Vom Studium zu den Universitäten Seit dem 11. Jh. wurde für die immer kompliziertere Verwaltung der Länder und den verzweigten Handel der Städte eine noch speziellere Bildung notwendig. Eine bloße Weitergabe von überliefertem Wissen reichte nicht mehr aus. Die herkömmlichen Lehren sollten vielmehr einer kritischen Überprüfung unterzogen und das Wissen erneuert und weiter entwickelt werden. Eine solche Form des Lehrens und Lernens wurde als „studium“ bezeichnet. Aus diesem Verständnis heraus beschäftigte man sich mit den Wissenschaften der Theologie, des Rechts und der Medizin, aber auch der Philosophie. Die Zentren der Gelehrsamkeit verlagerten sich allmählich von den Klöstern an die Universitäten. Solche wurden ab dem 12. Jh. in den größeren Städten Europas gegründet, z. B. in Paris, Bologna, Padua, Salerno oder Neapel. – in Paris Paris hatte sich im 11. Jh. zum Zentrum der höheren Schulen (Kathedralschulen) entwickelt. Dort entstanden ab 1150 spezialisierte Ausbildungsgänge in Recht und Medizin. Nach einem Streit um die Rechte zwischen den Professoren (magistri) und der kirchlichen Aufsichtsbehörde wurde schließlich den Magistern und ihren Studierenden (scholares) die Anerkennung als „universitas“ (= selbstständige Vereinigung/Gemeinschaft) von Lehrenden und Studierenden zugesprochen. Papst und König gestanden zu, dass sich diese Genossenschaft durch selbstgesetzte Rechte (Statuten) entfalten konnte (z.B. Aufnahme von Studierenden, Regelung von Prüfungen und Lehrplänen, Studiengeld, Disziplinarrecht). Eine solche Autonomie gehörte zu den entscheidenden Merkmalen einer mittelalterlichen Universität. – in Italien Einige Jahre später schufen in Bologna v. a. die Scholaren durch die Verpflichtung von Gelehrten des römischen Rechts zu Professoren eine Genossenschaft (universitas). Um die Mitte des 13. Jh. waren dort 10 000 Studierende (bei 20000 Einwohnerinnen und Einwohnern) eingeschrieben. Aufgrund von Streitigkeiten wanderten zahlreiche Studierende und Lehrende nach Padua aus und gründeten dort eine neue Universität (1222). Angeregt durch arabische Gelehrte richtete Kaiser Friedrich II. eine Universität in Neapel ein (1224). – und in Österreich In Österreich erfolgte die Gründung der ersten Universität im Jahr 1365 in Wien durch Herzog Rudolf IV. Die zweite Universitätsgründung auf heutigem österreichischem Boden erfolgte erst mehr als 200 Jahre später, im Jahr 1585 in Graz. Die Studenten (scholares) Sie kamen aus aller Herren Länder und waren in der Regel begütert. Sie hatten wichtige Mitspracherechte. Dadurch, dass sowohl Lehrende als auch Studierende oft an mehreren Universitäten lehrten bzw. studierten, kam in Europa ein reger Wissensaustausch in Gang. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse wesentliche Merkmale des Bildungswesens im Mittelalter zusammen. Diskutiert die Bedeutung „Deutscher Schulen“ für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. 2. Charakterisiere die Merkmale einer mittelalterlichen Universität und erörtere die Bedeutung dieser Merkmale für die Entwicklung der Wissenschaften. 3. Erörtere die Vorteile, auch ausländische Schulen zu besuchen bzw. an mehreren Universitäten zu studieren. 4. Vergleiche die beiden Bilder darauf hin, wie sehr die beiden dargestellten Unterrichtsformen selbstständiges Lernen fördern. Denke dabei daran, was für dich lehrreicher ist: Bloßes Zuhören im Frontalunterricht oder Lernen durch Anschauung und Erläuterung? Beziehe dazu auch das Bild auf S. 143 mit ein. Im Mittelalter wurden zunächst an Universitäten keine Menschen seziert, um nicht in Verruf zu kommen. Die Kirche konnte eine Sektion jedoch erlauben. Als erste ging die päpstliche Universität von Bologna im 14. Jh. von Tiersektionen zur Öffnung menschlicher Leichen über. Die Päpste Sixtus IV. und Clemens VII. erlaubten im 15. Jh. dass in Padua und Bologna auch Studenten Menschenleichen öffnen durften. Papst Alexander V. ließ sich nach seinem Tod 1410 sogar selbst sezieren. (Französische Buchmalerei, 15. Jh., Bibliothèque Nationale, Paris) Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 121 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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