Wie die Grafik zeigt, schwanken beide Signale anfangs unabhängig voneinander um kleine Werte. Die Signale beginnen kurz vor t = 0,30 s ähnlich zu werden, danach werden die Ausschläge synchron größer und schneller. Ab t ≈ 0,43 s sind die Signale wieder schwach. Wurde eine Gravitationswelle registriert? Oder waren es zufällige Schwankungen, die in beiden Detektoren gleichzeitig erfolgten? Das erwies sich als sehr unwahrscheinlich. Oder hatte jemand Testdaten, die Gravitationswellen vortäuschen sollen, ins Analysesystem eingeschleust? Solche Tests der Software werden immer wieder gemacht, doch diesmal war es nicht der Fall. Schon zu Beginn des Projekts war klar, dass nur sehr spektakuläre Ereignisse genügend Energie für beobachtbare Gravitationswellen liefern. In Betracht kommen vor allem Paare von Schwarzen Löchern, die einander umkreisen, dabei Energie abstrahlen und dadurch einander immer näher kommen. Nach dem 3. Kepler’schen Gesetz nehmen dabei ihre Bahngeschwindigkeit und ihre Umlaufsfrequenz zu, wodurch sie immer stärker Energie abstrahlen. Mit andauerndem Energieverlust kommen sie einander so nahe, dass sie zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen. Damit ist der wilde Tanz beendet, es kehrt wieder Ruhe in der Raumzeit ein. Was hatte den Erfolg ermöglicht? Mehr als 10 Jahre dauerte die Optimierung der Lichtquelle, der Spiegel und des Vakuumsystems. Parallel dazu wurde mit Computersimulationen ein Katalog mit 250 000 typischen Signalen erstellt. Variiert wurden dabei z. B. die Massen der beiden Himmelskörper. Damit ergab sich folgende Interpretation der Daten: 1,3 Mrd. Lichtjahre entfernt von uns umkreisten einander zwei Schwarze Löcher von ca. 29 und 36 Sonnenmassen auf einer immer engeren Spiralbahn. Als ihr gegenseitiger Abstand nur mehr etwa 200km betrug, verschmolzen sie zu einem Schwarzen Loch von ca. 62 Sonnenmassen. 5 % der ursprünglichen Masse wurden innerhalb 0,1 s als Gravitationsstrahlung abgestrahlt. Buchstäblich ein Hauch dieser Energie zeigte sich als Signal in den LIGO-Detektoren. Bereits 2017 wurde diese Entdeckung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Bisher war die Astronomie mit ihren Teleskopen immer auf elektromagnetische Strahlung (Licht, Mikrowellen, Röntgenstrahlung) angewiesen. Mit Gravitationswellen hat sich ein neues Fenster zur Erforschung des Universums eröffnet. Schwarze Löcher: Die Energiequelle der Sterne ist die Kernfusion, die Verschmelzung von leichten Atomkernen zu schwereren. Am Lebensende von massereichen Sternen liefert die Kernfusion nicht mehr genug Energie, um mit dem Gasdruck im heißen Sterninneren den Gewichtsdruck der Sternmaterie zu kompensieren: Der Stern kollabiert unter dem eigenen Gewicht. Wenn die Masse des Sternenrests größer als drei Sonnenmassen ist, entsteht ein „Schwarzes Loch“. Die Schwerkraft am Rand von Schwarzen Löchern ist so groß, dass aus ihrem Inneren weder Licht noch Materie entweichen können, und was ihnen zu nahe kommt, wird verschluckt – daher der Name. Schwarze Löcher sind sehr kompakt, bei einer Masse von 60 Sonnenmassen beträgt ihr Radius rund 200 km. Schwarze Löcher mit wesentlich mehr Masse als diese Sternenreste befinden sich in den Zentren aller Galaxien. Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße (10.2) hat eine Masse von etwa 4,3 Millionen Sonnenmassen. Untersuche, überlege, forsche: Bahngeschwindigkeit 10.1 E4 Wie schnell bewegen sich die beiden Schwarzen Löcher kurz vor dem Verschmelzen auf ihren Bahnen? Nimm zur Vereinfachung zwei gleiche Sterne mit je 30 Sonnenmassen an, die sich auf einer Kreisbahn von 100 km Radius um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Schätze mithilfe von 10.1 die Dauer eines Umlaufs ab. Vergleiche die Bahngeschwindigkeit mit der Lichtgeschwindigkeit! Indirekter Nachweis von Gravitationsstrahlung Wie eine zufällige Entdeckung eines Doktoranden und seines Professors zu einem Nobelpreis führte, zeigt der erste, allerdings indirekte Nachweis von Gravitationsstrahlung. Seit ihrer Entdeckung 1967 sind Pulsare ein heißes Forschungsthema. Pulsare sind kompakte Endprodukte der Entwicklung von Sternen. Etwa eine Sonnenmasse ist in einer Kugel von ca. 15 km Radius konzentriert, die rasend schnell rotiert und gleichzeitig Radiowellen eng gebündelt abstrahlt. Trifft so ein Bündel regelmäßig die Erde, gleicht dies dem Ticken einer Uhr. Die Astronomen J. Taylor und R. Hulse (USA) stellten bei einem Pulsar eine periodische Änderung des Tickens fest. Sie deuteten dies als Dopplereffekt durch die Umlaufbewegung des Pulsars in einem Doppelsternsystem. Nach langjähriger Beobachtung stand außerdem fest: Wie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wird, nimmt die Umlaufdauer ab. Die Partner des Doppelsterns umkreisen einander auf einer immer engeren Spiralbahn, das System strahlt Energie mittels Gravitationswellen ab. Diese Entdeckung brachte den Forschern 1993 den Nobelpreis. 10.1 Die Signale der beiden Detektoren (rote und blaue Kurven) zeigen während knapp 0,2 s nahezu gleiches Verhalten. „Strain“ ist die unglaublich kleine relative Dehnung des Lichtwegs: Bei Strain = 1·10−21 haben sich die 4 km langen Arme des Interferometers gegeneinander um 4·10 −18 m gedehnt! Der obere Teil der Grafik zeigt die Entwicklungsschritte des Systems von der immer engeren Spiralbahn („Inspiral“) bis zum Verschmelzen („Merger“) zweier Schwarzer Löcher. 10.2 Die erste Aufnahme aus dem Jahr 2022 von Sagittarius A*, dem schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie (Milchstraße). Um das Zentrum rotiert eine heiße Gasscheibe, in deren Mitte sich das Schwarze Loch verbirgt. 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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