M4 Die Lebensbeschreibung des heiligen Severin (gest. 482) gibt Aufschluss über die Zeit der Völkerwanderung für die Donaugrenze im Gebiet des heutigen Österreich. Verfasst hat sie Eugippius, Mönch und Schüler Severins, im Jahr 511: Kurz nach der Zeit, als Attila starb, begann Severin den Bürgern vor Augen zu stellen, dass sie die drohenden Einfälle der Feinde [= Germanen] nur durch Gebet, Fasten und gute Werke abzuwehren vermöchten. Zu derselben Zeit schleppten auf einem unerwarteten Plünderungszug räuberische Barbaren alles, was sie außerhalb der Mauern von Favianis (Mautern) an Menschen und Vieh fanden, als Beute mit sich fort [...]. Von einer kleinen Schar begleitet kam Hunumuna (wahrscheinlich ein König der Alamannen) und drang in die Stadt Batavis (Passau) ein; und während beinahe alle Männer draußen bei der Ernte beschäftigt waren, tötete er vierzig Männer, die als Wache in der Stadt zurückgeblieben waren. (Eugippius, Vita Sancti Severini, I,2; IV, 1 und XXII,4, zit. nach: Zeitbilder 5, 2.Aufl., 1998, S. 140) M5 Der heilige Severin: Severinaltar in Neapel vom Meister von San Severino, um 1470. (Gemälde im Museum Capodimonte, Neapel) M4 M5 M6 In Ovilava (Wels, OÖ) starb am Beginn des 5. Jh. n. Chr. die Christin Ursa im Alter von 38 Jahren. Auf ihren Grabstein ließ ihr Mann folgende Inschrift setzen: Der Soldat Flavius Ianuarius setzte [diesen Grabstein] zu seinen Lebzeiten. / Geborgen im Grab ruht hier Ursa, / eine treue Christin, 38 Jahre alt. Bei einer Geburt führte sie unvermutet ein heilloses Schicksal hinweg und übergab sie der tiefsten Unterwelt / und ließ mich plötzlich zurück, den Gatten, der ihr fürs Leben / verbunden war. Ich Unglücklicher irre umher und suche sie, die ich selbst / auf ewig in die Erde gebettet habe [...]. (Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung, 1995, S. 44) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Ermittle, bei welchen Texten (M1–M4, M6) es sich um „Darstellungen“ handelt, bei welchen um „Quellen“. Begründe dein Urteil. 2. Fasse die Veränderungen stichwortartig zusammen, die sich für das Gebiet des heutigen Österreich auf Grund der römischen Herrschaft ergaben (M1). 3. Beschreibe anhand der in M3 angeführten zwei Beispiele den unterschiedlichen Umgang mit der Bestattung von Kindern. Erkläre, welche Gründe dafür im Text angeführt wurden, welche Fragen für dich offen blieben. 4. Schildere in eigenen Worten die Ereignisse, von denen im Ausschnitt der Severin-Vita berichtet wird (M4). Analysiere, welche Bedeutung Eugippius religiösen Handlungen (z. B. Gebeten, Fasten) zuweist. Erörtere, welche Gründe möglicherweise für das Verfassen der Lebensbeschreibung ausschlaggebend waren. Formuliere auch Vermutungen darüber, welche Intention der Autor wohl damit verfolgt haben mag. 5. Beschreibe, wie der Meister von San Severino (M5) den heilige Severin ca. 1000 Jahre nach seinem Tod dargestellt hat. Erörtere den Zeitgeist, der aus der Darstellung spricht. 6. Arbeite den Inhalt der Grabinschrift heraus und analysiere, welche vorchristliche Vorstellung von Schicksal und Jenseits die Grabinschrift beinhaltet (M6). Erläutere, welche Bereiche der Lebensgeschichte von Ursa hier angesprochen werden. Formuliere Fragen, deren Antworten für die ausgesparten Lebensbereiche von Ursa aufschlussreich wären. 7. Arbeite anhand von M1 und M2 den Unterschied zwischen „Vergangenheit“ und „Geschichte“ heraus und notiere die wesentlichen Punkte. Erkläre dabei die Begriffe „Konstruktion“ und „Rekonstruktion“. 8. Erläutere anhand von M1, wovon die Darstellung (Erzählung) der Geschichte abhängt. M6 Österreich von der römischen Herrschaft bis zur Neuzeit 163 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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