Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

1.1 Das Trägheitsgesetz Galilei beobachtete – man sagt, angeregt durch einen im Dom zu Pisa schaukelnden Kronleuchter – , dass ein Pendel, wenn es nach einer Seite ausgelenkt und losgelassen wird, auf der anderen Seite wieder fast bis zu seiner Anfangshöhe emporsteigt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Pendelfaden beim Hinüberschwingen durch ein Hindernis abgeknickt wird (34.1). Gedankenexperiment 34.1 Galilei überlegte, dass man dasselbe beobachten würde, wenn der Pendelkörper nicht durch einen Faden, sondern von einer entsprechend gebogenen Rinne reibungslos geführt würde. Dann würde eine Kugel, die von der einen Seite der Rinne herabrollt, auf der anderen Seite wieder bis zur Anfangshöhe, empor rollen – gleichgültig wie steil die Rinne ist (34.2). Nun dachte sich Galilei die Neigung der Rinne würde im „aufsteigenden Teil“ kleiner und kleiner gemacht. Stets würde die Kugel auf ihre alte Höhe hinaufrollen. Die Bahn und die Laufzeit würden dabei länger und länger und die Verzögerung kleiner und kleiner werden. Was geschieht, wenn die Bahn horizontal wird? In diesem Fall erreicht die Kugel nie wieder ihre Anfangshöhe und läuft daher mit konstanter Geschwindigkeit unaufhörlich weiter. Sie bewegt sich also auf geradliniger Bahn gleichförmig dahin (34.3). Galilei kommt zu der wichtigen Erkenntnis: Trägheitsgesetz Ohne äußere Einwirkung bleibt ein Körper in Ruhe oder er behält seine Geschwindigkeit bei und bewegt sich geradlinig gleichförmig weiter. Unsere Alltagsbeobachtungen scheinen Galilei zu widersprechen: Ein Auto kommt nach einiger Zeit zum Stillstand, wenn man vom Gas weggeht. Beim Radfahren muss auch in der Ebene immer wieder in die Pedale getreten werden, sonst würde das Fahrrad bald stillstehen. Ebenfalls muss man sich beim Inline-Skaten immer wieder kräftig abstoßen. Alle genannten Bewegungen laufen aber nur scheinbar ohne äußere Einwirkung ab. Bei allen Bewegungen wirkt die Reibung, am Boden und in der Luft, bremsend und die Körper kommen allmählich zur Ruhe. Galilei konnte das Trägheitsgesetz experimentell nicht beweisen. Luftkissentische ermöglichen heute fast reibungsfreie Experimentierumgebungen. Im Weltall stört keine Reibung: Die Planeten bewegen sich seit über vier Milliarden Jahren ohne Antrieb um die Sonne. Warum sind die Astronautinnen und Astronauten mit Seilen mit dem Satelliten verbunden? Könnten sie im Weltraum verloren gehen? Astronaut oder Astronautin bei Reparaturarbeiten am Weltraumteleskop Hubble. 34.1 Die Schwingung des Pendels: Der links losgelassene Pendelkörper steigt bis zu seiner Ausgangshöhe (rechts) empor. 34.2 Eine auf der linken Seite herabrollende Kugel steigt, wenn man vom Einfluss der Reibung absieht, auf der rechten Seite wieder bis zur Anfangshöhe empor. I II III IV 34.3 Je geringer die Neigung der rechten Seite gewählt wird, desto kleiner fällt die Verzögerung der aufsteigenden Kugel aus. Geht man zur Waagrechten über, so muss sich die Kugel gleichförmig fortbewegen, sofern man die Reibung außer Betracht lässt. 34 Mechanik I Die Newton’schen Gesetze In diesem Kapitel erfährst du, – wie Galilei das Trägheitsgesetz entwickelt hat, – warum das Trägheitsgesetz noch heute für uns wichtig ist, – was die Physik unter Kraft versteht, – wie du Kräfte messen kannst. 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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