Zeitbilder 5, Schulbuch

bisherige Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen. Daraus entstanden die so genannten Zwölf-Tafel-Gesetze. Sie waren für die Plebejer ein wichtiger Schritt im Kampf um die Gleichberechtigung mit den Patriziern. Ihr Wunsch nach „gleichem Recht für alle“ war damit aber noch lange nicht erfüllt. Noch zur Zeit Caesars musste der Text der „Zwölf Tafeln“ (die heute verschollen sind) von allen Schülern auswendig gekonnt werden. Schon in republikanischer Zeit wurde dieses Recht ständig weiterentwickelt – so kam es zur Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht. Recht wurde eine eigene „Kunst“. Um sie zu verstehen, bedurfte es gut ausgebildeter Männer. Sie bildeten den Juristenstand. Die Rechtsprechung lag bei den Prätoren, die ihre Entscheidungen in den „Edikten“ bekannt gaben. Neue Gesetze wurden von den Volksversammlungen (den Zenturiats- und Tributskomitien) beschlossen. Auch die Entscheidungen des Senates wurden wie Gesetze betrachtet. In der Kaiserzeit ging die Gesetzgebung völlig auf den Herrscher über. Er wurde oberster Gerichtsherr im ganzen Reich und ließ durch seine Beamten Urteile (= decreta) fällen. Die Kaiser holten die fähigsten Juristen zur ständigen Beratung an ihren Hof. Diese erstellten Rechtsgutachten für die kaiserlichen Beamten oder auch für Privatpersonen. Zwar waren diese Juristen weiterhin vor allem Rechtspraktiker, sie entwickelten aber auch eine hochstehende Rechtswissenschaft. Sie verfassten Kommentare zu Urteilen sowie zu offenen Rechtsproblemen und schrieben auch Lehrbücher und rein theoretische Schriften. All dies zusammen bildete die Basis für die umfassendste römische Rechtssammlung, das „Corpus Juris Civilis“ des oströmischen Kaisers Justinian (527–565). Dieser Herrscher wollte nicht nur die politische Einheit des Reiches und die des Glaubens wiederherstellen, sondern auch ein einheitliches Recht. 2 000 Bücher überprüfte seine Juristenkommission und übernahm von drei Millionen Zeilen „nur“ 150000 in den neuen Kodex. Mit seiner Inkraftsetzung (533) durfte nur noch diese neue Auswahl an Gesetzen und Rechtsliteratur zur Rechtsprechung herangezogen werden. Im Oströmischen Reich blieben diese Gesetze bis zu seinem Ende (1453) in Geltung. Auf weströmischem Boden beeinflusste das römische Recht die Gesetzgebung der nachfolgenden Völker. Nach der Jahrtausendwende erlebte die römische Rechtsschule, von der Universität Bologna ausgehend, einen neuerlichen Aufschwung. Im ausgehenden Mittelalter beschäftigten sich die Humanisten in ganz Europa mit diesem Recht. Besonders in den Gerichten der römisch-katholischen Kirche blieb sein Einfluss immer bestehen. Auch die Naturrechtsbewegung zur Zeit der Aufklärung (im 18. Jh.) schätzte die Zweckmäßigkeit und Praxisverbundenheit des römischen Rechts. Auf dieser Grundlage entstanden die bedeutenden europäischen Rechtskodifikationen wie der „Code Napoleon“ (1803) in Frankreich oder das „Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch“ im Habsburgerreich (1811), das, mit vielen Änderungen, noch heute in Österreich wirksam ist. Q Eine Strafe wird nicht verhängt, außer wenn sie im Gesetz oder in irgendeiner Rechtsvorschrift für diese Straftat besonders angedroht ist. (Digesten des Corpus Juris Civilis 50, 16, 131) Eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafandrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. (Österreichisches Strafgesetzbuch – StGB – § 1 Abs. 1) In einem Zweifelsfall die wohlwollendere Rechtsauslegung anzuwenden, ist ebenso gerecht wie vorsichtig. (Dig. 50, 17, 192, 1) Unbestritten ist seit eh und je, dass bei unüberwindbaren Zweifeln darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, die dem Angeklagten günstigere Annahme den Ausschlag gibt, mithin der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt. (Kommentar zum Österreichischen Strafgesetzbuch) Bei verbrecherischen Handlungen kommt es auf den Willen an, nicht auf den Erfolg. (Dig. 48, 17, 1) Die Strafdrohungen gegen vorsätzliches Handeln gelten nicht nur für die vollendete Tat, sondern auch für den Versuch und jede Beteiligung am Versuch. (StGB § 15 Abs. 1) Was unter seelischem Druck zustande gekommen ist, werde ich nicht für gültig erklären. (Dig. 4, 2, 1) Wer von dem anderen Teil durch List oder durch ungerechte und begründete Furcht zu einem Vertrag veranlasst worden, ist ihn zu halten nicht verbunden. (ABGB § 870) Vergleiche die Rechtssätze des „Corpus Juris“ mit dem österreichischen Recht. Erörtere die dargestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Der antike Codex Iustinianus gehört zu einem Gesamtwerk, das in der Neuzeit den Namen Corpus iuris civilis erhielt. Die Gesetzessammlung wurde von Kaiser Justinian im Jahr 528 in Auftrag gegeben, mit dem Ziel, die Einheit des spätantiken römischen Rechtswesens herzustellen. Längsschnitt: Alles, was Recht ist! 149 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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