Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

2.2 Die Gravitationskraft Zu unseren frühesten Erfahrungen zählt, dass Gegenstände zu Boden fallen, wenn man sie loslässt. Auf S. 39 wurde als Ursache dafür die Anziehungskraft der Erde eingeführt, die wir als Gewicht eines Gegenstandes wahrnehmen: Man sagt, dass ein Gegenstand schwer ist. Entsprechend dem lateinischen Wort gravitas für Schwere wird die Anziehungskraft der Erde als Gravitationskraft oder Schwerkraft bezeichnet. Sie bewirkt, dass wir nicht einfach von der Erde wegfliegen, wenn wir in die Luft springen, sondern auf die Erde zurückfallen. Newton hatte die geniale Idee, diese im täglichen Leben allgegenwärtige Kraft mit den Bewegungen der Himmelskörper in Verbindung zu bringen. Warum bewegt sich der Mond um die Erde? Dem Trägheitsgesetz zufolge müsste der Mond ohne Einwirkung einer anziehenden Kraft von der Erde wegfliegen. Welche Kraft hält den Mond in seiner Bahn? Wie muss diese Kraft beschaffen sein? Newton war 23 Jahre alt, als er ähnliche Überlegungen anstellte. Er vermutete: Dieselbe Kraft, die Gegenstände zu Boden fallen lässt, bewirkt, dass der Mond nicht einfach davon fliegt, sondern sich um die Erde bewegt. Weil die Erde ihrerseits um die Sonne läuft, liegt es nahe, auch der Sonne eine Anziehungskraft zuzuschreiben. Diese hält die Erde und die Planeten in ihrer Bahn um die Sonne. Nach dem Wechselwirkungsgesetz wird nicht nur der Mond von der Erde angezogen, sondern auch die Erde vom Mond (45.1). Die Erde wird von der Sonne und die Sonne von der Erde angezogen. In weiterer Folge kann man schließen, dass alle Himmelskörper einander anziehen. Dies entspricht auch den Aussagen des dritten Newton’schen Gesetzes. Noch im Mittelalter wurden die Ansichten von Aristoteles an den Universitäten gelehrt und galten als unumstößlich. Nach Aristoteles steht im Mittelpunkt des Weltalls die Erde. Die Himmelskörper bewegen sich auf unterschiedlich großen Kugeln (den „Sphären“) einmal täglich um die Erde, auf der innersten Kugel der Mond, dann folgen die Sonne und die mit freiem Auge sichtbaren fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn und schließlich der Fixsternhimmel. Dieses geozentrische Weltbild entspricht der Beobachtung, dass sich der gesamte Himmel einmal täglich um die Erde dreht. Nur bewegen sich die Planeten hin und wieder auch in die Gegenrichtung, also entgegen der Drehung des Sternenhimmels. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte der im 2. Jahrhundert in Alexandria (Ägypten) lebende griechische Wissenschafter Claudius Ptolemäus ein System von Zusatzkreisen, auf denen sich die Planeten bewegen sollten (45.2). Das System wurde damit allerdings immer komplizierter. Zahlreiche Zusatzkreise wurden benötigt, um die Bewegung der Planeten korrekt zu erklären. Der Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1543) wagte es, das System anzuzweifeln. Was ändert sich, wenn man die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt herausnimmt und die Sonne in den Mittelpunkt stellt? Das System wird wesentlich einfacher! Kopernikus erklärte die Bewegungen der Himmelskörper in folgender Weise: – Die Erde dreht sich in 24 Stunden um ihre eigene Achse. – Die Erde bewegt sich in einem Jahr um die Sonne. – Die Planeten bewegen sich wie die Erde um die Sonne, allerdings benötigen sie dafür unterschiedlich lange. Dies erklärte, dass sie sich relativ zur Erde manchmal rückwärts bewegen. Kopernikus beschrieb das heliozentrische Weltbild kurz vor seinem Tod im Buch De Revolutionibus Orbium Coelestium (Von den Umdrehungen der Himmelskörper). Um einen Konflikt mit der katholischen Kirche zu vermeiden, wurde im Vorwort das heliozentrische Weltbild nur als mögliches Denk- und Rechenmodell bezeichnet. Das heliozentrische Weltbild des Kopernikus markiert – neben der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus 1492 – das Ende des Mittelalters und den Beginn der Neuzeit. In der Wissenschaftsgeschichte spricht man daher auch von der Kopernikanischen Wende. Kopernikus nahm als Planetenbahnen Kreise um die Sonne an. Deshalb stimmte die Theorie nicht völlig mit den Beobachtungsdaten überein. Eine Übereinstimmung erreichte erst Johannes Kepler (1571–1630), als er erkannte, dass die Planetenbahnen Ellipsen sind. Die Leistung Galileis, der zur selben Zeit wie Kepler lebte und mit diesem in engem Briefkontakt stand, lag in der Einbettung des heliozentrischen Systems in ein neues physikalisches System (siehe S. 35). Mit einem Fernrohr entdeckte er die Sonnenflecken und belegte damit, dass auch die Sonne kein vollkommener Körper ist, wie dies von seinen Gegnern behauptet wurde. Er entdeckte die Jupitermonde und bewies damit, dass sich nicht alle Himmelskörper um die Erde bewegen. Die Entwicklung des heliozentrischen Weltbilds Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, oder die Wirkungen zweier Körper auf einander sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung. Es gilt dieses Gesetz auch bei den Anziehungen […]. Sind endlich alle Körper in der Umgebung der Erde gegen diese schwer, und zwar im Verhältnis der Menge der Materie in jedem, ist der Mond gegen die Erde nach Verhältnissen seiner Masse und umgekehrt unser Meer gegen den Mond schwer, hat man ferner durch Versuche und astronomische Beobachtungen erkannt, dass alle Planeten wechselseitig gegeneinander und die Kometen gegen die Sonne schwer sind, so muss man nach dieser Regel behaupten, dass alle Körper gegeneinander schwer seien. (Isaac Newton, 1687). 45.1 Mond und Erde ziehen einander an. Erde Planet Epizyklenzentrum Deferent Epizykel rückläufige Bewegung 45.2 Mit Epizyklen versuchte Ptolemäus die scheinbare Rückwärtsbewegung der Planeten zu erklären. 45 Mechanik I 2 Drittes Newton’sches Gesetz: Das allgemeine Wechselwirkungsgesetz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=