Wer hat noch nicht die Luftdruckänderung bei einer Seilbahnfahrt oder im Flugzeug als Knacksen im Ohr verspürt? Warum merken wir diese Änderung überhaupt? Das Trommelfell trennt den Gehörgang vom Mittelohr und reagiert empfindlich auf Druckunterschiede. Der Druckausgleich zwischen Mittelohr und Rachenraum erfolgt durch Schlucken oder Gähnen. Eine Liftfahrt zur Aussichtsplattform am Wiener Donauturm in 165 m Höhe lässt den Luftdruck um 20mbar abnehmen! Das stimmt mit der einfachen Regel „Luftdruckänderung um 1 % pro 80 m Höhenunterschied“ überein. Wie lässt sich die Regel verstehen? Hier zeigt sich die Nützlichkeit des einfachen Modells „Ideales Gas“. Wir müssen nur zwei Fragen klären: a) Wie kommt der Luftdruck in verschiedenen Höhen zustande? Durch das Gewicht der Luft darüber! Wenn wir die Atmosphäre über einer horizontalen Fläche (Flächeninhalt A) in Schichten der Dicke d unterteilen (124.1), dann gilt: p(ℎ) = p(ℎ + d) + FG _ A , wobei h üblicherweise die Höhe über dem Meeresspiegel ist. FG ist das Gewicht der Luftschicht, also FG = m·g = ρ(h)·V·g = ρ(h)·A·d·g. ρ(h) ist die Dichte der Luft in der Schicht zwischen h und h + d. Mit zunehmender Höhe nimmt der Druck ab: p(ℎ + d) = p(ℎ) − ρ(h)·g·d b) Wie hängt die Dichte der Luft vom Druck ab? Wäre sie konstant, wie bei Wasser, würde der Luftdruck linear bis zum Wert Null abnehmen und die Atmosphäre hätte eine scharfe Grenze. Die Dichte von Gasen ist aber druckabhängig. Nun kommt die Zustandsgleichung des idealen Gases ins Spiel. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass die Temperatur der Atmosphäre in allen Höhen gleich ist. Bei konstanter Temperatur T gilt nach dem Boyle-Mariotte’schen Gesetz für ideale Gase: p·V = const. (siehe S. 119). Da sich bei einer Änderung des Volumens die Masse m des Gases nicht ändert, gilt auch: p·V _ m = p _ ρ ist konstant, wobei ρ = m _ V die Dichte des Gases ist. Der Quotient von Druck und Dichte ist für alle Höhen gleich: p(h) _ ρ(h) = p(0) _ ρ(0) , daher gilt: ρ(h) = ρ(0)· p(h) _ p(0) Das führt uns schon zum Resultat (nächste Zeile bezeichnen wir als Gleichung (1)): (1) p(h + d) = p(h) − ρ(h)·g·d = p(h)·(1 − ρ(0) _ p(0) ·g·d) = p(h)·(1 − d _ L ) Beim Standardluftdruck von 1013 mbar = 1,013·105 N·m−2 = 1,013·105 kg·m·s−2·m−2 und der mittleren Lufttemperatur von 15oC = 288 K beträgt die Dichte der Luft ρ(0) = 1,225 kg·m−3. Was bedeutet die Länge L = p(0) _ ρ(0)·g = 1,013·105 kg·m−1·s−2 ____ 1,225·9,81 kg·m−3·m·s−2 = 8430 m ≈ 8,4 km? L wäre die Höhe der Atmosphäre, wenn die Dichte der Luft für alle Höhen gleich wäre. Da sie aber nicht konstant ist, ist der Luftdruck am Gipfel des Mount Everest (8848 m) etwa ein Drittel seines Wertes auf Meereshöhe (124.2, 124.3). Nicht nur für Mathematikfreundinnen und Mathematikfreunde: Lässt man in Gleichung (1) die Schichtdicke d immer kleiner werden und erhöht man die Anzahl der Schichten, ergibt sich als Grenzfall die barometrische Höhenformel: p(h) = p(0)·e − ℎ _ L (e = 2,718 …, Eulersche Zahl) Nach dieser Rechnung ist Zeit zum Luftholen. Wie nimmt der Luftdruck mit der Höhe ab? 124.1 Eine Luftschicht mit der Fläche A und der Dicke d. A Luftschichten h + d d V h FG 124.2 Die Luftdruckabnahme von Meereshöhe bis zum Mount Everest und höher. Höhe in km Druck in mbar Tropopause Dichte Druck Höhe 1000 mbar ~ 0 km 900 mbar ~ 1 km 850 mbar ~ 1,5 km 700 mbar ~ 3 km 500 mbar ~ 5,5 km 300 mbar ~ 9 km 200 mbar ~ 12 km 100 mbar ~ 16 km 50 mbar ~ 21 km 30 mbar ~ 24 km 10 mbar ~ 31 km 100 0 200 400 600 800 1000 40 35 30 25 20 15 10 5 0 124.3 Reinhold Messner und Peter Habeler bestiegen als Erste 1978 den Mount Everest (8 848 m) ohne zusätzlichen Sauerstoff. Der Luftdruck beträgt in dieser Höhe nur noch ein Drittel des Luftdrucks auf Meeresniveau. Daher enthält jeder Atemzug nur ein Drittel der üblichen Sauerstoffmenge. 124.4 Mittels Tabellenkalkulation (GeoGebra, Excel) kannst du die Luftdruckkurve mithilfe Gleichung (1) schrittweise berechnen und als Diagramm darstellen. Wähle die Schichtdicke d mit 100 m ≤ d ≤ 1000 m. Eine Vorlage dazu findest du in der -App und im digitalen Zusatzmaterial. 124 Thermodynamik 3 Das ideale Gas 6g65yq Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=