Zeitbilder 5/6, Arbeitsheft

16 2 Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche Krönungszeremonien zur Legitimierung1 der Herrschaft | Mittelalter 1 für gesetzmäßig bzw. rechtmäßig erklären; gesetzliche, rechtmäßige Anerkennung Die Krönung eines Kaiser/einer Kaiserin oder eines Königs/einer Königin zählte im europäischen Mittelalter zu den hervorragendsten gesellschaftlichen und politischen Ereignissen. In einer genau geplanten feierlichen Handlung (= Zeremonie) wurden ihm oder ihr das Recht und die Macht zur Ausübung des Herrscheramtes übertragen. Dabei spielte eine besondere religiöse Vorstellung eine große Rolle: Der christliche Kaiser sah sich durch göttliches Recht legitimiert, über die Welt zu herrschen. Der erste, der vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde, war der fränkische König Karl (d. Große) im Jahr 800. Das war auch der Versuch, das Römische Reich zu erneuern. Karl sah sich als Herrscher über das „gesamte Christenvolk“ und als Verteidiger der Kirche. Das Ritual der Salbung mit Chrisam, dem heiligen Öl, machte den Kaiser zu einem Gesalbten des Herrn. Dies sollte ausdrücken, dass Gott selbst dem Kaiser die Herrschaft verlieh – aufgrund der Salbung und Krönung durch den Papst. Ähnlich verliefen auch die Krönungszeremonien der römisch-deutschen Könige. Nach der Wahl durch die Fürsten nahmen Erzbischöfe des Reiches Salbung und Krönung sowie die Übergabe der weiteren königlichen Würdezeichen (Reichsschwert, Krönungsmantel, Zepter oder Reichsapfel) vor. Auch die Herrscher der anderen europäischen Königreiche sahen sich durch Gott legitimiert. Reichskrone (Schatzkammer, Wien): Sie wurde vermutlich für die Kaiserkrönung Ottos I. im Jahr 962 angefertigt. Die abgebildete Platte zeigt Christus mit der Inschrift: „per me reges regnant“ = „Durch mich regieren die Könige“. „ © TopPress Austria/Schöndorfer Karl/picturedesk.com Der sächsische Mönch und Chronist Widukind von Korvei (925–ca. 973) berichtet in seiner Sachsengeschichte über die Königskrönung Ottos I. (936): Heinrich (I.), der größte und beste der Könige war tot. Nun erkor sich das ganze Volk der Franken und Sachsen seinen Sohn Otto zum Fürsten. Die Herzöge und vornehmsten Grafen versammelten sich im Säulenhof neben der Kirche Karls des Großen. Sie setzten den neuen Herrscher auf einen hier errichteten Thron, gelobten ihm Treue und machten ihn so nach ihrem Brauch zum König. Er wurde dann in die Kirche geleitet. Dort wurde er vom Erzbischof empfangen. Der rief zum Volk: „Seht, hier führe ich euch den von Gott erwählten und jetzt von allen Fürsten zum König gemachten Otto. Wenn ihr der Wahl zustimmt, so hebt zum Zeichen dafür die Rechte zum Himmel.“ Darauf hob das ganze Volk die Rechte zum Himmel. Dann schritt der Erzbischof mit dem König hinter den Altar, auf dem die königlichen Herrschaftszeichen lagen: das Schwert, der Mantel, das Zepter und die Krone. Der Erzbischof überreichte ihm Schwert und Zepter und bekleidete ihn mit dem Mantel. Dann wurde Otto mit dem heiligen Öl gesalbt und mit der goldenen Krone gekrönt. Nach dem ordnungsgemäßen Vollzug der Weihe wurde er zum Thron geführt. Nach dem Messopfer ging der König zur Pfalz und trat zum Marmortisch, der mit königlichem Prunk gedeckt war, und setzte sich mit den Erzbischöfen und allem Volk; die Herzöge taten Tischdienst. (Widukind von Korvei: Sachsengeschichte; zit. nach: Borst, Arno: Lebensformen im Mittelalter, 3. Aufl. 2003, S. 474 ff.; Vereinf. u. Kürz. d.A.) Albrecht Dürer (1472–1528): Kaiser Karl d. Große. Dürer schuf 1512 oder 1513 mit diesem Tafelbild (209 x 119,5 cm) ein Idealbildnis des Kaisers. Die dargestellten Reichsinsignien (= Würdezeichen: Reichskrone, Krönungsmantel, Reichsapfel, Reichsschwert) werden heute in der Schatzkammer in Wien aufbewahrt. „ Das Bild befindet sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg; eine Kopie, gefertigt um 1600, in der weltlichen Schatzkammer in Wien. Rahmenumschrift: „Dis ist der gstalt und biltnus gleich / Kaiser Karlus der das Remisch reich Den teitschen undertenig macht / Sein Kron und Klaidung hoch geacht / zaigt man zu Nürenberg alle Jar / Mit andern haltum offenbar.“ © Bettmann/Corbis M1 M2 M3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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