Zeitbilder 5, Schulbuch

Die schriftlichen und bildlichen Quellen in diesem Kapitel dienen dazu, deine Historische Methodenkompetenz weiterzuentwickeln. Du sollst dazu diese Quellen beschreiben, analysieren und schließlich interpretieren. Mit dieser schrittweisen Vorgangsweise wird es dir gelingen, das Thema „Geschlechterrollen in Griechenland und Rom“ zu entschlüsseln (= zu dekonstruieren) und mit Hilfe dieser Kenntnisse anschließend eigenständig darzustellen (= zu rekonstruieren). M1 Gutsbesitzer Ischomachos erzählt über seine Frau, den Zweck und die „natürliche“ Arbeitsteilung in der Ehe: Sie war noch nicht fünfzehn Jahre alt, als ich sie heiratete. Die Zeit vorher hatte man fürsorglich auf sie aufgepasst, damit sie möglichst wenig sah, hörte und fragte. Ich war schon damit zufrieden, dass sie bei ihrem Kommen bereits verstand, mit Wolle umzugehen und ein Gewand anzufertigen, und dass sie auch schon bei der Spinnarbeit der Dienerinnen zugesehen hatte. Außerdem wusste sie, was mir sehr wichtig erscheint, gut Bescheid, was Ernährungsfragen angeht […]. Mir scheinen die Götter dieses Paar, das man Mann und Weib nennt, besonders gut zusammengepasst zu haben, damit es sich gemeinsam so viel Nutzen bringe wie möglich. Denn erstens ist dieser Bund geschlossen, um miteinander Kinder zu zeugen, damit die Menschen nicht aussterben. Zweitens schaffen sie sich mit den Kindern, die aus diesem Bund hervorgehen, Stützen für das Alter. Da beide Arten von Arbeit nötig sind, die draußen und drinnen, schufen die Götter die Natur der Frau für die Arbeiten im Hause, die des Mannes aber für die Arbeiten außerhalb des Hauses. Die Frauen haben größere Liebe zu den Säuglingen, ihre Fürsorge ist gut für die Überwachung der Vorräte; der Mann dagegen ist mutiger, wenn es um Schutz des Hauses und Eigentums geht. Er ist eher dazu geschaffen, Kälte und Wärme, Märsche und Feldzüge zu ertragen. (Xenophon, Hauswirtschaftslehre; zit. nach: Kammerer-Grothaus, Frauenleben – Frauenalltag im antiken Griechenland, 1984; S. 2 u. 35) M2 Xenophon schreibt über das Frauenbild des spartanischen Gesetzgebers Lykurg (um 600 v. Chr.): Wie die meisten Handwerker ihr Gewerbe in der Werkstatt sitzend ausüben, so halten es die anderen Griechen für richtig, dass auch die Mädchen in häuslicher Abgeschiedenheit Wolle bearbeiten […]. Lykurg glaubte indes, dass auch Sklavinnen geeignet seien, Kleidungsstücke herzustellen; die wichtigste Aufgabe für freie Frauen, so meinte er, sei jedoch, Kinder zu gebären; deshalb verordnete er zunächst, dass das weibliche Geschlecht seinen Körper nicht weniger übe als das männliche. Sodann führte er ein, dass die Mädchen – ebenso wie die Knaben, im Wettkampf gegeneinander ihre Schnelligkeit und Körperkraft messen sollten, da er der Überzeugung war, M1 M2 20. Frauen in Griechenland und in Rom dass – wenn beide Elternteile kräftig seien – auch ihre Nachkommenschaft kräftiger sei […]. Überdies unterband er die Gewohnheit, dass ein jeder, wenn er wolle, sich eine Frau nehme, und ordnete an, dass die Ehen auf dem Höhepunkt der körperlichen Kraft geschlossen werden sollen, da er der Auffassung war, dies komme der Zeugung gesunder Kinder zugute. (Xenophon: Die Verfassung der Spartaner, 1,3–10. Übers. Rebenich; zit. nach: Patzek (Hg.), Quellen zur Geschichte der Frauen. Bd. 1. Stuttgart 2000, S. 113 ff.) M3 Bronzefigur einer Sportlerin: Bronzefigur einer Läuferin, ca. 500 v. Chr., wahrscheinlich spartanischer Herkunft. M4 Brief eines Griechen an seine schwangere Frau (1 v. Chr.): Ich, Hilarion, grüße herzlich meine Frau Alis, meine Mutter Berus und mein Kind Apollinarin. Ich werde nicht mit den anderen mitkommen, sondern noch hier in Alexandria bleiben. Ich bitte Dich: sorge für das Kind. Sobald wir Lohn bekommen, sende ich ihn Dir. Wenn Du, was die Götter gut wenden mögen, ein Kind gebierst, lass es leben, wenn es männlich ist, ist es aber weiblich, so setze es aus! Du hast mir ausrichten lassen: „Vergiss mich nicht!“ Wie kann ich Dich vergessen? Ich bitte Dich also, Dich nicht zu ängstigen. (Griechische Papyri, 71 f., zit. nach Helbing; in: Praxis Geschichte, 4/1992, S. 43) M3 M4 58 Kompetenztraining Historische Methodenkompetenz Schriftliche Quellen beschrieben, analysieren und interpretieren Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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