Zeitbilder 5, Schulbuch

mer geschlagen, gegeißelt und bei schweren Verfehlungen getötet werden. Tacitus schildert das Todesurteil von 400 Sklavinnen und Sklaven im Jahre 61, weil einer der Mitsklaven ihren Herrn, den Stadtpräfekten Pedanius Secundus, getötet hatte. Q Als nun nach altem Recht die gesamte Dienerschaft [...] zur Hinrichtung geführt werden sollte, entstand ein Volksauflauf – man wollte die vielen unschuldigen Menschen retten – und es kam zu einem Straßenkampf. Auch im Senat sogar erhoben sich Stimmen gegen diese allzu harte Maßregel, während die Mehrzahl sich allerdings gegen jede Änderung des Gesetzes erklärte [...]. Aber es müssen auch Unschuldige bluten! Freilich, auch wie in einem geschlagenen Heere, wo zur Strafe jeder zehnte Mann erschlagen wird, trifft das Los nicht bloß Feige, sondern auch Tapfere. Jede ins Große wirkende Bestimmung schließt Ungerechtigkeit in sich; aber der Schaden, den der Einzelne erleidet, wird durch den Nutzen, den die Gesamtheit hat, aufgewogen. [...] Man äußerte Mitleid mit der Zahl, der Jugend, dem Geschlecht, der unzweifelhaften Unschuld der meisten Opfer. Doch gewann die Partei, die für die Todesstrafe stimmte, die Oberhand. (Tacitus, Annalen XIV, 42–45) Arbeite die Argumente heraus, mit denen Tacitus die Kollektivstrafe begründet. Schildere mögliche Beispiele kollektiver Bestrafung aus der Gegenwart bzw. aus deiner eigenen Lebenswelt. Formuliere Argumente für das Verbot von Kollektivstrafen. Zur selben Zeit schrieb der Politiker und Philosoph Seneca, selbst Besitzer vieler Sklavinnen und Sklaven, in einem Brief an seinen Freund Lucilius: Q Mit Freude habe ich von denen, die von dir kommen, erfahren, dass du freundschaftlich mit deinen Sklaven zusammenlebst. Das entspricht deiner Klugheit und Bildung [...]. Bedenke, dass der, den du Sklave nennst, aus demselben Samen geboren ist, sich desselben Himmels erfreut, gleich atmet, gleich lebt, gleich stirbt. Du kannst ebenso jenen als Freigeborenen betrachten, wie jener dich als Sklaven. [...] Folgendes ist der Kern meiner Lehre: Lebe so mit den niedriger Gestellten, wie du selbst wolltest, dass der Übergeordnete mit dir leben sollte. [...] Lebe mit deinem Sklaven milde, auch umgänglich, gewähre ihm Zugang zum Gespräch, zur Beratung, zur Mahlzeit. [...] Verehren sollen sie dich lieber als fürchten. (Seneca, Briefe an Lucilius, 47) Beschreibe die Haltung Senecas den Sklavinnen und Sklaven gegenüber und auch, wie er diese begründet. Auch das junge Christentum akzeptiert die Sklaverei Der Apostel Paulus schrieb schon im 1. Jh. an die Korinther: Q Nicht anders, als der Herr es ihm zugeteilt, und so, wie Gott ihn berufen hat, soll jeder wandeln. [...] In dem Stande, in dem er berufen wurde, darin soll ein jeder bleiben. Bist du als Sklave berufen worden? Lass dich’s nicht kümmern. (1. Korinther Brief 7, 17 ff.) Papst Leo der Große verbot 445 die Zulassung von Sklaven zum Priesteramt. Seine Begründung lautete: Q Es werden bisweilen Personen zum Priesteramt [...] zugelassen, welche weder durch Geburt noch Sitten empfohlen sind. [...] Wer in den Heerdienst Gottes eintreten will, muss anderen gegenüber frei sein, damit er vom Felddienst des Herrn, auf welchen er verpflichtet ist, durch keinerlei ihn sonst bindende Fessel abgezogen wird. (Nach: Schulz, S. 223 f.) Erkläre, wie Paulus die Aufrechterhaltung der Sklaverei und Papst Leo die Nichtzulassung der Sklaven zum Priesteramt rechtfertigen. Die „heidnischen“ Sklavinnen und Sklaven der „Neuen Welt“ Seit dem 14. Jh. nahm der Sklavenhandel in Europa wieder zu. Die Osmanen verkauften ihre am Balkan und in Kleinasien erbeuteten Kriegsgefangenen als Sklavinnen und Sklaven. Die christlichen Europäer handelten dagegen mit osmanischen und maurischen Sklavinnen und Sklaven, die zum größten Teil bei der Rückeroberung Spaniens gefangen genommen worden waren. Seit der Mitte des 15. Jh. wurde der Sklavenzustrom noch größer, als die Portugiesen an der westafrikanischen Küste einen blühenden Sklavenhandel aufzogen. Mit den Entdeckungsfahrten des Kolumbus und der anschließenden Eroberung der „Neuen Welt“ begannen für die indigene Bevölkerung des amerikanischen Kontinents Jahrhunderte der Leiden, Ausbeutung und Unterdrückung. Die christlichen Eroberer hielten sich nämlich für berechtigt, alle Nichtchristinnen und Nichtchristen angreifen, plündern und auch versklaven zu können. Diese standen nach Ansicht der christlichen Eroberer als Ketzer und Leugner Christi außerhalb der kirchlichen Gesetze. Mit unvorstellbarer Härte und Grausamkeit wurden die neugeschaffenen Kolonien ausgebeutet. Die einheimische Bevölkerung wurde aus ihrer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft herausgerissen und zur Zwangsarbeit verpflichtet. In den Bergwerken und in der Landwirtschaft behandelte man sie wie Arbeitstiere. Unter diesen körperlichen und seelischen Qualen ging die indigene Bevölkerung millionenfach zu Grunde oder nahm sich selbst das Leben. Nicht alle Spanier billigten diese brutale Kolonialpolitik: Juristen und Theologen diskutierten in Spanien über die Rechtmäßigkeit der Beherrschung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung. Der adelige Dominikanermönch Las Casas, der bis zu seinem 40. Lebensjahr auf Kuba über Grundbesitz verfügte, kämpfte jahrzehntelang für ihre Rechte. Nach vielen Rückschlägen hatte er schließlich Erfolg: 1542 verbot der spanische König Karl Sklaverei sowie Zwangsarbeit und anerkannte die indigene Bevölkerung als spanische Bürgerinnen und Bürger. Doch Längsschnitt: Sklaverei – Unmenschlichkeit seit Jahrtausenden 69 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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