser Zeit hat sich in Österreich, im Bildungssystem und im Verlag selbst so einiges geändert. Gegründet wurde der öbv im Jahr 1772 durch Maria Theresia als Verlag der Schul-Kommission. Sie erkannte damals an, dass der Schulbuchdruck zum „Nutzen der Jugend“ und der „publici“ (also der gesamten Öffentlichkeit) geschieht und zum „Unterricht der Lehrer sowie als deren Lernenden“ dient. Die Gründung geschah im Kontext der vermutlich größten Bildungsrevolution aller Zeiten: der Einführung der allgemeinen Unterrichtspflicht. Der öbv stand damit von Anfang an im Zentrum schulreformerischer Bewegungen in Österreich.

Unterrichtspflicht und einheitliche Schulbücher

Erzherzogin Maria Theresia hatte kurz vor diesen Geschehnissen eine neue Schulordnung in Auftrag gegeben. Der preußische Schulreformer Johann Ignaz von Felbiger wurde damit beauftragt, diese zu entwickeln. Heraus kam ein Bildungssystem, das sich in drei Teile gliederte: Trivial-, Haupt- und Normalschule. Die Trivialschule dauerte zwei Jahre und vermittelte Basiskompetenzen wie Lesen und Schreiben. Damit verbunden war eine allgemeine Unterrichtspflicht, die der öbv mit seinen Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien unterstützen sollte. Allerdings war es nicht verpflichtend, Kinder tatsächlich in die Schule zu schicken, sondern nur, sie unterrichten zu lassen. Das fand teils auch über Hauslehrer statt. Übrigens erhielten trotzdem nach wie vor viele Kinder keinen Unterricht.

Kostenlose Schulbücher – schon damals

Felbinger führe in dem Zuge auch einheitliche Lehrbücher für die österreichischen Schulen ein. Kinder aus Familien, die sich diese nicht leisten konnten, bekamen auch damals schon die Bücher kostenlos. Rund 25 Prozent der Buchproduktion des öbv im Jahr 1815 wurde kostenlos verteilt. Eines dieser Bücher war das „Lesebuch für die Schüler in den deutschen Schulen in den k. k. Staaten“. Es erschien neben Deutsch auch auf Tschechisch, Slowenisch, Polnisch, Italienisch, Hebräisch und Ruthenisch – denn alle diese Sprachen wurden damals in der Habsburgermonarchie gesprochen.

Kontinuierlicher Wandel der staatlichen Bildungsziele

Die Gesellschaft und damit auch die staatlichen Bildungsziele veränderten sich in den nächsten 150 Jahren stark: Zur Gründungszeit des öbv war das Land von Maria Theresia und ihren religiösen Vorstellungen geprägt, die durch den Unterricht auch an die Kinder vermittelt werden sollten. Als nach ihrem Tod Joseph II. zur maßgeblichen Herrscherfigur wurde, hielt der aufgeklärte Absolutismus Einzug und junge Menschen sollten eine weniger katholisch und national geprägte Erziehung erhalten. Rund fünfzig Jahre später schlug das wieder ins Gegenteil um: Der Neoabsolutismus brachte wieder eine starke Orientierung am Katholizismus mit sich. Damals schon standen die Schulbücher des öbv unter strenger behördlicher Kontrolle – sie wurden vom Staat approbiert.

Der öbv bekommt seinen Namen

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein behielt der öbv das Druckprivileg, das Maria Theresia ursprünglich genehmigt hatte. Im späteren Verlauf des Jahrhunderts jedoch wurde das Druckprivileg abgeschafft. Der öbv stand jetzt in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Verlagen. Nach dem Ende der Habsburgermonarchie bekam der öbv seinen heutigen Namen: „Österreichischer Bundesverlag“. Denn was nicht mit dem Druckprivileg verloren ging: Der öbv blieb weiterhin (bis zum Jahr 1975) ein „Fonds des öffentlichen Rechts“.

Vernichtete und regimetreue Schulbücher im Nationalsozialismus

In den 1920er-Jahren wurde das Bildungssystem durch die Schulreformen von Otto Glöckel liberaler. Insbesondere Wien galt in dieser Zeit als internationales Vorbild mit Bezeichnungen wie „Hauptstadt des Kindes“ und „Mekka der Pädagogik“. Diese schulpolitischen Vorgaben änderten sich unter den Nationalsozialisten radikal. Von diesen Einschnitten in der Bildungspolitik war auch der öbv betroffen. Er wurde zwischen 1938 und 1945 mehrfach umbenannt, mutmaßlich um Bezüge auf eine eigenständige österreichische Identität zu schwächen: Zunächst hieß der in öffentlicher Hand befindliche Verlag „Österreichischer Landesverlag, vormals Österreichischer Bundesverlag“, später „Ostmärkischer Landesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst“ und schließlich „Deutscher Schulverlag, Wien“. 1938 erfolgten schnell radikale personelle Umbesetzungen, ein regimetreues NSDAP-Mitglied wurde an die Spitze des Verlags gestellt. Im selben Jahr wurde ein Großteil der Bücherbestände vernichtet, weil sie als nicht regimegemäß eingestuft wurden. Um Schulbücher zu produzieren, die in das Welt- und Menschenbild des Nationalsozialismus passten, wurde rasch der Arbeitskreis der Schulbuchverleger gegründet. Dessen Aufgabe war es, auf der Basis von NS-Bildungsvorgaben österreichische Schulbücher herzustellen, die vor Veröffentlichung in der Zentrale in Berlin genehmigt werden mussten. Die öbv-Schulbücher aus dieser Zeit variieren: Einige sind fast oder völlig neutral, die meisten allerdings sind ideologisch gefärbt, viele sogar stark. Die Unterschiede sind wohl auf verschiedene Haltungen einzelner Publizierender und verfügbarer Spielräume zurückzuführen.

Das Österreichische Wörterbuch ergänzt das breite Angebot

1945 erfolgte wiederum eine rasche ideologische Kehrtwende, maßgeblich bedingt durch Umbesetzungen und die bereits einsetzende Entnazifizierung. Der Arbeitskreis der österreichischen Schulbuchverleger blieb jedoch erhalten, wenn auch unter verändertem Namen und anderen politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen. Der öbv wurde erneut umbenannt und hieß fortan „Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst“. Er erweiterte sein Angebot auf alle Schulformen und die meisten Fächer. 1951 erschien erstmals ein Werk, das damals wie heute große Bedeutung hat, nicht nur für den öbv, sondern auch für Österreich. Die neugegründete Republik setzte – in Abgrenzung zur NS-Zeit – auf eine Stärkung der österreichischen Identität. In diesem Zuge beauftragte sie den öbv damit, das Österreichische Wörterbuch zu erarbeiten, das bis heute das für Österreich gültige amtliche Regelwerk der deutschen Sprache repräsentiert.

Die Schulbuchaktion fördert Bildungsgerechtigkeit

Die Schulreformen der 1970er-Jahre brachten eine wesentliche Neuerung im Sinne der Bildungsgerechtigkeit mit sich: Durch die 1972 gegründete Schulbuchaktion wurden die Lehrwerke für Schüler*innen kostenlos. Die Finanzierung übernahm die Republik, um Familien finanziell zu entlasten und Chancengerechtigkeit zu fördern. Das brachte einen enormen Bedarf an Schulbüchern mit sich, der durch eine deutliche Produktionssteigerung bedient werden musste. Dazu trug wesentlich auch der öbv bei, der bei weitem der größte und wichtigste österreichische Schulbuchverlag war.

Der Bund verkauft den Bundesverlag

All die Jahre seit der Gründung des öbv war der Bund dessen alleiniger Eigentümer. Dieser durfte jedoch Gewinne des Unternehmens nicht abschöpfen, sondern diese mussten reinvestiert werden, um dem Unternehmenszweck zu dienen. So entstand eine öbv-Holding, zu der Verlage wie Deuticke, Residenz und Brandstätter gehörten. Diese wurden jedoch verkauft, als der öbv kurz vor der Jahrtausendwende mit dem Verlag Hölder-Pichler-Tempsky (hpt) fusionierte und so teilprivatisiert wurde. Der neu entstehende Verlag trug den Namen öbvhpt. Die Klett Gruppe rund um den Stuttgarter Ernst Klett Verlag erwarb Anfang der 2000er-Jahre zunächst den Anteil des Bundes, etwas später auch die Anteile der Familie Glöckler, die hpt-Eigentümer waren. Seitdem ist der öbv vollständig in Besitz der Klett Gruppe.

Vielfältige Produktkränze – analog und digital

Die Anbindung an Klett brachte für den öbv bedeutende Veränderungen und Modernisierungen mit sich. Das aktuelle Programm zeichnet sich durch hohe inhaltliche Qualitätsstandards, ansprechendes Design und moderne digitale Produkte aus. Zu einem Schulbuch gibt es heutzutage ein breites Spektrum an begleitenden Materialien und digitalen Angeboten – sowohl für Lehrkräfte als auch für Lernende. Gerade der Bereich der digitalen Medien wurde weiterentwickelt, sodass etwa E-Books und vielfältige digitale Zusatzmaterialien für alle Fächer entstanden.

Österreichische Spezifika und internationale Best Practices

Durch die Klett Gruppe ist der öbv enger an Schwesterunternehmen weltweit angebunden und kann von Austausch und internationalen Best Practices profitieren. Gleichzeitig bleiben die Besonderheiten der österreichischen Bildungslandschaft stets im Fokus für den öbv, den eine so lange Tradition mit diesem Land verbindet. Die Sprache und Geschichte Österreichs, die hiesigen Unterrichtstraditionen und die Spezifika der österreichischen Schulen werden sich auch weiterhin stark in der Entwicklung von Unterrichtsmaterialien niederschlagen. Der öbv verbindet also lange Erfahrung und hohe Qualität mit Innovation – über Schulformen und Fächer hinweg.