Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

5.1 Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen Wer möchte nicht den größten Nutzen für den erbrachten Aufwand erhalten, sei es z. B. im Sport mit einer persönlichen Bestmarke oder beim Einkauf? Das gilt auch beim Einsatz von Maschinen, die hochwertige thermische, chemische oder elektrische Energie in mechanische Arbeit umwandeln. Die Dampfmaschine (siehe S. 142) war vom Beginn des Industriezeitalters bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die wichtigste Maschine. Als Kohle fressendes Monster trieb sie Pumpen im Kohlebergbau, in Lokomotiven, in Dampfschiffen und Generatoren in E-Werken an. Dampfmaschinen wie auch Dampf- und Gasturbinen sind Wärmekraftmaschinen. In welchem Ausmaß ist die Umwandlung von thermischer Energie in Arbeit bei Wärmekraftmaschinen möglich? Gibt es eine prinzipielle Grenze, die unter keinen Umständen überschritten werden kann? Lässt sich Wärme vollständig in Arbeit umwandeln? Wie sieht es im realen Betrieb aus? Als Maß für die Güte der Umwandlung dient der Wirkungsgrad, der als Verhältnis von Nutzen zu Aufwand definiert ist und üblicherweise mit dem griechischen Buchstaben η (eta) bezeichnet wird. Er ist eine wichtige Kenngröße für den wirtschaftlichen Einsatz von Maschinen. Der Wirkungsgrad η einer Wärmekraftmaschine ist das Verhältnis der gewonnenen mechanischen Nutzarbeit W zur aufgewendeten Wärme Q: η = ​ W _ Q ​ (Angabe meist in Prozent) Die Frage nach dem höchst möglichen Wirkungsgrad hat Sadi Carnot (139.1) bereits 1824 durch die Untersuchung der Arbeitsschritte einer idealisierten Wärmekraftmaschine – der Carnot-Maschine – beantwortet. Die Carnot-Maschine arbeitet kontinuierlich, wobei sie in vier Schritten einen umkehrbaren (reversiblen) Kreisprozess durchläuft (139.2, 139.3). Die Carnot-Maschine besteht aus einem gasgefüllten Zylinder mit einem beweglichen Kolben. Der Zylinder steht abwechselnd mit zwei Energiespeichern unterschiedlicher Temperatur in Kontakt. Als Arbeitsmittel dient ein ideales Gas. Die Volumenänderung des Gases wirkt über Kolben und Pleuelstange auf eine Kurbelwelle und stellt dadurch Nutzarbeit zur Verfugung. 139.3 zeigt 4 Arbeitsschritte im p-V-Diagramm: 1. D ie Wärmeaufnahme erfolgt im Kontakt mit dem wärmeren Speicher bei konstanter hoher Temperatur T1. Dabei dehnt sich das Gas isotherm aus. Die Energie Q1 wird auf das Arbeitsmittel übertragen. Im p-V-Diagramm erfolgt die Zustandsänderung von 1 nach 2. Der Entropiezuwachs ist ΔS1 = Q1/T1, daher ist Q1 = ΔS1·T1. 2. Der Zylinder wird thermisch isoliert, so dass keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht wird. Das Gas kann weiter adiabatisch expandieren (von 2 nach 3), bis die Temperatur T2 erreicht ist. Da keine Wärme ausgetauscht wird, ändert sich die Entropie nicht. 3. Bei der niedrigeren, konstanten Temperatur T2 wird die Wärme Q2 an den Energiespeicher 2 abgegeben: Q2 = −ΔS2·T2, wobei gleichzeitig das Gas verdichtet wird (von 3 nach 4). Durch die Wärmeabgabe exportiert die Maschine Entropie, nämlich −ΔS2 = Q2/T2. Die für die Kompression benötigte Arbeit muss zugeführt werden, z. B. indem man die Energie eines Schwungrads auf der Kurbelwelle nutzt. 4. Im letzten Arbeitstakt wird adiabatisch, also mit thermisch isoliertem Zylinder wie im 2. Schritt, weiter komprimiert (von 4 nach 1), bis der Anfangszustand wieder erreicht ist. Wieso ist der Carnot-Prozess reversibel? Er ist eine Idealisierung. Der Prozess muss so geführt werden, dass keine Energie durch Reibung vergeudet wird. Unter dieser Voraussetzung kann man den Prozess auch umkehren: Die Maschine arbeitet angetrieben durch äußere Arbeit als Wärmepumpe und bringt Energie vom Energiespeicher 2 in den Speicher 1. 139.1 Sadi Carnot (1796–1832), französischer Wissenschafter, Physiker und Ingenieur in Napoleons Armee. Er ist als Begründer der Thermodynamik bekannt. 1824 beschrieb er mit dem Carnot’schen Kreisprozess eine perfekte Maschine. Carnots Leistungen waren die Grundlage für spätere Forscher wie Kelvin, Mayer, Joule und Clausius. Er starb mit 36 Jahren an Cholera. 139.2 In Wärmekraftmaschinen fließt Energie von einem Speicher mit hoher Temperatur zu einem Speicher mit niedriger Temperatur, ein Teil wird als Arbeit abgegeben. Erfolgt dies ohne Reibungsverluste, handelt es sich um eine Carnot-Maschine. Q2 Maschine W Q1 1. Energiespeicher (Energiequelle) T1 2. Energiespeicher (Umwelt) T2 Primärenergie Abwärme Nutzarbeit Verbraucher 139.3 Der Carnot’sche Kreisprozess. Die vom Kurvenzug 1–2–3–4–1 eingeschlossene Fläche im p-V-Diagramm stellt die Nutzarbeit dar. adiabatische Expansion adiabatische Kompression isotherme Expansion isotherme Kompression Druck p Volumen V V1 V3 V2 V4 p4 p2 p1 p3 139 Thermodynamik 5 Wärme- und Kältetechnik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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