Zeitbilder 5, Schulbuch

Reisende waren von vielen Gefahren bedroht: Krankheiten, Unfälle, aber auch Überfälle kamen vor. Oft schlossen sich daher Einzelpersonen zu Gruppen zusammen. Dadurch konnten sie sich zwar sicherer fühlen, aber ihr Reisetempo wurde dadurch verringert: Die Schwächsten der Gruppe, häufig Kranke, schafften das „normale“ Reisetempo (ca. 30–40 Kilometer pro Tag) nicht. Die Infrastruktur Europas wurde durch die Pilgerfahrten stark geprägt. Die Geschichte vieler Wallfahrtsorte zeigt, welchen Wohlstand Pilgerinnen und Pilger brachten. Historikerinnen und Historiker sprechen gar vom „Wirtschaftsfaktor Seelenheil“: Die Geschäfte mit den frommen Besucherinnen und Besuchern prägten schon im Mittelalter die Entwicklung ganzer Regionen. Der Bedarf der Reisenden an Unterkünften und Bewirtung auf dem Weg und am Ziel wichtiger Pilgerstätten war nämlich groß. Die Ströme von Pilgerinnen und Pilgern brachten den Kirchen und Orten entlang der Routen Prestige und Wohlstand. Es zeigten sich auch Auswirkungen auf die Architektur und die Stadtentwicklung. Auf ihrem Weg unterstanden Pilgerinnen und Pilger einem besonderen Schutz. Sie waren deshalb von den zahlreichen Zöllen befreit. Geschickte Händler verbanden ihre Geschäfte mit einer Pilgerfahrt – und reisten so für Gotteslohn. Auch an den vielen verschiedenen Währungen ließ sich gut verdienen, die Wirte verbündeten sich manchmal mit den Wechslern. Wallfahrer ließen auch Pilgergaben – Votivgaben aus Wachs oder Edelmetallen, aber auch Münzen oder wertvolle Kleidungsstücke – an den Orten zurück. Diese verteilte man häufig auf die hohen Geistlichen, aber auch auf arme Pilgerinnen und Pilger und Aussätzige. Teilweise wurden auch mit den Gewinnen aus den Pilgergaben Kirchenneubauten finanziert. Zusätzlich ließen die Produktion und der Verkauf von Opfergaben und Pilgerzeichen – in Santiago war es die Jakobsmuschel – eine blühende „Pilgerwirtschaft“ entstehen. L Noch heute sind Jakobspilger am Symbol einer Muschel zu erkennen. Der Brauch hat seine Wurzeln im 12. Jahrhundert. Damals erwarben Gläubige die Schale der atlantischen Kammmuschel „Pecten maximus“ am Ziel ihrer Reise – der Kathedrale von Santiago de Compostela – und hefteten sie als Beweis für die vollzogene Wallfahrt an ihre Kleidung. Das Zeichen verlieh ihnen Ansehen und Schutz, denn es galt als schweres Verbrechen und Todsünde, Pilger auf ihrer Reise zu überfallen oder gar umzubringen. Außerdem galt die Jakobsmuschel als eine Art Versicherung gegen Krankheit und Unglück. Oft wurde sie ihren Besitzern sogar mit ins Grab gelegt, wie Ausgrabungen in ganz Europa belegen. (Plötz, Auf den Spuren der Jakobspilger. In: Epoc. Spektrum der Wissenschaft. Pilgern im Mittelalter, 2010, S. 31) Beschreibe in eigenen Worten Kleidung und Gegenstände des dargestellten Pilgers. Erkläre ihre Funktionen auf den Pilgerreisen. Um 1520 ließen die Pilgerreisen stark nach. Einerseits entsprachen sie nicht der Vorstellung der sich verbreitenden Lehre der Reformation. Martin Luther hatte die Abschaffung der Pilgerfahrten gefordert, da „die einfeltigen menschen (…) vorfuret werden in einem falschen wahn und unvorstand gotlicher gebot.“ Andererseits hat der starke Rückgang auch mit einer allgemeinen religiösen Krise zu tun. Der Hl. Jakobus als Pilger. (Teil eines Altarbildes, um 1515, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg) Zur Ausstattung von Pilgerinnen und Pilgern gehörte ein langer Mantel, der vor Kälte schützte, aber auch als Unterlage beim Schlafen verwendet wurde. Der Stock diente nicht nur als Hilfe beim Gehen, sondern auch zur Abwehr wilder Tiere oder zur Not auch als Waffe gegen Angreifer. Notwendig war auch eine Trinkflasche, meist aus Leder. Viele hefteten sich auch Pilgerzeichen an. Auf der Darstellung kann man die Jakobsmuschel für einen Santiago-Pilger erkennen. Querschnitt: Reisen im Mittelalter 131 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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