viel|seitig 5, Schulbuch [Prüfauflage]

96 VIEL | SEITIG 5 Survey: Überblick (Überblick verschaffen über: Inhaltsverzeichnis, Überschriften, Textsorte, Grobaufbau – ohne dabei den Text zu lesen) Question: Fragen an den Text stellen (selbst überlegen, welches Ziel du beim Lesen des Textes hast und welche Teile du benötigst) Read: Lesen und markieren (Abschnitt für Abschnitt lesen, Randbemerkungen hinzufügen, Relevantes mit Textmarker bzw. digital markieren) Recite: Antworten (Absätze kurz in eigenen Worten zusammenfassen – nur ein Satz, Fragen von Punkt Q beantworten) Review: Zurückblicken (Erfüllt der Text seinen Nutzen und wurden alle meine Fragen beantwortet? Cluster/Mindmap anlegen) In dem vorliegenden Essay geht es um unser Konsumverhalten. Lies den Essay „Über die Lust am Konsum: Haben wollen, brauchen dürfen“ und schreibe deine Notizen in das Arbeitsblatt zur SQ3R-Methode. Bewerte anschließend, ob die Aussagen richtig oder falsch sind. Über die Lust am Konsum: Haben wollen, brauchen dürfen Nach einer Art Wachkoma durften viele Geschäfte wieder öffnen. Das freut auch unseren Autor, dem eine Jacke nicht mehr aus dem Kopf geht Von Michael Hausenblas | 15.4.2020 Da ist diese Jacke. Sie hängt im Schaufenster eines noblen Geschäfts im ersten Bezirk. Eine Jacke, braun wie ein Stollwerk-Zuckerl, vom Schnitt her ein Modell, wie es Alain Delon in den 60ern trug. Ich glaube, im Streifen Nur die Sonne war Zeuge. Seit vier Wochen komme ich jeden Tag an dieser Jacke vorbei, wenn ich nachmittags meine Runde durchs Grätzel drehe, um den Muff der Heimarbeit aus meiner Schreibstube loszuwerden. Seit ungefähr einer Woche sage ich zu der Jacke, „Hallo Jacke!“, wenn ich vorbeistrawanze. Ehrlich! Vier Wochen und einen Tag begleiteten mich außer der Jacke die Bilder einer Geisterstadt bei meinem Streunen. Andere Weggefährten während dieser Zeit waren Kirchenglocken und wahrscheinlich immer dieselben Tauben. Die Vögel sind verdammt schwer zu unterscheiden. Und da lagen auf meinem Weg all die Geschäfte, hinter deren Auslagen gespenstische Dunkelheit herrschte. Ein zwangsweise geschlossenes Geschäft hat etwas Trauriges, seine Auslage verliert an Strahlkraft. Es vermittelt den Eindruck von einer Art Wachkoma, verdüstert auf Dauer dem Passanten den Blick, wie schmal seine Geldtasche auch sein mag. Schauen, kaufen, bummeln, shoppen, wie immer man es nennen will, bedeutet etwas Lebendiges, steht für ein mehr oder weniger intensives In-Beziehung-Treten mit Dingen von einem Verhältnis zu etwas, das wir haben wollen oder brauchen sollen. Jedes Geschäft, jeder Kauf folgt einer eigenen Dramaturgie, ein Laden wird zur Bühne, das Schaufenster fungiert als Programmheft. Verkäufer, Kunde und Waren werden zu Darstellern, Vernunft und Unvernunft zu Souffleusen. Einkaufen entspricht einem Teil unserer Kultur, bei allem Schindluder, das einen so manches im „worldwide“ Konsumwahn verteufeln lässt. Dennoch: Warum spielen Kinder „Kaufmannsladen“? Eben. Palim, palim! Geschäfte sind Orte der Begegnung mit Schuhen, chromstahlblitzenden Kaffeemaschinen, T-Shirts, Rasierwässerchen, Taschenmessern, Salatschüsseln und Gartenkrallen aus gehärtetem Weiß-der-Kuckuck-was. Konsum bedeutet Abwägen, steht nicht selten für eine innere Rauferei zwischen Irrationalität, Geltungskonsum und Vernunft, wobei Zweiteres nicht selten wie ein Vierbeiner angeleint vor dem Geschäft warten muss. Die Bandbreite zwischen „benötigen“ und „haben wollen“ ist so breit wie die Mariahilfer Straße lang. Man könnte in diesem Zusammenhang von individuellen Mythen des Alltags sprechen. Das Glücksgefühl gegenüber Dingen erkaltet und A 22 9sa8p8 1 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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