28 3 Die frühe Neuzeit – Europa im Wandel Kunst im Dienste der Macht | Längsschnitt Antike – 19. Jahrhundert Kunst wurde und wird von Machthabenden und Herrschenden nicht nur um der Kunst willen geschätzt. Sie wurde auch als Macht- und Propagandainstrument gesehen. Der römische Kaiser Augustus (63 v.– 14 n.Chr.) hat dies bereits in der Antike erkannt und Kunst sehr stark als Mittel zur politischen Selbstdarstellung genutzt. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden im Auftrag verschiedener Herrscherinnen und Herrscher zahlreiche Propaganda- oder Huldigungswerke: Das können Gemälde genauso wie Statuen, Literatur oder auch Münzen sein. Das Aufkommen der Fotografie und die immer besseren Möglichkeiten der Retusche erweiterten das Repertoire (= Bestand). Daher soll man auch künstlerische Produkte nach den Gründen ihrer Entstehung und den möglichen Motiven befragen. Der lateinische Dichter Vergil (70–19 v.Chr.) schrieb das römische Nationalepos Aeneis, um den Herrschaftsanspruch des Julischen Hauses und damit des Kaisers Augustus in Rom mythologisch zu erklären und zu legitimieren. Darin beschreibt er, wie Aeneas seine von den Griechen eroberte und angezündete Heimatstadt Troja mit seinem Sohn Iulus verlässt. Das Schicksal hat bestimmt, dass er nach Italien kommen soll, wo seine Nachfahren später Rom gründen werden. Durch die vielen Irrfahrten verzweifelt, will er aufgeben und fragt seinen toten Vater in der Unterwelt um Rat. Dieser prophezeit eine wunderbare Zukunft: Schau nun hierher, betrachte dieses Volk und Deine Römer. Hier ist Caesar und die gesamte Nachkommenschaft des Iulus, die unter den weiten Himmel kommen wird. Und dieser Mann, dieser hier ist es, von dem du öfter hörst, dass er dir in Aussicht gestellt wird: Kaiser Augustus, Sohn des göttlichen Iulius Caesar, der wieder goldene Jahrhunderte in Latium begründen wird, in der Landschaft, die einst von Gott Saturn regiert wurde. Auch auf die Garamanten [= antikes Volk der Berber, das Lybien besiedelte] und die Inder wird er das Reich ausdehnen: Das Land liegt außerhalb des Tierkreises und außerhalb der Bahnen des Jahreskreises und der Sonne, wo der Himmelsträger Atlas auf seiner Schulter die mit funkelnden Sternen besetzte Himmelsachse dreht. Vor dessen Ankunft zittern aufgrund von göttlichen Orakelsprüchen schon jetzt sowohl die Reiche am Kaspischen Meer als auch die Halbinsel Krim und die Mündungen des siebenarmigen Nil sind unruhig. (Vergilius Maro, Publius: Aeneis VI, 788–800; Originaltext online auf: www. thelatinlibrary.com (26.8.2014); Übers.d.A.) Kaiser Maximilian I. (1459–1519) nützte den neuen Buchdruck zu Propagandazwecken: Er gab das Epos „Teuerdank“ in Auftrag oder verfasste es sogar selbst. Es schildert die Brautfahrt des Helden Teuerdank (= Maximilian) und seine zahlreichen Abenteuer. In dieser Textstelle versucht ihn der untreue Hauptmann Neidelhart in einen Hinterhalt zu locken. Doch Teuerdank kann eine zehnfache Übermacht schlagen: Neidelhard noch kein Benüegen hett An dem, das er dem Helden tet, Bedacht ein neue Buberei. Eins Mals da kam im das Geschrei, Wie ire Feind mit ganzem Heer Sich hetten von in gelegt nit ferr Und wollten liferen ein Schlacht. Neidelhart in seim Sinn gedacht: Mocht ich mit Listen den Held Bringen hindan in das weit Feld Allein auf ein Ort vom Haufen, So mußten in gleich anlaufen Etlich von Feinden mit ir Weer. In demselben gieng der Held her; Neidelhart sprach: „Lieber Herr mein, Ich hör, wie die Feind sollen sein Aufs Allernechst im Feld hiebei, Und ist lauter das Geschrei, Si wellen sich mit uns schlagen, Das hab ich Euch wellen sagen“ Teurdank der Held antwort: „Es soll Warlich aufs fürderlichst beschehen.“ Von Stund an schickt der Held aus zu spehen, An welchem Ort die Feinde weren, Dann er wollt sich schlagen geren. Neidelhart heimlich schicken tet, Zu den Feinden, sagt in, wie sich hett Der Held geschickt, mitn in zu schlagen, Alsbald es morgen wurd tagen. (Kaiser Maximilian I.: Teuerdank. Die Geferlichkeiten und eins Teils der Geschichten des loblichen streitbaren und hochberümbten Helds und Ritters Herr Teurdanks, München 1968, S. 222 f.) Theresias: Umdichtung der Aeneis auf Maria Theresia (unbekannter Autor): [1.] Die Königin betrachtete diese ängstlichen Gemüter der Adeligen, die vor Angst bleich waren und vor der Zukunft erzitterten, sie allein stand inmitten so großer Stürme unerschüttert da, wie ein Felsen mitten in den tobenden Wellen des Meeres durch seine Masse fest dasteht und dem Meer widersteht. Es mag sein, dass ihr immer das Bild des wankenden Reiches vor Augen stand, dennoch lehrte jene, dass man ein jedes widrige Schicksal ertragen und harten Schicksalsschlägen Widerstand leisten könne. (…) [2.] „Ach hilf der Armen und entreiße mich aus diesen Flammen des Krieges!“ Nachdem sie so gesprochen hatte, wurde ihr Busen nass von Tränen. Gott hört die mit derartigen Worten Betende und erfüllt ihr ganzes Herz mit göttlicher Entschlossenheit. Sofort ist sie getröstet, empfindet Mut, wie ihn sonst nur Männer haben, ruft voll Gottvertrauen die Adeligen Ungarns und 30 Grafen zusammen, forderte jene auf und sprach: „Ihr seid die Zierde Ungarns! Die einzige Hoffnung eurer Herrin seid ihr!“ (O.V.: Theresias; Zit. nach: Klecker, Elisabeth: Maria Theresia und Aeneas, Vergilrezeption zur Bewältigung der weiblichen Erbfolge. In: Camoenae Hungaricae 2 (2005), S. 111–126, hier S. 121 f.; Übers.d.A.), M1 M2 M3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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