Zeitbilder 5, Schulbuch

Andere Formen der Begegnung Daneben gab es aber noch andere Begegnungsformen: L Die Kreuzzüge haben den Handelsverkehr zwischen Europa und den islamischen Ländern [...] nicht etwa unterbrochen, sondern haben ihm im Gegenteil neue starke Impulse gebracht. Initiatoren und Nutznießer dieser Entwicklung waren die italienischen Seestädte Genua, Pisa und Venedig. [...] Der Handel mit dem Feind der Christenheit galt keineswegs als verwerflich; auch Adel und Kirche profitierten davon [...]. Die muslimischen Herrscher profitierten von dem blühenden Handel natürlich ebenfalls – und mussten ihre Kontakte mit dem Erzfeind gegen ähnliche religiöse Bedenken verteidigen. (Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 1994, S. 211 f.) Byzantiner, Araber, Christen und Juden arbeiteten gemeinsam an der Übersetzung des medizinischen Grundlagenwerkes des griechischen Arztes Dioskurides (68 n. Chr). Die Abbildung aus dem Manuskript des Dioskurides zeigt einen Doktor, der einem von einer Schlange gebissenen Mann hilft, 13. Jh. (Standort: Nationalbibliothek Paris) Der Austausch zwischen Morgen- und Abendland blieb jedoch nicht auf Handelswaren beschränkt. Einflüsse auf Sprache, Mathematik, Astronomie und Medizin wurden auf S. 112 dargestellt. Q Darüber hinaus haben nordafrikanische Kaufleute Handelsrouten ins Innere Afrikas erschlossen. Von den Mittelmeerstädten Tunis und Algier aus trieben sie mit riesigen Kamelkarawanen Handel mit der Stadt Timbuktu, der „Königin der Wüste“, südlich der Sahara („Trans-Sahara-Handel“). Eine andere Handelsroute („Maghreb-Handel“) führte von Marrakesch ins Goldland Al Tibr: „Die Kaufleute pflegen unter ungeheuren Anstrengungen von Marrakesch zu einer Stadt der Schwarzen zu reisen, die sie Ghana nennen. Wenn sie angekommen sind, schlagen sie riesige Trommeln, die bis zum Horizont zu hören sind. Sie legen ihre mitgebrachten Waren heraus und entfernen sich. Darauf kommen die Schwarzen und legen neben jede Ware eine bestimmte Menge Goldes. Daraufhin entfernen sie sich. Jeder der Kaufleute nimmt dann das Gold, was neben seinen Waren liegt. Sie lassen die Waren zurück und ziehen ab.“ (Yaqut Ar Rumi: Im Goldland Al Tibr, 1229; gek. und vereinf. d. d.A.; in: Haarmann, S. 123 f.) Schmelztiegel Córdoba und Sizilien Von größter Bedeutung war zunächst das Reich von Córdoba in Spanien im 10. Jh. Die Stadt zählte damals mit Konstantinopel und Bagdad zu den drei bedeutendsten Städten. Es war ein Schmelztiegel von arabischer, byzantinisch-griechischer und christlich-jüdischer Kultur. Eine wichtige Mittlerrolle spielte auch das von den Normannen eroberte Sizilien. Die Normannenkönige in Palermo hielten Hof in halb orientalischer Umgebung. Der Ausbau des normanischen Königspalastes erfolgte nach arabischen Vorbildern (um 1150). Man schrieb in Sizilien damals arabisch, griechisch und lateinisch. Knapp 100 Jahre später hat Kaiser Friedrich II u. a. die von ihm beauftragten Übersetzungen wissenschaftlicher arabischer Werke an den Universitäten in Italien, z. B. in Salerno, Neapel und Bologna, eingeführt. Doch schließlich hat eine orthodoxe islamische Theologie zur Einschränkung der Gedankenfreiheit und damit zum Niedergang der hohen islamischen Kultur geführt. Osmanisches Reich – zunächst ein Kriegerstaat Mit dem Vordringen der Osmanen auf den Balkan und der Eroberung Konstantinopels (1453) ist der Islam in Südosteuropa im 15. und 16. Jh. erstarkt. Das gewaltige osmanische Reich war zunächst ein Kriegerstaat. Kriege gegen Nichtchristen waren Heilige Kriege. Das christliche Abendland fühlte sich zunehmend bedroht. Das Ende von 800 Jahren Islam in Spanien Anders war die Situation im Südwesten Europas. Mit dem Untergang des Königreiches von Granada (1492) ging auf der Iberischen Halbinsel eine beinahe 800 Jahre lang währende Herrschaft des Islams zu Ende. Die Versuche einer Zwangsbekehrung der Muslime im 16. Jh. blieben erfolglos. Die Gefahr durch die Osmanen in Südosteuropa veranlasste schließlich die spanischen Herrscher dazu, zwischen 1609 und 1614 insgesamt 290000 Spanierinnen und Spanier muslimischen Glaubens – aber mit inzwischen spanischer Sprache – nach Nordafrika auszuweisen. Nicht wegzudenken ist allerdings die Kultur, welche die Muslime sowohl in Spanien als auch in Sizilien hinterlassen haben. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Suche im Autorentext jene Textstellen, in welchen Muslime positiv bzw. negativ beschrieben werden. Unterstreiche sie und vergleiche diese. 2. Fasse die wichtigen „Stationen“ und „Formen“ der Begegnung von Christentum und Islam zusammen. 3. Zeige anhand der Quelle und der Literaturstellen die Erweiterung der europäischen Handelsrouten durch nordafrikanische Kaufleute auf (siehe Karte S. 140). Erörtere deren Bedeutung für die weitere Vernetzung des Handels und die Kenntnis außereuropäischer Kulturen. Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 119 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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