Teildruck für Lehrerinnen und Lehrer Sexl Physik 6 Erhaltungssätze Impuls Drehimpuls Schwingungen Frequenz Rückkopplung Wellen Reflexion Brechung Beugung Interferenz Schall Strom Ladung Spannung Stromstärke Felder Potenzial Isolator
Sexl Physik 6 RG, Schulbuch Dieses Werk wurde auf der Grundlage eines zielorientierten Lehrplans verfasst. Konkretisierung, Gewichtung und Umsetzung der Inhalte erfolgen durch die Lehrerinnen und Lehrer. Liebe Schülerin, lieber Schüler, du bekommst dieses Schulbuch von der Republik Österreich für deine Ausbildung. Bücher helfen nicht nur beim Lernen, sondern sind auch Freunde fürs Leben. Kopierverbot Wir weisen darauf hin, dass das Kopieren zum Schulgebrauch aus diesem Buch verboten ist – § 42 Abs. 6 Urheberrechtsgesetz: „Die Befugnis zur Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch gilt nicht für Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind.“ Illustrationsnachweis: Bernd Pavlik, Neusiedl am See: Seiten 9.1; 9.4; 12.3; 13.1; 13.2; 13.3; 13.4; 14.1; 14.4; 15.1; 15.2; 16.3; 17.2; 18.1; 20.2; 21.1; 21.3; 21.4; 22.2; 23.1; 23.3b; 23.4; 24.1; 24.4; 25.1; 25.3; 25.4; 26.3; 26.4; 27.1; 27.2; 27.3; 28.1; 29.2; 33.1; 33.2; 33.3; 34.1; 34.2; 36.1; 37.1; 37.2; 37.3; 37.4; 38.1; 38.2; 39.2; 39.3; 40.1; 40.2; 41.1; 41.4; 42.3; 45.3; 45.4; 46.2; 46.3; 48.3; 49.1; 53.2; 56.1; 57.2; 57.3; 58.1; 59.1a, 1b; 61.3; 62.1; 62.3; 62.6; 64.1; 64.2; 65.3; 67.1; 69.2; 69.5; 70.2; 71.1; 72.1; 72.2; 72.3; 72.4 Der Bildnachweis ist auf der hinteren Umschlagseite zu finden. 1. Auflage (Druck 0001) © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2024 www.oebv.at Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch auszugsweise, gesetzlich verboten. Umschlagbild: Eloi_Omella / Getty Images Herstellung: Alexandra Brych, Wien, Oleksandra Toropenko, Wien Umschlaggestaltung: Susanne Hörner, Kommunikationsdesign, Staufen Satz: PER MEDIEN & MARKETING GmbH, Braunschweig Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Horn Teildruck von ISBN 978-3-209-13314-4 (Physik Sexl SB + E-Book 6 RG) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
www.oebv.at Sexl Physik 6 Roman U. Sexl Helmut Kühnelt Helga Stadler Peter Jakesch Eva Sattlberger Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
„Sicher und kompetent zur Matura“ zu führen, ist Ziel des Lehrwerks „Sexl Physik 5–8“. Das Ziel des Physikunterrichts ist im Lehrplan folgendermaßen beschrieben: „Die Schülerinnen und Schüler sollen eine rationale Weltsicht erwerben, aktiv die spezifische Arbeitsweise der Physik und ihre Bedeutung als Grundlagenwissenschaft erkennen und damit beurteilen lernen, welche Beiträge zu persönlichen und gesellschaftlichen Entscheidungen physikalische Methoden liefern können. Weiters sollen sie die Bedeutung physikalischer Phänomene und Konzepte im Alltag und in der Umwelt und für die Welterkenntnis erfassen und für ihre Lebensgestaltung nutzen. Dadurch sollen die Schülerinnen und Schüler Einblicke in die Vorläufigkeit von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen erhalten und die Bedeutung neuer Sichtweisen bei anstehenden Problemen sowie die Physik als schöpferische Leistung der Menschheit … erkennen. Der Physikunterricht hat einen wichtigen Beitrag zur Berufsorientierung und der persönlichen Berufswahl zu leisten.“ Die Betonung der „Kompetenzorientierung“ soll die Ziele der AHS und des Fachunterrichts stärker hervorheben. Kompetent sein bedeutet, auf der Basis von Wissen handeln zu können. Physikalische Grundbildung besteht aus drei wesentlichen Bereichen. Der Physikunterricht hilft dir, Kompetenzen aus allen drei folgenden Bereichen auf Basis der Lerninhalte zu erwerben und zu vertiefen. 2 Liebe Schülerin, lieber Schüler! S: Standpunkte begründen und Meinungen vertreten In diesem Bereich erwirbst du die Fähigkeit, naturwissenschaftlich begründet zu argumentieren und am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Dieser Bereich betrifft folgende Kompetenzen: S1 Bedeutung, Chancen und Risiken der Anwendungen von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen für dich persönlich, für die Gesellschaft und global erkennen, um verantwortungsbewusst handeln zu können. S2 Naturwissenschaftliche von nicht-naturwissenschaftlichen Argumentationen und Fragestellungen unterscheiden. S3 Informationen aus unterschiedlich verlässlichen Quellen aus naturwissenschaftlicher Sicht bewerten und Schlüsse daraus ziehen. S4 Entscheidungskriterien für das eigene Handeln entwickeln und aus naturwissenschaftlicher Sicht überprüfen. E: Experimentieren und Erkenntnisgewinnung In diesem Bereich erwirbst du Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit physikalischen Arbeitsweisen. Dieser Bereich betrifft folgende Kompetenzen: E1 Zu Vorgängen und Phänomenen in Natur, Umwelt und Technik Fragen stellen und Hypothesen aufstellen. E2 Zu Fragestellungen eine passende Untersuchung oder ein Experiment planen, durchführen und protokollieren. E3 Im Rahmen von naturwissenschaftlichen Untersuchungen oder Experimenten Daten aufnehmen und analysieren (ordnen, vergleichen, Abhängigkeiten feststellen, Zuverlässigkeit einschätzen). E4 Daten durch mathematische und physikalische Modelle abbilden und interpretieren. W: Fachwissen In diesem Bereich erwirbst du physikalisches Fachwissen und wendest dieses Fachwissen in verschiedenen Zusammenhängen an. Dieser Bereich betrifft folgende Kompetenzen: W1 Vorgänge und Phänomene in Natur, Umwelt und Technik beschreiben und benennen. W2 Mit Informationen aus fachlichen Medien und Quellen umgehen. W3 Vorgänge und Phänomene in Natur, Umwelt und Technik in verschiedenen Formen (Bild, Grafik, Tabelle, Diagramm, formale Zusammenhänge, Modelle ...) darstellen, erläutern und adressatengerecht kommunizieren. W4 Fachwissen in unterschiedlichen Lebensbereichen anwenden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
3 Kompetenzbereich: Bereich Inhaltsverzeichnis So arbeitest du mit Sexl Physik 4 Einblicke in aktuelle Forschung 6 1.1 Univ.-Prof. Dr. Sonja Wogrin 6 1.2 Univ.-Prof. Dr. Helmut Habersack 7 Wellen im Weltall 8 Impuls und Drehimpuls 11 1 Impuls 12 1.1 Kraftstoß und Impuls 12 1.2 Impulserhaltung in isolierten Systemen 13 Praxis und Vertiefung 18 2 Drehimpuls 20 2.1 Die Rotationsbewegung starrer Körper 20 2.2 Die Erhaltung des Drehimpulses 25 Kurz gesagt 30 Mechanische Schwingungen und Wellen 31 1 Mechanische Schwingungen 32 1.1 Das Federpendel 33 1.2 Das Fadenpendel 36 1.3 Überlagerung von Schwingungen 37 1.4 Gedämpfte Schwingungen 39 2 Mechanische Wellen 44 2.1 Entstehung und Ausbreitung von Wellen 45 2.2 Überlagerungen von Wellen 48 2.3 Beugung, Reflexion und Brechung von Wellen 50 2.4 Akustik 56 2.5 Der Dopplereffekt 68 Kurz gesagt 72 Elektrische Ströme 73 1 Ladung und Spannung 74 1.1 Elektrizität von 1600 bis heute 74 1.2 Die elektrische Ladung 75 1.3 Die elektrische Spannung 78 2 Der Stromkreis 86 2.1 Die elektrische Stromstärke 86 2.2 Der elektrische Widerstand 90 3 Elektrische Energieversorgung 94 3.1 Die Kirchhoff’schen Regeln 94 3.2 Serien- und Parallelschaltung 95 3.3 Energie und Leistung des Stroms 96 3.4 Stromkreise im Haushalt 97 4 Elektrisches Feld 102 4.1 Felder übertragen Kräfte 102 4.2 Darstellung von Feldern – Feldlinienbilder 104 4.3 Das Coulomb’sche Gesetz 105 4.4 Elektrische Feldstärke 106 4.5 Elektrische Spannung 106 4.6 Elektrostatische Felder in Technik + Natur 107 4.7 Materie im elektrostatischen Feld 110 5 Elektrischer Strom und Magnetfeld 116 5.1 Das Magnetfeld um einen Leiter 116 5.2 Ströme im Magnetfeld 117 5.3 Ströme erzeugen magnetische Felder 121 Kurz gesagt 126 Mechanik 2 E-Lehre Energie Felder Schwingungen Wellen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Angenommen, wir wissen, wo ein Körper zu einem bestimmten Zeitpunkt ist und welche Geschwindigkeit er hat. Wenn wir auch die Kräfte kennen, die auf den Körper wirken, können wir die weitere Bewegung des Körpers vorhersagen. Das gilt für Flugzeuge und Züge, aber auch für Raumsonden. Zum Beispiel konnte man berechnen, wann die Raumsonde Voyager 1 beim Planeten Jupiter vorbeikommen und wann sie unser Planetensystem verlassen würde. Derartige Berechnungen gehören zu den wichtigen Aufgaben der Physik und der Technik. Voraussetzung für solche Berechnungen sind genaue Orts-, Geschwindigkeits- und Zeitangaben der Objekte. Die Ansprüche an die Genauigkeit sind mit der Zeit gewachsen. Vor 400 Jahren maß Galilei die Zeit mit seinem Pulsschlag. Heute werden Zeitdauern auf milliardstel Sekunden gemessen, in der Quantenphysik werden Längen auf milliardstel Millimeter genau bestimmt. 1.1 Die Messung der Zeit Was ist Zeit? Die Frage wird von der Philosophie, der Psychologie, der Biologie und der Physik jeweils anders beantwortet (14.1). Augustinus (354–430 n. Chr.) bemerkte dazu: „Was ist Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“ In der Physik dachte man lange, dass es eine absolute Zeit gäbe, die unabhängig von uns Menschen und unabhängig vom Kosmos gleichmäßig verstreicht. Wir wissen heute, dass dieser Zeitbegriff nur dann gilt, wenn wir in den Dimensionen des Alltags denken. Große Massen, wie wir sie etwa bei Sternen finden, aber auch hohe Geschwindigkeiten verändern den Gang der Uhren (14.2). Für die physikalische Größe Zeit benützt man die Abkürzung t. Um eine beliebige Zeitdauer messen zu können, benötigen wir eine Vergleichsgröße, die Maßeinheit (vgl. Kasten „Was heißt messen?“, siehe S. 18). Ein natürliches Zeitmaß ist der Wechsel von Tag und Nacht. Schon in der römischen Antike teilte man die Zeit zwischen zwei Sonnenhöchstständen – also den vollen Tag – in 24 Stunden auf. Die Stunde wiederum unterteilt man in 60 Minuten, 1 Minute in 60 Sekunden. Ursprüngliche Definition: 1 Sekunde ist der 86 400 ste Teil eines mittleren Sonnentages. Diese Definition berücksichtigt, dass sich wegen der ungleichmäßigen Bewegung der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne, die Länge eines Tages im Laufe eines Jahres ändert. Die Sekunde (abgekürzt s) ist im Internationalen Einheitensystem (SI-System, siehe Kasten siehe S. 18) die Einheit für die Zeit. Zur Messung der Mondentfernung werden seit 1969 Laserblitze auf einen von den Apollo-Astronauten aufgestellten Reflektor gerichtet. Wie genau kann man auf diese Weise die Entfernung des Mondes bestimmen? Der Anspruch an die Genauigkeit der Messung hat sich in den letzten Jahrzehnten erhöht. Daher wird seit 1967 die Dauer einer Sekunde mittels Atomuhren festgelegt. Dabei nutzt man Licht, das von Cäsium-Atomen abgestrahlt wird, und die Tatsache, dass Schwingungen des Lichts völlig gleichmäßig erfolgen. Atomuhren, wie sie etwa für das GPS-System verwendet werden, sind so genau, dass sie erst nach 10 000 Jahren einen Fehler von maximal 1 s aufweisen würden. Präzisionsuhren, wie sie in der Forschung verwendet werden, sind noch wesentlich genauer (15.2). Die Zeitangabe, die wir mittels Funkuhren oder über Radio, Fernsehen oder Internet erhalten, erfolgt aufgrund eines weltweiten Netzes von mehr als 260 Atomuhren. Dieses Zeitsystem wird als Weltzeit oder Coordinated Universal Time (UTC) bezeichnet. Die Atomuhren zeigen, dass die Erddrehung langsamer wird. Ein mittlerer Sonnentag hat daher nicht exakt 86 400 Sekunden, sondern etwas mehr. Zu Jahresende wird daher hin und wieder eine Schaltsekunde eingefügt. In der Physik untersucht man sehr große, aber auch winzig kleine Zeiträume: Das Weltall existiert nach heutiger Ansicht ca. 13 Milliarden Jahre, manche Elementarteilchen zerfallen nach einigen milliardstel Sekunden. Verwenden von Zehnerpotenzen Für die Darstellung sehr kleiner oder sehr großer Zahlen benutzt man häufig die Schreibweise mit den Potenzen der Zahl 10 (15.3). Die Zahl 104 bedeutet 10·10·10·10 = 10 000. Eine negative Hochzahl mit der Basis 10 bedeutet den Kehrwert der Zahl mit der positiven Hochzahl, also 10–4 = 1/104 = 1/10 000. Das Alter des Weltalls von 13 000 000 000 Jahren kann daher auch als 13·109 oder 1,3·1010 Jahre geschrieben werden. Der Durchmesser eines Urankerns beträgt ca. 15·10–15 m = 0,000 000 000 000 015 m. Untersuche, überlege, forsche: Zeitmessung 15.1 W1 Überprüfe die Behauptung: Ein guter Näherungswert für die Dauer eines Jahres von 365 Tagen in Sekunden ist π·107 Sekunden. 15.2 Bei Reisen über große Distanzen müssen die Zeitzonen beachtet werden. Die Weltzeit (UTC) stimmt mit der lokalen Uhrzeit (GMT = Greenwich Mean Time) am nullten Längengrad (Meridian der Sternwarte Greenwich in London) überein. W2 a) Finde heraus, welche Zeitzonen es gibt. S1 b) In China gibt es nur eine Zeitzone, in Russland dagegen neun. Erörtere, was das für Menschen bedeutet, die in diesen Ländern wohnen. W4 c) Wenn du in Europa reist, kann es passieren, dass du deine Uhr verstellen musst. Erkläre dies anhand einer „fiktiven“ Reise durch Europa. S2 d) Beschreibe Auswirkungen der Unterschiede der lokalen Zeiten auf Menschen bei Fernreisen und im Geschäftswesen. 15.3 W2 Funkuhren sind Quarzuhren, die per Funk ein Zeitsignal erhalten, das über Funk ständig nachreguliert wird. Recherchiere, wie Funkuhren in Mitteleuropa synchronisiert werden. Experiment: Dauer einer Pendelschwingung 15.1 Du brauchst: Eine 1 m lange Schnur, einen „Pendelkörper“ (z. B. Metallkugel), eine Stoppuhr E3 a) Fertige ein Pendel an und lass es schwingen. Miss mittels Stoppuhr die Dauer einer Pendelschwingung. Das ist die Zeit, die das Pendel benötigt, um in die Ausgangslage zurückzukehren. Arbeitet in Teams und vergleicht die Ergebnisse. Diskutiert, wie eventuelle Unterschiede in euren Messdaten zustande kommen können und wie genau das Ergebnis überhaupt sein soll. E4 b) Die Genauigkeit einer Messung kannst du verbessern, indem du die Dauer von mehreren Schwingungen misst und das Ergebnis durch die Zahl der Schwingungen dividierst (Mittelwert berechnen!). Durch mehrmalige Wiederholung der Messung kannst du den Mittelwert und die maximale Abweichung davon bestimmen (siehe Kasten S. 18). E4 c) Diskutiert mögliche Fehlerquellen und das Resultat. 15.1 Die Kenntnis des Stands der Sonne zu verschiedenen Tageszeiten und im Laufe eines Jahres ermöglicht die Bestimmung der Zeit. Bastle selbst eine Sonnenuhr! Anleitungen dazu findet du im Internet. 15.2 Die primäre Atomuhr, mit der die UTC realisiert wird. Die Uhr befindet sich in der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Die Atomuhr des Labors ist mit Uhren anderer Labors weltweit synchronisiert. Von den Labors wird die Zeitangabe per Funk an die einzelnen Landesstellen weitergegeben. 15.3 Es ist üblich, Vielfache oder Teile der festgelegten Maßeinheit mit bestimmten Vorsilben zu benennen, die durch ein internationales Übereinkommen geregelt sind. Vorsilbe Abkürzung Faktor Peta P 1015 Tera T 1012 Giga G 109 Mega M 106 Kilo k 103 Hekto h 102 Deka da 101 Dezi d 10–1 Zenti c 10–2 Milli m 10–3 Mikro μ 10–6 Nano n 10–9 Piko p 10–12 Femto f 10–15 Atto a 10–18 14.1 Schmelzende Zeitmesser in dem Gemälde „Das Beharren der Erinnerung“ von Salvador Dali (1931). Zeit ist nicht nur in unserem persönlichen Erleben, sondern auch in Philosophie und Kunst ein wichtiges Thema. 14.2 Albert einstein (1879–1955) Einstein hat 1905 gezeigt, dass es keine absolute Zeit gibt. Uhren, die sich relativ zu uns bewegen, gehen im Vergleich zu unseren Uhren langsamer. 15 Größenordnungen 14 Größenordnungen 1 Die Grundgrößen Zeit und Länge Die Grundgrößen Zeit und Länge In diesem Kapitel erfährst du, – wie man in der Physik Zeiten und Längen misst, – in welchen zeitlichen und räumlichen Größenordnungen die Physik arbeitet. 1 Überlege dir eine Antwort auf die Einstiegsfrage und überprüfe deine Vermutung auf der abschließenden Doppelseite „Praxis und Vertiefung“. Blaue Kästen enthalten weiterführende Inhalte, die teilweise über den Lehrstoff hinausgehen und zum Nachdenken anregen sollen. Sie helfen aber auch den gerade gelernten Stoff anhand konkreter (Alltags-) Beispiele noch begreiflicher zu machen bzw. zu vertiefen. In den Sprechblasen finden sich Zitate von bekannten Persönlichkeiten sowie genauere Begriffsdefinitionen, die helfen sollen, Fachsprache von Alltagssprache zu unterscheiden. Grüne Kästen enthalten Beispiele und Anregungen für einen „nachhaltigeren“ und effizienteren Umgang mit Ressourcen. Weitere Elemente im Buch: Im gelben Kasten findest du wichtiges Merkwissen kompakt zusammengefasst. Bei Experimenten kannst du deine Experimentierkenntnisse unter Beweis stellen! Demonstrationsexperimente sollen nur von der Lehrperson durchgeführt werden. In diesem Kompetenzbereich befindest du dich gerade. Die „Untersuche, überlege, forsche“-Aufgaben fördern dein selbstständiges Arbeiten. Die Lösungen dazu findest du am Ende des Buchs. Das Taschenrechnersymbol zeigt dir Aufgaben mit Bezug zur Mathematik. Zeigt dir das Kapitel an, in dem du dich gerade befindest. Verweis auf eine Abbildung. Beispielseite aus Sexl Physik 5 4 So arbeitest du mit Sexl Physik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Antwort auf die Eingangsfrage Warum sind die Astronautinnen und Astronauten mit Seilen mit dem Satelliten verbunden? Könnten sie im Weltall verloren gehen? Im Film Gravity (2013) führen Astronautinnen und Astronauten Reparaturarbeiten am Weltraumteleskop Hubble durch (42.1). Sie erfahren, dass ein russischer Satellit zerstört wurde und die Trümmerteile im Orbit treiben. Die Trümmerteile schlagen kurz darauf ein, das Raumschiff wird zerstört. Der Funkkontakt zur Bodenstation reißt ab, die Astronautinnen und Astronauten werden vom Schiff weggeschleudert. Eine Astronautin kann sich mit den Schubdüsen ihres Düsenrucksacks retten, ein Astronaut entfernt sich und treibt in die Umlaufbahn der Erde. Der Film wurde unter Beratung hochrangiger wissenschaftlicher Institute gedreht, und die Fakten sind, von einigen Details abgesehen, korrekt dargestellt. Tatsächlich gibt es in der Umlaufbahn der Erde zahlreiche Trümmerteile, die mit einer Geschwindigkeit von 8 km/s durch den Weltraum rasen und (als sogenannter Weltraumschrott) Satelliten und Weltraumstationen gefährden. Sie bewegen sich, genauso wie der Mond und die Meteoriten, ohne Antrieb um die Erde, sondern allein aufgrund der Trägheit. Allerdings ist es bisher noch nie passiert, dass ein Mensch nicht mehr zur Kapsel zurückkehren konnte. Bei Außenarbeiten müssen Astronautinnen und Astronauten angeschnallt bleiben. Nach dem Wechselwirkungsgesetz (siehe nächstes Kapitel) bewirkt auch die geringste Krafteinwirkung des Astronauten oder der Astronautin auf die Kapsel eine gleich große Gegenkraft, die von der Kapsel wegweist und dazu führt, dass sich der Astronaut oder die Astronautin von der Kapsel entfernt. Da es im Weltall keine Reibung gibt, die diese Bewegung stoppen könnte, wird er oder sie wohl unendlich lange durch das Weltall schweben. Es sei denn, er oder sie wird vom Schwerefeld eines anderen Körpers eingefangen. Wobei jedenfalls bald die Versorgung mit Atemluft zum Problem werden würde. Retten könnte sich der der Astronaut oder die Astronautin nur, wie im Film gezeigt, mit Schubdüsen. 42.1 Ausschnitt aus dem Film Gravity 1 E1 S3 Die Beschreibung der Bewegung der Erde war ein wesentlicher Schritt in der historischen Entwicklung der Physik. a) Beschreibe die Bewegung der Sonne im Laufe eines Tages. Betrachte den Nachthimmel, suche den Großen Wagen und beschreibe seine Bewegung über einen längeren Zeitraum. Erkläre deine Beobachtungen. b) Was würde Galilei zu deinen Erklärungen sagen? Würde er sie widerlegen oder bestätigen? Schreibe alle deine Beobachtungen und Erklärungen auf und verfasse einen fiktiven Dialog zwischen dir und Galilei. 2 W2 Die Auseinandersetzung Galileis mit der Kirche ist Thema zahlreicher historischer Arbeiten. Was waren die zentralen Diskussionspunkte? Recherchiere dazu im Internet und fasse deine Ergebnisse in einem Aufsatz zusammen oder halte ein Referat, zum Beispiel im Geschichtsunterricht. 3 S1 Bert Brecht schrieb das Theaterstück „Leben des Galilei“. Recherchiere Inhalt und Thematik. Interpretiere die Aussage des Theaterstücks und nimm dazu Stellung. 4 E2 E2 E4 Kräfte kann man messen. a) Denk dir eine Methode aus, wie du deine Muskelkraft mit Hilfe eines Expanders (Therabands) messen kannst, und erläutere, wie du vorgehst. b) Zeige mit Federwaagen, wie man Kräfte als Resultierende ihrer Komponenten darstellen kann. c) Erkläre am Beispiel des Therabands das Hooke’sche Gesetz. 5 W4 Isaac Newton war ein bedeutender Physiker. Erkläre seine Bedeutung für die Entwicklung der Physik. Beschreibe die Zeit, in der er lebte. Verfasse eine biografische Skizze. 6 W2 Informiere dich, wie vor mehr als 4 000 Jahren in Ägypten große Pyramiden aus Stein errichtet wurden. 7 W3 Schiefe Ebenen spielen auch heute eine wichtige Rolle, etwa bei Seilbahnen oder Bergstraßen. Erkläre anhand zweier Beispiele mittels Grafiken die technischen Grundlagen. 8 W4 Beschreibe den Nutzen von Federungen für Fahrzeuge. Bestimme die verschiedenen Arten von Federn in der Fahrzeugtechnik. Frage dazu in einer Autowerkstatt nach. Weiterführende Fragestellungen 1 Welche Aussage über ein Inertialsystem trifft zu? Kreuze die richtige Antwort an. a) Die Erde ist ein Inertialsystem. b) Das Sonnensystem ist ein Inertialsystem. c) In einem Inertialsystem gilt das Trägheitsgesetz. 2 Beschreibe eine Methode, mit der man die Bewegung der Erde um die Sonne beweisen kann. 3 Beschreibe den Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Newton’schen Gesetz. 4 Markiere die richtige Aussage: a) Ein Körper erhält durch die Wirkung von 1 N eine Geschwindigkeit von 1 m/s. b) Ein Körper erhält durch die Wirkung von 1 N eine Beschleunigung von 1 m/s2. c) Ein Körper mit 1 kg Masse wird durch 1 N mit 1 m/s2 beschleunigt. 5 Erkläre den Begriff „Gewicht“. Ermittle dein eigenes Gewicht. 6 Kräfte werden vektoriell addiert. Zeichne die Addition für a) Kräfte, die parallel und gleichgerichtet sind. b) Kräfte, die parallel und entgegengesetzt gerichtet sind. c) Kräfte, die einen beliebigen Winkel einschließen. 7 Zeichne in der Abb. 43.1 die wirkenden Kräfte ein. 8 Auf einen Körper wirken gleichzeitig Kräfte von 3 N und von 4 N ein. Die Kräfte schließen miteinander einen Winkel von 90° ein. Bestimme die gesamte wirkende Kraft und kreuze die richtige Antwort an. a) 3 N b) 5 N c) 4 N d) 7 N Teste dein Wissen 43.1 Wurfbahn eines Balls unter Vernachlässigung des Luftwiderstands. 1 Die Beschleunigung bei verschiedenen Autos kann stark variieren. a) Ein Auto (m = 900 kg) benötigt 11 s, um aus dem Stand auf 80 km/h zu kommen. Bestimme die durchschnittliche Beschleunigung und die durchschnittliche Kraft des Motors. b) Bestimme dieselben Werte für das folgende E-Auto: m = 2 000 kg, das E-Auto benötigt 6,1 s, um aus dem Stand auf 100 km/h zu kommen. 2 Bei Crashtests wird mit Dummys untersucht, welche Kraft bei einem Frontalzusammenstoß auf den Sicherheitsgurt wirkt. Dabei wird das Auto in 0,25 s aus einer Geschwindigkeit von 64 km/h zum Stillstand gebracht. Der Dummy hat eine Masse von 60 kg. a) Bestimme die Kraft, die auf den Gurt wirkt. b) Analysiere, ob eine Gefahr besteht, wenn man sich mit den Armen am Lenkrad abstützt statt einen Sicherheitsgurt zu verwenden. 3 An eine Schraubenfeder mit der Federkonstante k = 10 N/m wird ein Körper der Masse m = 60 g gehängt. a) Ermittle die Dehnung der Feder auf der Erde. b) Wie groß wäre die Dehnung auf dem Mond? Vergleiche. 4 Der mittlere Steigungswinkel der Bergisel-Schanze (43.2) beträgt rund 29°, die Höhendifferenz rund 50 m. Ermittle die Endgeschwindigkeit der Sportlerinnen und Sportler in der Anlaufspur. 43.2 Bergisel-Schanze in Innsbruck Rechenaufgaben 42 43 1 Die Newton’schen Gesetze Mechanik I Mechanik I Praxis und Vertiefung … wird die Einstiegsfrage ausführlich beantwortet. … sollen die weiterführenden Fragestellungen ein Angebot sein, sich mit einer Frage bzw. einem Thema genauer auseinanderzusetzen und einen Blick „über den Tellerrand hinaus“ bieten. … findest du „Teste dein Wissen“-Fragen, mit denen du die wichtigsten Erkenntnisse des Kapitels selbst überprüfen kannst. … kannst du mit Rechenaufgaben physikalische Fragen aus dem Alltag beantworten, um auch mit konkreten Zahlen argumentieren zu können. Am Ende jedes Kapitels findest du die Doppelseite „Praxis und Vertiefung“. Hier … Digitale Zusatzmaterialien 1. Scanne den QR-Code und lade die App auf dein Smartphone oder dein Tablet. 2. Scanne deinen Buchumschlag oder wähle dein Schulbuch in der App-Medienliste aus. 3. Scanne eine gekennzeichnete Buchseite oder wähle ein Audio/ Video aus der App-Medienliste aus. QuickMedia App Android iOS Beispielseite aus Sexl Physik 5 5 Online-Codes: Einfach den Code im Suchfenster auf www.oebv.at eingeben und du wirst direkt zu unserem digitalen Zusatzmaterial (z. B. Simulationen oder Lösungen) weitergeleitet. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Univ.-Prof. Dr. Sonja Wogrin Warum habe ich Mathematik studiert? In der Schule haben mich eigentlich viele Fächer begeistert: Sprachen, Philosophie, Chemie, Mathematik und vieles mehr. Diese Begeisterung begleitet mich bis heute. Warum also habe ich mich letztendlich für Mathematik entschieden? Damals wusste ich noch nicht genau, welchen Weg ich einschlagen wollte und in welchem Bereich ich mich vertiefen sollte. Mathematik erschien mir wie ein „Joker“, der mir alle Türen offenhalten konnte. Die Entscheidung für Mathematik war nicht nur eine strategische, sondern entsprach auch meiner Faszination für Herausforderungen. Das Studium der Mathematik hat den Ruf, anspruchsvoll zu sein. Viele Menschen schrecken deshalb davor zurück – und ich liebe Herausforderungen. Was sind meine heutigen Aufgaben und Interessen? Wo sehe ich künftige Entwicklungen? Während meines Mathematikstudiums an der Technischen Universität Graz bin ich auf das faszinierende Feld der „Optimierung“ gestoßen. Hier dreht sich alles darum, Entscheidungen auf die effizienteste Weise zu treffen. Wie finde ich den schnellsten Weg von A nach B? Welche Konfiguration ist die kostengünstigste? Um mein Wissen in der Optimierung zu vertiefen, absolvierte ich meinen Master am Massachusetts Institute of Technology, der renommiertesten technischen Universität der Welt. Mein Weg führte mich dann nach Spanien, wo ich an der Comillas Pontifical University in Madrid meinen Doktortitel in Energiesystemen erwarb. In dieser Zeit wurde mir klar, dass ich mich künftig der Arbeit an Elektrizitätsmärkten und Energiesystemen widmen möchte. Mir als Mathematikerin bieten sich hier einzigartige Herausforderungen an (wie Nichtlinearitäten, Wettbewerb und Risiken) in einem Bereich, der der Menschheit wirklich etwas bringt – der Planung zukünftiger Energiesysteme. Heute habe ich das Privileg, als Professorin an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik an der TU Graz tätig zu sein. Dort leite ich seit 2021 das Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation. Meine Forschung konzentriert sich vor allem auf die Erstellung digitaler Zwillinge von Energiesystemen. Dafür erhielt ich einen ERC Grant, einen hoch angesehenen europäischen Forschungsförderungspreis, um mit der Verknüpfung von Daten unterschiedlicher Quellen hochkomplexe Energiesysteme zu modellieren. Das Ziel ist es, die Planung zukünftiger Energiesysteme erheblich effizienter zu gestalten und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. 6.1 Univ.-Prof. Dr. Sonja Wogrin leitet seit 2021 das Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation und seit 2023 das fakultätsübergreifende Research Center ENERGETIC der TU Graz. Sie wurde im Jahr 2023 als „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie Klimainitiative ausgezeichnet. 6 Einblicke in aktuelle Forschung Auf diesen Seiten erfährst du, – Details aus dem Forschungsalltag von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. – mehr über die fachlichen Hintergründe und die Entwicklung, die man als Forscherin bzw. Forscher durchmacht. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Univ.-Prof. Dr. Helmut Habersack Warum habe ich Kulturtechnik und Wasserwirtschaft/Umweltingenieurwissenschaften studiert? Mit 13 Jahren half ich mit, den Dorfbach neben dem Bauernhof meiner Eltern in der Steiermark zu regulieren. Davor war der Bach mein Spielplatz, es gab dort Fische, Krebse, Eisvögel, tiefe und seichte Stellen, Weiden, sprich ein Paradies. Der Hof war ständig von Überschwemmungen bedroht, so dass Schutzmaßnahmen erforderlich waren. Ich konnte damals nicht verstehen, warum man nicht Hochwasserschutz betreiben und gleichzeitig die Ökologie erhalten kann. Fasziniert von meinem Biologielehrer am Gymnasium wollte ich künftig Lösungen finden, die gleichzeitig Nutzung und Schutz von Flüssen und Bächen ermöglichen würden. Daher studierte ich an der Universität für Bodenkultur (BOKU, Wien), wo seit ihrer Gründung vor 150 Jahren die Nachhaltigkeit im Zentrum der Forschung und Lehre steht. Was sind meine heutigen Aufgaben und Interessen? Wo sehe ich künftige Entwicklungen? Nach Forschungsaufenthalten in Neuseeland und Kanada, Gastprofessuren in USA und Japan wurde ich 2011 zum Professor für Wasserbau und Hydraulische Modellierung an die BOKU berufen. Um innovative Lösungen zur nachhaltigen Entwicklung von Flüssen wie der Donau oder auch global (im Rahmen der UNESCO) zu entwickeln, bedarf es theoretischer, numerischer Ansätze, physikalischer Modellversuche, damit die Prozesse in Flüssen mathematisch beschrieben werden können, und Naturmessdaten, um Modelle kalibrieren zu können. Das neue Wasserbaulabor erlaubt neue Einblicke in die Bewegung des Wassers, der Sedimente, von Fischen und Pflanzen. Dabei steht der Fluss im Mittelpunkt, den der Mensch für die Wasserkraft, Schifffahrt oder Trinkwasserversorgung sowie Erholung nutzen möchte. Gleichzeitig ist er von Hochwasser und Dürre – verstärkt durch den Klimawandel – bedroht. Er bietet jedoch Lebensraum für viele Arten wie Fische, die vielfach vom Aussterben bedroht sind. Dazu ist eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig, die auch die Zukunft des Menschen im Lichte Bevölkerungswachstum, Landnutzungsänderung und Klimawandel betrifft. Mit Innovation und Forschung wird es möglich sein, nachhaltige Maßnahmen zu entwickeln, die wirtschaftlich interessant sein können und die Ökosystemleistungen gleichzeitig verbessern. Das ist von zentraler Bedeutung, fördert „green jobs“ und gibt der künftigen Generation die Möglichkeit, sich aktiv durch ein entsprechendes Studium oder ein Engagement für die Umwelt, Fließgewässer und den Menschen einzubringen. 7.1 Univ.-Prof. Dr. Helmut Habersack (geb. 1966) leitet das Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der Universität für Bodenkultur Wien. Das neue Wasserbaulabor ist seiner Initiative zu verdanken. Er wurde im Jahr 2023 als „Österreicher des Jahres“ in der Kategorie Forschung ausgezeichnet. 7.2 Blick in das Wasserbaulabor kurz vor Fertigstellung. 14 Jahre nach der ersten Idee wurde 2023 das weltweit einzigartige BOKU Wasserbaulabor eröffnet. In dem 90 Meter langen und bis zu 25 Meter breiten Flusslauf werden Versuche bis zum Maßstab 1:1 durchgeführt. 7 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Wellen im Weltall Der Schwerpunkt von Physik 6 liegt einerseits auf mechanischen Schwingungen und Wellen und andererseits auf elektrischen Strömen sowie elektrischen und magnetischen Feldern. Beispiele zeigen uns, wie man von der Beobachtung eines Phänomens zunächst zur qualitativen, dann zur quantitativen Beschreibung gelangt. Die in der Mechanik gefundenen Gesetzmäßigkeiten passen auch auf weitere Phänomene wie z. B. elektrische Schwingungen und Lichtwellen. Beim Begriff Welle denken wir sofort an Wasserwellen. 8.1 zeigt, wie Wassertropfen punktuell eine Wasseroberfläche in vertikale Schwingungen versetzen und wie diese schließlich als Welle die ganze Oberfläche erfassen. Nicht Wasser wird nach außen transportiert, auch wenn es so aussehen könnte, sondern der Schwingungszustand und dadurch auch Energie. Die Anschaulichkeit mechanischer Schwingungen und Wellen hat einen Nachteil: Sie legt fälschlicherweise die Vorstellung nahe, dass immer ein materielles Medium zur Wellenausbreitung notwendig ist. Lange Zeit wurde daher als Medium für die Lichtausbreitung ein „Äther“ angenommen, der das Vakuum des Weltalls ausfüllt. Experimente zu dessen Nachweis scheiterten. Die Lösung brachte Einsteins Spezielle Relativitätstheorie (1905) mit der Aussage: Der Äther ist überflüssig! (siehe Physik 8) Was schwingt bei Licht und anderen elektromagnetischen Wellen? Jeder elektrisch geladene Körper verursacht in seiner Umgebung ein Kraftfeld, das auf andere geladene Körper einwirkt. Wenn der geladene Körper beschleunigt wird, breitet sich die Änderung des Kraftfeldes mit Lichtgeschwindigkeit als elektromagnetische Welle aus. (siehe Physik 7) Das größte physikalische System ist das Universum. Dass es selbst schwingen kann und dabei Gravitationswellen hervorruft, ist vielleicht überraschend. Deren erste direkte Beobachtung ist ein Beispiel aktueller Forschung. Mit Newtons Gravitationsgesetz (siehe Physik 5, S. 46) wurde klar, dass dieselben physikalischen Gesetze für die Bewegungen von Himmelskörpern und von Objekten auf der Erde gelten. Newton vermied es zu spekulieren, wie die Gravitation, d. h. die gegenseitige Anziehung von Körpern auf Grund ihrer Masse, zustande kommt. Ein Rätsel war, warum die Masse eines Körpers sowohl dessen Trägheit als auch die Stärke seiner Anziehungskraft (Gravitation) bestimmt. Albert Einstein fand eine Erklärung für den Ursprung der Gravitation. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung der Speziellen Relativitätstheorie, als deren Symbol die Formel E = mc 2 gilt, vollendete er im Jahr 1915 seine Arbeit an der Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie ist die Theorie der Gravitation. Grundzüge dieser Theorie sind Thema in Physik 8. Hier soll genügen: Die Geometrie der vierdimensionalen Raum-Zeit (bestehend aus Raum und Zeit) wird durch vorhandene Massen bestimmt: Massen verzerren den Raum. Das beeinflusst Lichtstrahlen, die von entfernten Objekten kommen. Sie sind nicht mehr geradlinig, sondern folgen in der Nähe von massereichen Objekten gekrümmten Bahnen (9.1). Dieser Effekt wurde bereits im Mai 1919 bei einer totalen Sonnenfinsternis überprüft: Kurzzeitig verdeckte der Mond die Sonne. Es wurden Sterne sichtbar, die im Mai tagsüber am Himmel nicht sichtbar sind. Fotos zeigten die Corona der Sonne und einige sonnennahe Sterne. Der Vergleich dieser Fotos mit Fotos im Winter mit denselben Sternen ergab: Je näher Sterne zur Sonne stehen, desto mehr ist ihre Position scheinbar von der Sonne weg verschoben. Der winzige Effekt – weniger als zwei Bogensekunden – entsprach Einsteins Vorhersage – eine wissenschaftliche Sensation. Einstein wurde plötzlich zum Star! 8.1 Ausbreitung von Wasserwellen 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Einen weiteren Effekt hatte Einstein vorhergesagt: Die Existenz von Gravitationswellen. Es dauerte 100 Jahre, bis sie direkt nachgewiesen wurden. Was kann man sich unter Gravitationswellen vorstellen? Stellen wir uns ein Doppelsternsystem vor, d. h. zwei in geringem Abstand einander umkreisende Sterne. Richtung und Stärke ihrer gemeinsamen Gravitationskraft auf entfernte Objekte ergeben sich nach dem Newton’schen Gravitationsgesetz durch vektorielle Addition der Gravitationskräfte der beiden Sterne. Wegen der Bewegung der Sterne ändert sich die Gravitationskraft in jedem Punkt des Raumes ständig. Laut Newton müsste sich diese Änderung ohne Verzögerung auf beliebig weit entfernte Körper auswirken. Denken wir nun nicht in Newton’schen Kraftvorstellungen, sondern in der Einstein’schen Vorstellung des verzerrten Raums. Die Raumverzerrung durch das Doppelsternsystem ist nahe an den Sternen maximal und klingt mit der Entfernung ab. Wegen der Bewegung der Sterne ändert sie sich zeitlich. Wie ein ins Wasser geworfener Stein eine sich ausbreitende Welle erzeugt, breitet sich die Raumverzerrung als Welle mit Lichtgeschwindigkeit aus. Der Raum wird quer zur Ausbreitungsrichtung abwechselnd gedehnt und gestaucht. Dadurch ändern sich Abstände – allerdings so gering, dass bezweifelt wurde, ob man dies jemals messen könnte: Ein Meterstab würde sich um etwa ein Millionstel eines Atomkerndurchmessers ändern. LIGO – ein Observatorium für Gravitationswellen Das Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium LIGO ist ein Musterbeispiel eines langfristigen wissenschaftlichen Megaprojekts. 25 Jahre Planung und Entwicklung waren notwendig, um ein Gerät zu bauen, das die erwarteten kleinen Effekte verlässlich messen kann. Federführend sind Wissenschafterinnen und Wissenschafter in den USA, unterstützt durch Forscherteams weltweit. Mehr als 1500 Forscher und Forscherinnen arbeiten mit. LIGO besteht aus zwei identischen Labors, eines im Nordwesten der USA und ein zweites 3 000 km entfernt im Südosten (9.3). Als Detektor für Gravitationswellen dient in jedem Labor ein Laserinterferometer mit zwei je 4 km langen Armen. Wenn eine Gravitationswelle auf den Detektor trifft, werden die Arme unterschiedlich gedehnt bzw. gestaucht. Im Interferometer (9.4) wird ein Lichtstrahl mit einem halbdurchlässigen Spiegel in zwei Teilstrahlen zerlegt, die getrennte Wege durchlaufen und nach Reflexion an Spiegeln wieder zusammengeführt werden. Dabei kommt es je nach dem Unterschied der Lichtwege zur vollständigen oder teilweisen Auslöschung des Lichtstrahls (siehe Interferenz/Überlagerung von Wellen). Aus der Stärke des Signals im Detektor lassen sich Längenänderungen der Lichtwege um Bruchteile der Lichtwellenlänge bestimmen. Die Laserstrahlen laufen in Vakuumröhren. Aufwändig ist die Isolation der Spiegel gegen Bodenerschütterungen. Mit einem Trick wird der Lichtweg in jedem Teilstrahl verlängert: Durch vielfache Reflexion zwischen dem Spiegel am Ende und einem zusätzlichen Spiegel nahe am Strahlteiler (in 9.4 nicht eingezeichnet) durchläuft das Licht einen Weg von 2200 km von der Lichtquelle bis zum Detektor. 14.9.2015: Gravitationswellen erstmals direkt beobachtet! Nach längerer Umbaupause gab es am 14. September 2015 die große Überraschung: In beiden Labors wurden übereinstimmende Signale registriert, die sich deutlich von den unvermeidlichen zufälligen Schwankungen der Signale jedes Detektors unterschieden. Eindrucksvoll zeigt dies 10.1, in der die Signale übereinander gelegt und verglichen werden. 9.1 Die Verzerrung des Raums in Sonnennähe führt zur Lichtablenkung. Von der Erde aus gesehen verschieben sich die Positionen von Sternen. scheinbare Position Stern scheinbare Position Stern Erde Sonne 9.2 Computersimulation: Ein rotierendes Doppelsternsystem lässt die Raum-Zeit schwingen und erzeugt Gravitationswellen, die sich im Raum mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Dabei wird Energie abgestrahlt. 9.3 Luftbild des LIGO-Labors in Louisiana, USA. Die Arme des Interferometers befinden sich in 4 km langen Vakuumröhren, die im rechten Winkel vom Laborgebäude (Laser, Detektor) ausgehen. 9.4 Prinzip des Interferometers: Laserlicht wird an einem halbdurchlässigen Spiegel (Strahlteiler) in zwei Teilstrahlen zerlegt, die an Spiegeln reflektiert werden. Zurück am Strahlteiler werden sie wieder zu einem einzigen Lichtstrahl vereinigt. Änderungen der Lichtwege um Bruchteile der Lichtwellenlänge verändern das Signal im Detektor. Dadurch kann die Wegänderung gemessen werden. Spiegel Spiegel halbdurchlässiger Spiegel Detektor Lichtquelle mit kohärentem Licht 9 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Wie die Grafik zeigt, schwanken beide Signale anfangs unabhängig voneinander um kleine Werte. Die Signale beginnen kurz vor t = 0,30 s ähnlich zu werden, danach werden die Ausschläge synchron größer und schneller. Ab t ≈ 0,43 s sind die Signale wieder schwach. Wurde eine Gravitationswelle registriert? Oder waren es zufällige Schwankungen, die in beiden Detektoren gleichzeitig erfolgten? Das erwies sich als sehr unwahrscheinlich. Oder hatte jemand Testdaten, die Gravitationswellen vortäuschen sollen, ins Analysesystem eingeschleust? Solche Tests der Software werden immer wieder gemacht, doch diesmal war es nicht der Fall. Schon zu Beginn des Projekts war klar, dass nur sehr spektakuläre Ereignisse genügend Energie für beobachtbare Gravitationswellen liefern. In Betracht kommen vor allem Paare von Schwarzen Löchern, die einander umkreisen, dabei Energie abstrahlen und dadurch einander immer näher kommen. Nach dem 3. Kepler’schen Gesetz nehmen dabei ihre Bahngeschwindigkeit und ihre Umlaufsfrequenz zu, wodurch sie immer stärker Energie abstrahlen. Mit andauerndem Energieverlust kommen sie einander so nahe, dass sie zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen. Damit ist der wilde Tanz beendet, es kehrt wieder Ruhe in der Raumzeit ein. Was hatte den Erfolg ermöglicht? Mehr als 10 Jahre dauerte die Optimierung der Lichtquelle, der Spiegel und des Vakuumsystems. Parallel dazu wurde mit Computersimulationen ein Katalog mit 250 000 typischen Signalen erstellt. Variiert wurden dabei z. B. die Massen der beiden Himmelskörper. Damit ergab sich folgende Interpretation der Daten: 1,3 Mrd. Lichtjahre entfernt von uns umkreisten einander zwei Schwarze Löcher von ca. 29 und 36 Sonnenmassen auf einer immer engeren Spiralbahn. Als ihr gegenseitiger Abstand nur mehr etwa 200km betrug, verschmolzen sie zu einem Schwarzen Loch von ca. 62 Sonnenmassen. 5 % der ursprünglichen Masse wurden innerhalb 0,1 s als Gravitationsstrahlung abgestrahlt. Buchstäblich ein Hauch dieser Energie zeigte sich als Signal in den LIGO-Detektoren. Bereits 2017 wurde diese Entdeckung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Bisher war die Astronomie mit ihren Teleskopen immer auf elektromagnetische Strahlung (Licht, Mikrowellen, Röntgenstrahlung) angewiesen. Mit Gravitationswellen hat sich ein neues Fenster zur Erforschung des Universums eröffnet. Schwarze Löcher: Die Energiequelle der Sterne ist die Kernfusion, die Verschmelzung von leichten Atomkernen zu schwereren. Am Lebensende von massereichen Sternen liefert die Kernfusion nicht mehr genug Energie, um mit dem Gasdruck im heißen Sterninneren den Gewichtsdruck der Sternmaterie zu kompensieren: Der Stern kollabiert unter dem eigenen Gewicht. Wenn die Masse des Sternenrests größer als drei Sonnenmassen ist, entsteht ein „Schwarzes Loch“. Die Schwerkraft am Rand von Schwarzen Löchern ist so groß, dass aus ihrem Inneren weder Licht noch Materie entweichen können, und was ihnen zu nahe kommt, wird verschluckt – daher der Name. Schwarze Löcher sind sehr kompakt, bei einer Masse von 60 Sonnenmassen beträgt ihr Radius rund 200 km. Schwarze Löcher mit wesentlich mehr Masse als diese Sternenreste befinden sich in den Zentren aller Galaxien. Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße (10.2) hat eine Masse von etwa 4,3 Millionen Sonnenmassen. Untersuche, überlege, forsche: Bahngeschwindigkeit 10.1 E4 Wie schnell bewegen sich die beiden Schwarzen Löcher kurz vor dem Verschmelzen auf ihren Bahnen? Nimm zur Vereinfachung zwei gleiche Sterne mit je 30 Sonnenmassen an, die sich auf einer Kreisbahn von 100 km Radius um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Schätze mithilfe von 10.1 die Dauer eines Umlaufs ab. Vergleiche die Bahngeschwindigkeit mit der Lichtgeschwindigkeit! Indirekter Nachweis von Gravitationsstrahlung Wie eine zufällige Entdeckung eines Doktoranden und seines Professors zu einem Nobelpreis führte, zeigt der erste, allerdings indirekte Nachweis von Gravitationsstrahlung. Seit ihrer Entdeckung 1967 sind Pulsare ein heißes Forschungsthema. Pulsare sind kompakte Endprodukte der Entwicklung von Sternen. Etwa eine Sonnenmasse ist in einer Kugel von ca. 15 km Radius konzentriert, die rasend schnell rotiert und gleichzeitig Radiowellen eng gebündelt abstrahlt. Trifft so ein Bündel regelmäßig die Erde, gleicht dies dem Ticken einer Uhr. Die Astronomen J. Taylor und R. Hulse (USA) stellten bei einem Pulsar eine periodische Änderung des Tickens fest. Sie deuteten dies als Dopplereffekt durch die Umlaufbewegung des Pulsars in einem Doppelsternsystem. Nach langjähriger Beobachtung stand außerdem fest: Wie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wird, nimmt die Umlaufdauer ab. Die Partner des Doppelsterns umkreisen einander auf einer immer engeren Spiralbahn, das System strahlt Energie mittels Gravitationswellen ab. Diese Entdeckung brachte den Forschern 1993 den Nobelpreis. 10.1 Die Signale der beiden Detektoren (rote und blaue Kurven) zeigen während knapp 0,2 s nahezu gleiches Verhalten. „Strain“ ist die unglaublich kleine relative Dehnung des Lichtwegs: Bei Strain = 1·10−21 haben sich die 4 km langen Arme des Interferometers gegeneinander um 4·10 −18 m gedehnt! Der obere Teil der Grafik zeigt die Entwicklungsschritte des Systems von der immer engeren Spiralbahn („Inspiral“) bis zum Verschmelzen („Merger“) zweier Schwarzer Löcher. 10.2 Die erste Aufnahme aus dem Jahr 2022 von Sagittarius A*, dem schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie (Milchstraße). Um das Zentrum rotiert eine heiße Gasscheibe, in deren Mitte sich das Schwarze Loch verbirgt. 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Impuls und Drehimpuls In Physik 5 haben wir mittels der Newton’schen Gesetze einfache Bewegungen studiert bzw. Fall- und Wurfgesetze abgeleitet. Die Bewegung auf gekrümmten Bahnen führte auf die Kepler’schen Gesetze, die der Bewegung der Planeten und Erdsatelliten zu Grunde liegen. Es mag überrascht haben, dass Schwerelosigkeit bei jedem freien Fall auftritt und nicht durch fehlende Gravitationskraft verursacht wird. Reibung ist einerseits unerwünscht, da sie Bewegungen bremst, andererseits ist sie aber zur sicheren Fortbewegung notwendig. Schließlich wurde mit der Energie einer der wichtigsten Begriffe der Physik eingeführt. Potenzielle und kinetische Energie eines physikalischen Systems wurden zunächst als unterschiedliche Energieformen eingeführt, sie können jedoch vollständig ineinander umgewandelt werden. Damit wird nahegelegt, dass die Summe dieser Energien – bei Vernachlässigung von Reibungseffekten – konstant ist, wenn nur Kräfte innerhalb des Systems wirken. Dabei sind alle Bewegungsformen (Translation, Rotation, Schwingungen, …) zu berücksichtigen. Da die beteiligten Körper bei Reibung wärmer werden, wird Bewegungsenergie in innere Energie (ungeordnete Wärmebewegung der Atome und Moleküle) umgewandelt. Berücksichtigt man neben der inneren Energie noch weitere Energieformen (chemische Energie, elektrische Energie, …), dann gilt der Energieerhaltungssatz: Die Gesamtenergie eines isolierten Systems ist konstant. Daraus folgt z. B. die Unmöglichkeit eines „Perpetuum mobile“, einer Maschine, die einmal in Gang gesetzt wird und danach ständig weiterläuft, wobei sie sogar noch Arbeit verrichtet – alle Versuche, ein funktionsfähiges Perpetuum mobile zu bauen, waren erfolglos. In der Mechanik gibt es weitere Erhaltungssätze. In den folgenden zwei Kapiteln werden die mechanischen Größen Impuls und Drehimpuls eingeführt. Für den Gesamtimpuls und den Gesamtdrehimpuls isolierter Systeme gelten Erhaltungssätze. Auf dem Gesetz der Impulserhaltung beruht z. B. das Rückstoßprinzip, das nicht nur Raketen, sondern auch manchen Lebewesen die Fortbewegung ermöglicht. Das Gesetz der Drehimpulserhaltung erklärt beispielsweise den Pirouetten-Effekt beim Eislaufen oder beim Verschmelzen von Schwarzen Löchern wie auch die stabile Flugbahn beim Wurf von Frisbee oder Diskus. Es erklärt auch, warum auf der Nordhalbkugel der Erde Herbst und Winter (23. September bis 21. März) zusammen um acht Tage kürzer sind als Frühling plus Sommer: Wegen des geringeren Abstands von der Sonne bewegt sich die Erde schneller um die Sonne – ebenfalls ein Pirouetten-Effekt! Erhaltungssätze sind Buchhaltungshilfen. Mit ihnen lässt sich beurteilen, ob ein physikalischer Vorgang überhaupt möglich ist. 11.1 Start eines Space Shuttle. Die Triebwerke funktionieren nach dem Rückstoßprinzip. 11.2 Schräg gestellte, rotierende Kreisel fallen nicht um. 11.3 Der Pulsar im Zentrum des Krebsnebels ist ein kosmischer Kreisel. Er ist der kompakte Rest eines Sterns, der unter dem eigenen Gewicht auf einen Durchmesser von ca. 30 km, verdichtet wurde. Wegen der Drehimpulserhaltung dreht er sich nun 30mal pro Sekunde. Zum Vergleich: unsere Sonne dreht sich ungefähr fünfzehnmal pro Jahr. 11 Mechanik II XXXXXX Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Im Kapitel über Energie und ihre Erhaltung in isolierten Systemen haben wir die Arbeit als Produkt aus Kraft mal Weg kennengelernt. Indem an einem Körper Arbeit verrichtet wird, wird seine Energie verändert. Eine ähnliche Überlegung zur Dauer einer Kraftwirkung führt zum Begriff Impuls und dem Erhaltungssatz des Gesamtimpulses in isolierten Systemen. 1.1 Kraftstoß und Impuls Stell dir vor, du möchtest mit deinem Fahrrad aus dem Stand eine bestimmte Geschwindigkeit erreichen. Du kannst es gemütlich angehen oder energisch vom Start weg sprinten. Erfahrungsgemäß erfordert das Sprinten mehr Kraft, aber du erreichst die gewünschte Geschwindigkeit in kürzerer Zeit. (s. a. Abb. 12.2) Offensichtlich kommt es auf das Produkt aus Kraft → F und Dauer ∆ t der Einwirkung an, um dieselbe Geschwindigkeitsänderung zu erreichen. Das Produkt heißt Kraftstoß. Seine Bedeutung ergibt sich aus dem 2. Newton’schen Gesetz → F = m· → a und der Definition der Beschleunigung → a = ∆ → v / ∆ t: Kraftstoß → F ·∆ t = m· → a ·∆ t = m· ∆ → v _ ∆ t ·∆ t = m·∆ → v Ein Kraftstoß auf einen Körper (Masse m) ändert dessen Geschwindigkeit. Die Beziehung → F ·∆ t = m·∆ → v legt nahe einen neuen Begriff, den Impuls → p = m· → v , einzuführen. Ein Kraftstoß bewirkt eine Impulsänderung des Körpers ∆→ p = m·∆ → v . Impuls = Masse·Geschwindigkeit → p = m· → v Einheit: Newtonsekunde (N·s) 1 N·s = 1 kg·m·s −1 Untersuche, überlege, forsche: Ballspiel 12.1 E2 Bei einem „Blasball-Turnier“ soll ein Tischtennisball durch Anblasen mit einem Strohhalm ins Tor befördert werden. Untersuche, wie sich der rollende Ball verhält, wenn er quer zur Bewegung angeblasen wird. Ist kurzes heftiges Pusten wirkungsvoller als langes sachtes Blasen? Überlege zuerst und überprüfe deine Überlegungen anschließend durch ein kleines Experiment. 12.1 Start einer Ariane 5-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou der European Space Agency (ESA). Kourou liegt knapp nördlich des Äquators in Französisch Guyana (nördl. Südamerika). Wie funktionieren Raketen? Welchen Vorteil hat der Startplatz? 12.2 Beim Abstoßen vom Startblock bei einem Kurzstreckenlauf kommt es auf die Dauer der Kraftausübung und die Größe der Kraft an, um rasch eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen. 12.3 Impuls ist Masse mal Geschwindigkeit v m 12.4 „Blasball-Turnier“ 12 Mechanik II 1 Impuls In diesem Kapitel erfährst du, – was Impuls bedeutet, – wie durch Krafteinwirkung der Impuls verändert wird, – dass der Gesamtimpuls eine Erhaltungsgröße ist, – wie man Stöße mit Impuls- und Energiebilanzen berechnen kann, – wie wichtig das Rückstoßprinzip nicht nur für Raketen ist. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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