Wir leben gegenwärtig in einer Zeit der Globalisierung. Nach außen hin wird erwartet, dass die Menschen ein „Globales Miteinander“ leben. Unterschiede zwischen den Kulturen, den Staaten und Nationalitäten sollen weniger bedeutsam werden. Nach innen und vielfach im privaten Bereich äußern viele Menschen aber „Angst vor dem Fremden“. Fremdes – „Othering“ – Eigenes Fremdes existiert in zahlreichen Erscheinungsformen um uns herum. Es wird vom Einzelnen jeweils anders wahrgenommen und selten wertfrei erlebt. Der Umgang mit dem Fremden, dem Unbekannten, den fremden Menschen wird weitgehend durch erlerntes Verhalten bestimmt. Er ist meist gefühlsmäßig besetzt und oftmals gesteuert von gesellschaftspolitischen Interessen. Aus diesen Gründen ist es notwendig, die Bezeichnungen zu hinterfragen, die wir für fremde Menschen verwenden. Die Benennung von fremden Menschen bloß als „Außenseiterin und Außenseiter“, „Ausländerin und Ausländer“, als „Gastarbeiterin und Gastarbeiter“ oder „Arbeitsmigrantin und Arbeitsmigrant“, als „Flüchtlinge“ oder „Asylwerberin oder Asylwerber“ führt zu einer einschränkenden Sichtweise diesen Menschen gegenüber. Diese Thematik geht quer durch die Gesellschaft: Sie betrifft die einzelnen Menschen in ihrem privaten Leben, in der Schule, im Arbeitsleben und in der Freizeit sowie im politischen Leben. Gegenwärtig wird die Vorgangsweise, wie „Fremde“ zu „Fremden“ gemacht werden, als „Othering“ bezeichnet: L Das Konzept von Othering erläutert, wie die „Fremden“ zu „Fremden“ [= „andere“; Anm. d. A.] gemacht werden und wie dabei gleichzeitig ein „Wir“ [= „das Eigene“; Anm. d. A.] hergestellt wird. Dieses „Wir“ ist anders als es die „Fremden“ (= Nicht Wir) sind. Es ist beruhigend einfach und sicher: Sind die „Fremden“ wild oder Barbaren, so sind „wir“ zivilisiert; sind die „Fremden“ emotional, so sind „wir“ rational, sind die „Fremden“ Ausländer, so sind „Wir“ die Inländer. (Mecheril u. a., Migrationspädagogik, 2010, S. 42, gek. u. bearb. d. A.) Solche Vorgangsweisen bei der Bezeichnung von fremden Menschen waren im Laufe der Geschichte immer wieder weit verbreitet. Sie gehörten z.B. zur Sprache und zum Denken der zivilisierten Römer gegenüber den „barbarischen“ Germanen. Sie gehören aber auch zu den Einstellungen der „westlichen“ Welt im 20. Jh. gegenüber den „Entwicklungsländern“, z.B. in Afrika, Ostasien oder Südamerika. Auf diese Weise hat man eine „westliche“ Identität geschaffen. Sie hat den „Rest der Welt“ als unzivilisierte, unterentwickelte „Gebiete“ verstanden und dementsprechend behandelt. Umgekehrt haben aber auch die Menschen in den unterentwickelten Gebieten, in den „Ländern der Dritten Welt“, durch ihre Erfahrungen im 19. und 20. Jh. eine bestimmte Sichtweise von den Menschen der „westlichen Welt“ entwickelt. Diese Einstellungen halten sich hartnäckig bis in die Gegenwart. 3. Das „Eigene“ und das „Andere“ Auch die Menschen, die gegenwärtig in Österreich als Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten, Asylwerberinnen und Asylwerber etc. leben, haben aufgrund ihrer Erfahrungen eine bestimmte Sichtweise von den Österreicherinnen und Österreichern entwickelt. Das „Eigene“ und das „Andere“ ist somit vielschichtiger als zunächst angenommen. Und es ist von der öffentlichen Meinung, v. a. den Medien vermittelt. Es ist nämlich zu beachten, dass sich die Ansichten über Unterschiede zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ unter jeweils bestimmten gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen ausgeprägt haben. Solche Unterschiede stehen daher nicht als selbstverständlich und unveränderlich fest. Allerdings sind kulturelle Einstellungen bei den Menschen ungemein tief verankert. Sie werden nämlich von Geburt an durch die Familie und die umgebende Gesellschaft vermittelt. Dementsprechend schwer sind die erlernten kulturellen Identitäten und auch entsprechend vorhandene Vorurteile zu verändern. Eine Entwicklung zu Verständnis, Offenheit und Toleranz erfordert demnach eine intensive Auseinandersetzung mit den Prozessen und Bedingungen, durch welche die kulturellen Unterschiede erzeugt werden. L Ein kompetenter Umgang mit Unterschieden darf Kompetenz nicht auf Selbstgewissheit verkürzen, sondern sie muss offen bleiben für kritische Reflexionen. Das erfordert, sich des Dilemmas von Festschreibung und Vernachlässigung von Unterschieden bewusst zu sein. (Messerschmidt, 2009, S. 133; zit. u. vereinfacht nach Mecheril 2010, S. 83) Fasse die wesentlichen Aussagen zum Verständnis von „Eigenem“ (= „Wir“) und „Anderem“ (= „Fremdem“) zusammen. Ziehe Beispiele aus deinem alltäglichen Leben heran (z.B. im Umgang mit Freundinnen und Freunden in der Schule, in der Freizeit) und analysiere sie unter den in Autorentext und Literatur angesprochenen Gesichtspunkten. Diskutiert ausgehend von eigenen Erfahrungen, wie es geschieht, dass jemand zum Außenseiter bzw. zur Außenseiterin, zum bzw. zur „Anderen“ gemacht wird. Beurteilt, ob bzw. wie das „Konzept des Othering“ zum Verständnis solcher Prozesse beitragen kann. Von „interkultureller Kompetenz“ zu „interkultureller Öffnung“ Als eine mögliche Umgangsform mit dieser Herausforderung wurde vorgeschlagen, dass die Menschen in der Schule, in der Arbeitswelt, im gesamten Alltag eine sogenannte „interkulturelle Kompetenz“ entwickeln sollten. Darunter versteht man zunächst Fähigkeiten wie Kontaktfreudigkeit, Selbstsicherheit, eigenkulturelle Bewusstheit, die Fähigkeit, Widersprüchliches auszuhalten, Sprachkenntnisse u. a. 80 Politische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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