Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

Der Holländer Johannes van der Waals (1837–1923, Nobelpreis 1910) entdeckte eine weitere Art von Kräften, die bis zu hundertmal schwächer als die oben genannten Kräfte sind. Die sogenannten Van-der-Waals-Kräfte wirken zwischen allen Teilchen. Die van-der-Waals-Kräfte sind elektrische Kräfte. In den Elektronenhüllen der Atome und Moleküle bilden sich durch den Einfluss benachbarter Teilchen ungleichmäßige Verteilungen von elektrischen Ladungen. Dadurch kommt es zur elektrischen Anziehung zwischen elektronenarmen (positiv geladenen) und elektronenreichen (negativ geladenen) Regionen von benachbarten Molekülen (94.1). Die Van-der-Waals-Kräfte haben in der Natur zahlreiche wichtige Auswirkungen: Sie halten z. B. Papierfasern zusammen, bestimmen die komplizierten geometrischen Formen der Riesen-Moleküle DNA oder RNA, die für die Lebensvorgänge von Bedeutung sind, und ermöglichen den Geckos, dank feinster Härchen an den Zehen, kopfüber über Glasscheiben zu laufen. Die besonderen Eigenschaften des Wassers beruhen auf diesen Kräften (siehe S. 98). Untersuche, überlege, forsche: Gecko-Effekt 94.1 W2 Informiere dich im Internet über den Gecko-Effekt. Kohäsion, Adhäsion und Kapillarität Wirken die Molekularkräfte zwischen gleichartigen Molekülen eines Stoffes, so spricht man von Kohäsionskräften, sie halten den Körper zusammen. Wirken sie zwischen den Molekülen verschiedener Stoffe, so bezeichnet man sie als Adhäsionskräfte – sie lassen die Oberflächen verschiedener Stoffe aneinander haften (94.2). Das Zusammenspiel von Adhäsion und Kohäsion kann man z. B. an der Grenzfläche von Wasser und Glas beobachten. Die Molekularkräfte zwischen Glas und Wasser sind größer als die Kräfte zwischen den Wassermolekülen. Das Wasser „benetzt“ die Glaswand, die Wasseroberfläche krümmt sich (94.3). In enge Spalten, Risse in Felsgestein und Mauerwerk sowie in enge Röhrchen (Kapillaren, von lat. capillus = Haar) dringt Wasser durch die Adhäsion ein, und zwar umso stärker, je enger die Kapillaren sind. Dieser Effekt heißt Kapillar-Effekt oder auch Kapillarität. In der Natur spielt der Kapillar-Effekt beim Flüssigkeitstransport in Pflanzen und in Lebewesen eine wichtige Rolle. Im Alltag nützt man den Kapillar-Effekt bei Dochten in Kerzen und Öllampen, bei Schwämmen, Mikrofasertüchern, bei der Luftbefeuchtung und vielem mehr. Auf Adhäsion beruht z. B. die Wirkung von Klebebändern. Die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten wird durch die Kohäsion verursacht. Sie tritt an der Grenze zwischen Flüssigkeiten und Gasen auf. Sie kommt dadurch zustande, dass die Moleküle an der Oberfläche der Flüssigkeit einseitig von den Molekülen im Inneren der Flüssigkeit angezogen werden, während die Moleküle im Inneren der Flüssigkeit allseitig von Nachbarmolekülen angezogen werden. Die Oberflächenspannung bewirkt beispielsweise, dass Flüssigkeiten Tropfen bilden, Seifenblasen zusammenhalten und kleine Insekten, wie z. B. Wasserläufer, von der Wasseroberfläche getragen werden. 94.4 Flüssigkeitsmoleküle sind ständig in Bewegung. Sie können die Oberfläche nicht verlassen, wenn sie von ihren Nachbarn einseitig festgehalten werden. Innerhalb der Flüssigkeit besteht ein Gleichgewicht zwischen gegenseitiger Anziehung und Abstoßung bei kleinen Abständen. 94.1 Ungleichmäßige Ladungsverteilungen in den Atomhüllen verursachen elektrische Anziehungskräfte. 94.2 Schnecken können auf Fensterscheiben hinaufkriechen. Adhäsion zwischen Glas und Schleim sowie die Saugwirkung der muskulösen Schneckensohle machen dies möglich. 94.3 Wasser in einer keilförmigen Wanne: Je enger der Raum zwischen den Wänden ist, desto stärker wird die Adhäsion. Wasser steigt gegen die Schwerkraft und die Oberflächenspannung auf. Auch bei 100 m hohen Bäumen gelangt Wasser durch Kapillaren in die Baumkronen. 94 Thermodynamik 1 Atome lieben Wärme Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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