Angenommen, wir wissen, wo ein Körper zu einem bestimmten Zeitpunkt ist und welche Geschwindigkeit er hat. Wenn wir auch die Kräfte kennen, die auf den Körper wirken, können wir die weitere Bewegung des Körpers vorhersagen. Das gilt für Flugzeuge und Züge, aber auch für Raumsonden. Zum Beispiel konnte man berechnen, wann die Raumsonde Voyager 1 beim Planeten Jupiter vorbeikommen und wann sie unser Planetensystem verlassen würde. Derartige Berechnungen gehören zu den wichtigen Aufgaben der Physik und der Technik. Voraussetzung für solche Berechnungen sind genaue Orts-, Geschwindigkeits- und Zeitangaben der Objekte. Die Ansprüche an die Genauigkeit sind mit der Zeit gewachsen. Vor 400 Jahren maß Galilei die Zeit mit seinem Pulsschlag. Heute werden Zeitdauern auf milliardstel Sekunden gemessen, in der Quantenphysik werden Längen auf milliardstel Millimeter genau bestimmt. 1.1 Die Messung der Zeit Was ist Zeit? Die Frage wird von der Philosophie, der Psychologie, der Biologie und der Physik jeweils anders beantwortet (14.1). Augustinus (354–430 n. Chr.) bemerkte dazu: „Was ist Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“ In der Physik dachte man lange, dass es eine absolute Zeit gäbe, die unabhängig von uns Menschen und unabhängig vom Kosmos gleichmäßig verstreicht. Wir wissen heute, dass dieser Zeitbegriff nur dann gilt, wenn wir in den Dimensionen des Alltags denken. Große Massen, wie wir sie etwa bei Sternen finden, aber auch hohe Geschwindigkeiten verändern den Gang der Uhren (14.2). Für die physikalische Größe Zeit benützt man die Abkürzung t. Um eine beliebige Zeitdauer messen zu können, benötigen wir eine Vergleichsgröße, die Maßeinheit (vgl. Kasten „Was heißt messen?“, siehe S. 18). Ein natürliches Zeitmaß ist der Wechsel von Tag und Nacht. Schon in der römischen Antike teilte man die Zeit zwischen zwei Sonnenhöchstständen – also den vollen Tag – in 24 Stunden auf. Die Stunde wiederum unterteilt man in 60 Minuten, 1 Minute in 60 Sekunden. Ursprüngliche Definition: 1 Sekunde ist der 86 400 ste Teil eines mittleren Sonnentages. Diese Definition berücksichtigt, dass sich wegen der ungleichmäßigen Bewegung der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne, die Länge eines Tages im Laufe eines Jahres ändert. Die Sekunde (abgekürzt s) ist im Internationalen Einheitensystem (SI-System, siehe Kasten siehe S. 18) die Einheit für die Zeit. Zur Messung der Mondentfernung werden seit 1969 Laserblitze auf einen von den Apollo-Astronauten aufgestellten Reflektor gerichtet. Wie genau kann man auf diese Weise die Entfernung des Mondes bestimmen? Der Anspruch an die Genauigkeit der Messung hat sich in den letzten Jahrzehnten erhöht. Daher wird seit 1967 die Dauer einer Sekunde mittels Atomuhren festgelegt. Dabei nutzt man Licht, das von Cäsium-Atomen abgestrahlt wird, und die Tatsache, dass Schwingungen des Lichts völlig gleichmäßig erfolgen. Atomuhren, wie sie etwa für das GPS-System verwendet werden, sind so genau, dass sie erst nach 10 000 Jahren einen Fehler von maximal 1 s aufweisen würden. Präzisionsuhren, wie sie in der Forschung verwendet werden, sind noch wesentlich genauer (15.2). Die Zeitangabe, die wir mittels Funkuhren oder über Radio, Fernsehen oder Internet erhalten, erfolgt aufgrund eines weltweiten Netzes von mehr als 260 Atomuhren. Dieses Zeitsystem wird als Weltzeit oder Coordinated Universal Time (UTC) bezeichnet. Die Atomuhren zeigen, dass die Erddrehung langsamer wird. Ein mittlerer Sonnentag hat daher nicht exakt 86 400 Sekunden, sondern etwas mehr. Zu Jahresende wird daher hin und wieder eine Schaltsekunde eingefügt. In der Physik untersucht man sehr große, aber auch winzig kleine Zeiträume: Das Weltall existiert nach heutiger Ansicht ca. 13 Milliarden Jahre, manche Elementarteilchen zerfallen nach einigen milliardstel Sekunden. Verwenden von Zehnerpotenzen Für die Darstellung sehr kleiner oder sehr großer Zahlen benutzt man häufig die Schreibweise mit den Potenzen der Zahl 10 (15.3). Die Zahl 104 bedeutet 10·10·10·10 = 10 000. Eine negative Hochzahl mit der Basis 10 bedeutet den Kehrwert der Zahl mit der positiven Hochzahl, also 10–4 = 1/104 = 1/10 000. Das Alter des Weltalls von 13 000 000 000 Jahren kann daher auch als 13·109 oder 1,3·1010 Jahre geschrieben werden. Der Durchmesser eines Urankerns beträgt ca. 15·10–15 m = 0,000 000 000 000 015 m. Untersuche, überlege, forsche: Zeitmessung 15.1 W1 Überprüfe die Behauptung: Ein guter Näherungswert für die Dauer eines Jahres von 365 Tagen in Sekunden ist π·107 Sekunden. 15.2 Bei Reisen über große Distanzen müssen die Zeitzonen beachtet werden. Die Weltzeit (UTC) stimmt mit der lokalen Uhrzeit (GMT = Greenwich Mean Time) am nullten Längengrad (Meridian der Sternwarte Greenwich in London) überein. W2 a) Finde heraus, welche Zeitzonen es gibt. S1 b) In China gibt es nur eine Zeitzone, in Russland dagegen neun. Erörtere, was das für Menschen bedeutet, die in diesen Ländern wohnen. W4 c) Wenn du in Europa reist, kann es passieren, dass du deine Uhr verstellen musst. Erkläre dies anhand einer „fiktiven“ Reise durch Europa. S2 d) Beschreibe Auswirkungen der Unterschiede der lokalen Zeiten auf Menschen bei Fernreisen und im Geschäftswesen. 15.3 W2 Funkuhren sind Quarzuhren, die per Funk ein Zeitsignal erhalten, das über Funk ständig nachreguliert wird. Recherchiere, wie Funkuhren in Mitteleuropa synchronisiert werden. Experiment: Dauer einer Pendelschwingung 15.1 Du brauchst: Eine 1 m lange Schnur, einen „Pendelkörper“ (z. B. Metallkugel), eine Stoppuhr E3 a) Fertige ein Pendel an und lass es schwingen. Miss mittels Stoppuhr die Dauer einer Pendelschwingung. Das ist die Zeit, die das Pendel benötigt, um in die Ausgangslage zurückzukehren. Arbeitet in Teams und vergleicht die Ergebnisse. Diskutiert, wie eventuelle Unterschiede in euren Messdaten zustande kommen können und wie genau das Ergebnis überhaupt sein soll. E4 b) Die Genauigkeit einer Messung kannst du verbessern, indem du die Dauer von mehreren Schwingungen misst und das Ergebnis durch die Zahl der Schwingungen dividierst (Mittelwert berechnen!). Durch mehrmalige Wiederholung der Messung kannst du den Mittelwert und die maximale Abweichung davon bestimmen (siehe Kasten S. 18). E4 c) Diskutiert mögliche Fehlerquellen und das Resultat. 15.1 Die Kenntnis des Stands der Sonne zu verschiedenen Tageszeiten und im Laufe eines Jahres ermöglicht die Bestimmung der Zeit. Bastle selbst eine Sonnenuhr! Anleitungen dazu findet du im Internet. 15.2 Die primäre Atomuhr, mit der die UTC realisiert wird. Die Uhr befindet sich in der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Die Atomuhr des Labors ist mit Uhren anderer Labors weltweit synchronisiert. Von den Labors wird die Zeitangabe per Funk an die einzelnen Landesstellen weitergegeben. 15.3 Es ist üblich, Vielfache oder Teile der festgelegten Maßeinheit mit bestimmten Vorsilben zu benennen, die durch ein internationales Übereinkommen geregelt sind. Vorsilbe Abkürzung Faktor Peta P 1015 Tera T 1012 Giga G 109 Mega M 106 Kilo k 103 Hekto h 102 Deka da 101 Dezi d 10–1 Zenti c 10–2 Milli m 10–3 Mikro μ 10–6 Nano n 10–9 Piko p 10–12 Femto f 10–15 Atto a 10–18 14.1 Schmelzende Zeitmesser in dem Gemälde „Das Beharren der Erinnerung“ von Salvador Dali (1931). Zeit ist nicht nur in unserem persönlichen Erleben, sondern auch in Philosophie und Kunst ein wichtiges Thema. 14.2 Albert einstein (1879–1955) Einstein hat 1905 gezeigt, dass es keine absolute Zeit gibt. Uhren, die sich relativ zu uns bewegen, gehen im Vergleich zu unseren Uhren langsamer. 15 Größenordnungen 14 Größenordnungen 1 Die Grundgrößen Zeit und Länge Die Grundgrößen Zeit und Länge In diesem Kapitel erfährst du, – wie man in der Physik Zeiten und Längen misst, – in welchen zeitlichen und räumlichen Größenordnungen die Physik arbeitet. 1 Überlege dir eine Antwort auf die Einstiegsfrage und überprüfe deine Vermutung auf der abschließenden Doppelseite „Praxis und Vertiefung“. Blaue Kästen enthalten weiterführende Inhalte, die teilweise über den Lehrstoff hinausgehen und zum Nachdenken anregen sollen. Sie helfen aber auch den gerade gelernten Stoff anhand konkreter (Alltags-) Beispiele noch begreiflicher zu machen bzw. zu vertiefen. In den Sprechblasen finden sich Zitate von bekannten Persönlichkeiten sowie genauere Begriffsdefinitionen, die helfen sollen, Fachsprache von Alltagssprache zu unterscheiden. Grüne Kästen enthalten Beispiele und Anregungen für einen „nachhaltigeren“ und effizienteren Umgang mit Ressourcen. Weitere Elemente im Buch: Im gelben Kasten findest du wichtiges Merkwissen kompakt zusammengefasst. Bei Experimenten kannst du deine Experimentierkenntnisse unter Beweis stellen! Demonstrationsexperimente sollen nur von der Lehrperson durchgeführt werden. In diesem Kompetenzbereich befindest du dich gerade. Die „Untersuche, überlege, forsche“-Aufgaben fördern dein selbstständiges Arbeiten. Die Lösungen dazu findest du am Ende des Buchs. Das Taschenrechnersymbol zeigt dir Aufgaben mit Bezug zur Mathematik. Zeigt dir das Kapitel an, in dem du dich gerade befindest. Verweis auf eine Abbildung. Beispielseite aus Sexl Physik 5 4 So arbeitest du mit Sexl Physik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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