Zeitbilder 5, Schulbuch

Die schriftlichen und bildlichen Darstellungen auf dieser Doppelseite sowie die Darstellung „Die frühen Habsburger“ (Kapitel 6, S. 168–171) sollen dazu dienen, die Historische Fragekompetenz weiterzuentwickeln (siehe auch S. 52 f.). Darunter versteht man die Fähigkeit und Fertigkeit, sinnvolle Fragen an die Vergangenheit zu stellen. In diesem Fall sind es Fragen zu verschiedenen Bereichen, welche den Zeitraum der Herrschaft der Babenberger und frühen Habsburger betreffen. Die Antworten auf diese Fragen werden es dir ermöglichen, über diese Vergangenheit erzählen zu können. M1 Der österreichische Historiker Alois Niederstätter über das Leben, die Persönlichkeit und das Wirken Rudolfs I. von Habsburg: „Als der König eines Tages nach Lindau kam, bot ihm ein Bürger einen großen Fisch, den man Hecht nennt, dar. Als nun der Koch diesen ausnehmen und für die Küche herrichten wollte, fand er in seinem Rachen eine große Kröte. Deswegen war der Koch nicht bereit, den Fisch, der ihm abscheulich erschien, zuzubereiten, und wollte ihn zum Abfall geben. Nachdem der König lange Zeit bei Tisch gewartet hatte, um, wie es seine Art war, die Speise unter seinen Rittern aufzuteilen und sich selbst am wenigsten zu nehmen, befahl er, der Koch möge vor sein Angesicht geführt werden. Als er den Grund erfuhr, warum der Fisch nicht gekocht worden war, sprach der König: ‚Die Kröte ist die Speise des Hechtes, dieser aber soll meine und meiner Leute Speise sein. Er ist deswegen keineswegs wegzuwerfen oder weniger essbar. Geh daher und bringe ihn mir gekocht!‘ Und so geschah es.“ Diese und viele andere Anekdoten sollen das hohe Ansehen dokumentieren, in dem Rudolf bei seinen Zeitgenossen stand. Sie zeigen ihn als resoluten, vernünftigen Herrscher mit Augenmaß, sympathisch wegen seines gesunden Menschenverstandes und seiner betont schlichten, genügsamen Lebensweise. Gegenüber dem „gemeinen“ Volk kannte er keine Berührungsängste, im Verkehr mit den Menschen sei er durch Schlagfertigkeit und Witz aufgefallen. Der Habsburger scheint dieses volkstümliche Image auch selbst gepflegt zu haben […] Auf Kritik stieß Rudolf erwartungsgemäß bei seinen Gegnern. Die Propaganda Otakars von Böhmen stellte ihn als „armen Grafen“ dar, um zu zeigen, dass er als römischer König ungeeignet sei. Seine erfolgreiche und zielstrebige Territorialpolitik […] brachte ihm den Vorwurf der Habgier ein. […] Auch der Schulmeister von Esslingen klagte, vor Rudolfs Besitzansprüchen seien weder Christen, Juden, Heiden noch Gott selbst sicher. Tatsächlich griff er gelegentlich hart, ja unerbittlich und rücksichtslos durch, wenn er seine Interessen bedroht sah […] Dem Ideal des freigiebigen Fürsten entsprach der Habsburger tatsächlich kaum. (Hg. Herwig Wolfram, Österreichische Geschichte 1278–1411. Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter, S. 86 f.) M1 7. Von den Babenbergern zu den Habsburgern M2 Die Stadt Wien war ab 1219 so gewaltig angewachsen, dass sie bald das Ausmaß des heutigen ersten Bezirkes erreichte. Wien bestand zu Beginn des 13. Jh. aus etwa 1000 Häusern und rund 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Im Stadtrecht des Jahres 1221 werden in 28 umfangreichen Artikeln wichtige strafrechtliche und wirtschaftliche Angelegenheiten geregelt: Das Stadtrecht vom 18. Oktober 1221 ist auffallend ausführlich und vielseitig. Angefangen von Bestimmungen über das Strafrecht, Erbrecht und Handelsrecht, umfasst es Sicherheitsmaßnahmen, Gerichtsgebühren und Bestimmungen für die Errichtung zweier Körperschaften zur Erledigung der Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten. Zweifellos entsprach diese Vielseitigkeit der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung, die die Stadt bereits innehatte. Das darin enthaltene Stapelrecht [= im Mittelalter das Recht einer Stadt, von durchziehenden Kaufleuten zu verlangen, dass sie ihre Waren in der Stadt für eine bestimmte Zeit auf dem Stapelplatz abluden, „stapelten“ und anboten, Anm. d. A.] und das mehrfach angesprochene Verhältnis der Fremden zur Stadt unterstrich den bereits begonnenen Aufschwung und ermöglichte die weitere Entwicklung. Wien stieg zum Umschlagplatz für den Südosten auf, die ansässigen Kaufleute wurden reich. Bedenkt man, dass Herzog Leopold VI., nicht umsonst mit dem Beinamen „der Glorreiche“ ausgezeichnet, selbst ein reicher Mann war, dann war diese Entwicklung unausbleiblich. […] Wien lag schließlich an der nicht zu unterschätzenden Wasserstraße der Donau, und die schon von den Römern angelegten Fernverkehrswege waren nicht nur beibehalten, sondern sogar wesentlich erweitert worden. Schon um 1100 lag Wien an einem beachtlichen Straßennetz mit zahlreichen Verbindungsstraßen […] Entscheidende Grundlagen für das räumliche und wirtschaftliche Wachstum der Stadt waren zweifelsohne gegeben. Zum Teil auch für die politische Bedeutung, besonders nach der Umwandlung Österreichs zum Herzogtum. Die konsequente Fortführung dieser Entwicklung durch Herzog Leopold VI. war jedoch sicher ausschlaggebend für das endgültige und unaufhaltsame Aufblühen Wiens. Heute besteht kein Zweifel, dass durch dieses Stadtrecht der wirtschaftliche Aufschwung der Bürger gefestigt und gefördert wurde. (Kleindel, Urkund dessen … Dokumente zur Geschichte Österreichs von 996 bis 1955, 1984, S. 27 f.) M3 Warum Rudolf IV. in den Jahren 1358/59 die Fälschung des „Privilegium maius“ veranlasste: Karl IV. hatte 1356 durch ein Reichsgesetz festgelegt, dass vier rheinische Fürsten (die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier und der Pfalzgraf bei Rhein) und drei aus dem Osten (Böhmen, Sachsen und Brandenburg) zur Wahl des deutschen Königs berechtigt seien. Wegen seiner feierlichen BesiegeM2 M3 172 Kompetenztraining Historische Fragekompetenz Fragen, die in Darstellungen der Vergangenheit behandelt werden, herausarbeiten Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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