Zeitbilder 5, Schulbuch

11.4 Die Kirche um 1200 Die Ketzer Frankreich. Albigenserkriege 1209–44. Papst Innozenz III. exkommuniziert die Albigenser und ruft zum Kreuzzug gegen sie auf. (Französische Buchmalerei um 1335/40) Auf Grund ihrer machtvollen Stellung führten viele Bischöfe und Pfarrer damals ein recht weltliches Leben. Doch religiös ergriffene Menschen ließen sich die Bibel übersetzen und lebten nach ihrem Verständnis. Dabei stellten sie die reiche und in vielen Bereichen unglaubwürdig gewordene Kirche als rechtmäßige Glaubensverkünderin in Frage. Als einflussreiche Gruppe solcher Reformer traten die Katharer (vom Griechischen „hoi katharoi“ – die Reinen) in Westeuropa seit der zweiten Hälfte des 12. Jh. auf. Nach der Stadt Albi in Südfrankreich wurden sie auch Albigenser genannt. In grausamen Kreuzzügen (Albigenserkriege) wurde diese bedeutende Ketzerbewegung im ersten Drittel des 13. Jh. größtenteils vernichtet. Es waren neben den Bemühungen um den Machterhalt besonders auch seelsorgerische Gründe, welche die Kirche zur Verfolgung der Ketzer veranlassten: L Die Ketzerverfolger waren völlig davon überzeugt, dass Gruppen, die von der Lehre der katholischen Kirche abwichen, eine fundamentale Bedrohung für die Gläubigen darstellten, bei der es um ewiges Leben oder ewige Verdammung ging. Deshalb wirkten geistliche und weltliche Instanzen auch ohne Zögern bei der Ketzerverfolgung zusammen. Eine aufklärerische Toleranzidee, die das religiöse Bekenntnis als letztlich unerheblich ansah, ist im Mittelalter undenkbar. (Maleczek, Die Ketzerverfolgung im österreichischen Hoch- und Spätmittelalter, 1986, S. 18) Die Bettelorden Anders war hingegen das Verhältnis des Franz von Assisi (1181–1226) zur Kirche. Er unterwarf sich nachdrücklich ihren geistlichen Würdenträgern. Doch Eigentum und Macht standen für den heiligen Franz in Widerspruch zum Evangelium. Nicht nur der Einzelne, auch die Ordensgemeinschaft (Mindere Brüder, Minoriten) sollte arm und besitzlos leben. Eine ähnliche Vorstellung vertrat der zweite, etwa zur selben Zeit vom heiligen Dominikus (1170–1221) gegründete Bettelorden der Dominikaner. Beide Orden wurden zu den bedeutendsten Trägern des spätmittelalterlichen religiösen Lebens. Von nun an wurde mönchisches Leben mit seelsorgerischer Betätigung besonders auch in den Städten verbunden. Auch Frauen fühlten sich von den Zielen dieser beiden Orden angesprochen. Nach dem Vorbild der Franziskaner wurde der Orden der Klarissen, nach dem der Dominikaner der Orden der Dominikanerinnen gegründet. Nachrufe Viele hielten Franziskus bereits zu Lebzeiten für einen Heiligen. Die Kirche ehrte ihn auch als solchen. Sie bemühte sich aber auch, das zu entschärfen, was an grundlegender Anfechtung ihrer weltlichen Ansprüche in seiner Botschaft lag. Sie erlaubte über Jahrhunderte nur eine stark beschönigende Standardbiografie von Bonaventura (General der Franziskaner von 1221–1274). L Franzens Verhalten – ein befremdliches, ärgerliches Verhalten – strahlte in wenigen Jahren auf ganz Europa aus und hat seine Aura bis heute nicht verloren. Nach seinem Tode wurde umgebogen, kanalisiert, was er in Bewegung gesetzt hatte. Zuletzt verharmloste man ihn zu einem Naturschwärmer und Tierfreund. (Holl, Der letzte Christ, 1982, S. 224) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse mit Hilfe der Quellentexte in diesem Kapitel zusammen, wie die Könige und Kaiser im 11. und 12. Jh. ihre Stellung und ihre Rechte gegenüber dem Papst bzw. der Kirche einschätzten. Erläutere dies in eigenen Worten. 2. Zeige auf, welche Rechte die Päpste Gregor VII. (1075) und Innozenz III. (1198) beanspruchten. Vergleiche sie mit den Ansprüchen der Kaiser. 3. Erläutere das Verhältnis von Staat und Kirche in der Gegenwart. Suche Beispiele für deine Argumente. Diskutiert diese. 4. Erörtere das Spannungsverhältnis zwischen Kirche und Ketzer anhand der Literaturstelle. 5. Fasse die Sichtweisen und Aufgaben der Bettelorden zusammen und erörtere diese. 6. Erörtere Gründe dafür, dass es nicht ausreicht, Franz von Assisi bloß als „Aussteiger“ zu bewerten. Suche Beispiele aus der Gegenwart für den Umgang von politischen Parteien und von Kirchen mit ihren radikalen Kritikerinnen und Kritikern. Diskutiert darüber. 7. Erörtere anhand der Karte die territoriale Ausdehnung des Heiligen Römischen Reiches und des Kirchenstaates. Arbeite mögliche Konflikte heraus, die sich aus den gemeinsamen Grenzen zwischen Kaiser und Papst ergeben können. Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 103 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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