4.1 Wärme, Arbeit und innere Energie Die innere Energie In der Mechanik (siehe S. 77–79) wurde das Gesetz von der Erhaltung der Energie, der Energieerhaltungssatz, für mechanische Systeme eingeführt. Er lautet: In einem reibungsfreien isolierten System – einem System, auf das keine Kräfte von außen wirken – ist die Summe der gesamten kinetischen und potenziellen Energien konstant. Bei Reibung scheint dieser Erhaltungssatz nicht zu gelten, bewegte Körper kommen zum Stillstand. Die beteiligten Körper erwärmen sich – offensichtlich wird die durch Reibung „verlorene“ mechanische Energie in den Körpern gespeichert. Im Kapitel 2 Zustandsänderungen haben wir gesehen, was die Zufuhr bzw. Abgabe von Energie aufgrund von Temperaturunterschieden bewirkt: Eine Temperaturänderung eines Körpers zeigt, dass sich die thermische Energie (Energie der Teilchenbewegung) ändert (siehe S. 101, Wärmekapazität). Eine Änderung des Aggregatzustands (Schmelzen bzw. Verdampfen) erfordert Energie zum Trennen von Bindungen zwischen Molekülen, die beim Erstarren bzw. Kondensieren wieder frei wird (siehe z. B. S. 109, Verdampfungs- bzw. Kondensationswärme). Zusätzlich kann chemische Energie im System gespeichert sein, z. B. in der Treibladung von Raketen, in einer Autobatterie oder in Nahrungsmitteln. Man muss sie berücksichtigen, wenn chemische Reaktionen ablaufen. Dies legt nahe, die Summe aus thermischer Energie (einschließlich der Schmelz- und Verdampfungswärme) und chemischer Energie unter dem Begriff innere Energie U des Körpers zusammenzufassen. Sie ist neben der kinetischen und der potenziellen Energie der Mechanik der Massenpunkte eine weitere Energieform. Damit wird berücksichtigt, dass thermodynamische Systeme aus einer ungeheuer großen Anzahl von Teilchen bestehen (Vielteilchensysteme), die nur durch statistische Größen (Mittelwerte) beschrieben werden können. Die innere Energie U eines thermodynamischen Systems umfasst die thermische Energie und die chemische Energie. Unter Berücksichtigung der inneren Energie eines Systems können wir den Energieerhaltungssatz allgemein formulieren: In einem isolierten System bleibt die Gesamtenergie E konstant. Die einzelnen Energieformen können sich ineinander umwandeln. Der Energieerhaltungssatz gehört zu den wichtigsten naturwissenschaftlichen Leistungen des 19. Jahrhunderts Es bedurfte vieler Untersuchungen, bis man von der Gültigkeit des Satzes überzeugt sein konnte. Ein Pionier auf dem Weg zum Energieerhaltungssatz in der Thermodynamik war der Arzt Julius Robert Mayer (129.1). Ein Ballon – gefüllt mit Helium – fliegt davon In einem fiktiven Land feiern begeisterte Physikliebhaberinnen und Physikliebhaber bei 0 °C eine Party im Freien. Sie wollen einen Heliumballon mit 35 cm Durchmesser aufsteigen lassen. Eine Schnellrechnerin hat sofort das Volumen berechnet: 22,4 Liter. Ein Chemiker weiß sofort: Im Ballon ist 1 Mol Helium. Mühelos ist die Innere Energie (Bewegungsenergie der Atome) als Produkt der Teilchenzahl und der mittleren Bewegungsenergie der Teilchen berechnet. Innere Energie (siehe S. 122): U = NA· _ Ek = 3 _ 2 NA·k·T = 1,5·8,31·273 J ≈ 3 400 J Großes Rätselraten: Womit kann man 3 400 J oder 3,4 kJ vergleichen? Nichts spricht gegen Zucker mit dem Energieinhalt von 17 kJ pro Gramm. Die innere Energie des Ballons entspricht enttäuschenden 0,2 Gramm Zucker. Nun darf der Ballon endlich fliegen! 129.1 Julius Robert Mayer (1814–1878) Der Heidelberger Arzt erkannte bereits um 1840, dass der Energieerhaltungssatz auch in reibungsbehafteten Systemen gültig sein musste. Er war damals Arzt auf einem Schiff nach Indonesien und bemerkte, dass im Tropenklima venöses Blut heller als in Europa ist. Das zeigte ihm den verringerten Energiebedarf der Wärmeregulation des menschlichen Körpers. Danach maß er 1842 als Erster die Umwandlung von mechanischer Arbeit in Wärme und bestimmte damit die spezifische Wärmekapazität von Wasser. Seine Leistungen fanden nur langsam Anerkennung. Was ist ein System? Ein physikalisches System besteht aus einem oder mehreren Körpern, die unter einander in Wechselwirkung stehen und gegen ihre Umgebung entweder isoliert sind oder mit ihr nur Energie, ev. auch Materie, austauschen. Im Rahmen der Mechanik werden die Körper als ausdehnungslose Massenpunkte ohne innere Struktur idealisiert. Man kann für die einzelnen Körper des Systems eine kinetische und eine potenzielle Energie definieren. Ein thermodynamisches System ist ein Vielteilchensystem. Energie und Impuls einzelner Teilchen sind nicht interessant. Bedeutsam sind nur statistische Mittelwerte dieser Größen. Zur Erinnerung: Die Unterscheidung in isolierte und offene Systeme ist auf Seite 77 zu finden. Zur inneren Energie tragen neben der Translationsenergie der Teilchen bei mehratomigen Molekülen die Energie der Rotation und der inneren Schwingungen, und bei Festkörpern, Flüssigkeiten und realen Gasen die Wechselwirkungsenergie zwischen den Molekülen bei. Bei gleicher Energiezufuhr steigt die Temperatur eines Körpers umso weniger, je mehr Bewegungsmöglichkeiten („Freiheitsgrade“) seine Teilchen haben. 129 Thermodynamik 4 Energie und Entropie Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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