22 zu den Schulbuchseiten 54 und 55 Die Märzrevolution 1848 M1 Ein Bericht über die Märzrevolution 1848 Q Der auf den 13. März anberaumte Zusammentritt der niederösterreichischen Landstände, welcher hauptsächlich den Zweck hatte, eine an den Thron zu bringende Petition um zeitgemäße Reformen und namentlich um Aufhebung der Censur in Berathung zu ziehen, hatten schon mehrere Tage zuvor alle Gemüther heftig ergriffen. Ein Schreiben mit Tausenden von Unterschriften, welches die Wünsche des besonnenen und patriotisch gesinnten Theils der Bevölkerung Wiens aussprach, wurde bereits am 11. freundlich entgegengenommen. Am 12. in der Früh hatte sich die studierende Jugend in der Universitätshalle versammelt und ebenfalls eine Schrift entworfen, welche ihre Wünsche zu erkennen gab. Die akademischen Autoritäten boten an, die Petition persönlich in die Hände seiner Majestät niederzulegen, was auch am selben Tag um 6 Uhr abends erfolgte. Am 13. morgens hatten sich die Studierenden abermals in der Universitätshalle versammelt. Von dort aus zogen sie in größter Ordnung zum Haus der Landstände. In der Herrngasse, auf der Freiung, dem Hofe, dem Ballplatze bildeten sich zahlreiche Versammlungen, unter denen einzelne Redner auftraten, welche zu festem, innigem Anschließen an das geliebte Kaiserhaus aufforderten, aber zugleich die durch die Zeitverhältnisse dringend geforderten Änderungen im Verwaltungssysteme andeuteten. Um die aufgeregten Massen zu beruhigen, entschlossen sich die Stände, sich zu Seiner Majestät zu begeben und die Wünsche des Volkes an den Thron zu bringen. Durch ein unglückliches Missverständnis wurde die im Hofraume des ständischen Hauses versammelte Menge zu einer tumultuarischen Erbrechung einiger Thüren und Zertrümmerung der Einrichtung mehrerer Gemächer verleitet. Unterdessen waren von Seite der Regierung ernste militärische Maßregeln ergriffen, die Thore der Stadt für Fahrende gesperrt, die Basteien mit Kanonen besetzt, solche auf mehreren Plätzen aufgefahren und ebenso mehrere Plätze und Straßen mit Truppenabtheilungen besetzt worden. Die besonders in der Umgebung des Ständehauses hin- und herwogende Volksmenge benahm sich ruhig und gemäßigt. Leider kam es dennoch an einigen Orten im Laufe des Nachmittags zu einem bedauerlichen Zusammenstoße, der mehreren Menschen das Leben kostete, wiewohl zu Ehren des Militärs bemerkt werden muss, dass von demselben nur dort von der Waffe Gebrauch gemacht wurde, wo es dazu durch Thätlichkeiten herausgefordert worden war. Um 5 Uhr war die Universitätshalle abermahls ganz mit Studenten gefüllt, und der Rektor schickte eine Abordnung zum Kaiser, um die bedrohte Lage der Hauptstadt darzustellen und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Gegen Abend wurde endlich die von unserem Blatt gestern veröffentlichte Kundmachung allgemein vertheilt, und bald darauf verbreitete sich die Nachricht, dass Fürst Metternich seine Stelle in die Hände des Kaisers niedergelegt habe. Abends war die ganze Stadt wie durch einen Zauberschlag glänzend erleuchtet. Die Nacht ging im Innern derselben auch ziemlich ruhig vorüber. Zahlreiche Patrouillen durchzogen die Straßen und wurden überall mit freudigem Wehen der Tücher und unendlichem Jubel begrüßt. In den Vorstädten und außerhalb der Linien sollen leider bedauerliche Exzesse vorgefallen sein. Am 14. morgens wurde die schon abends vorher bewilligte Bewaffnung der studierenden Jugend und der Bürger eingeleitet, um die Ruhe der noch immer tief bewegten Hauptstadt zu schützen. Als die einstimmigen Wünsche der Bevölkerung werden vor allem bezeichnet die Aufhebung der Censur und die Herstellung einer zeitgemäßen Verfassung. (nach: Wiener Zeitung, 15.3.1848) M2 Kaiser Ferdinand genehmigt die Aufhebung der Zensur und ein Pressegesetz. Q Um die Ruhe in dieser seit gestern bewegten Residenzstadt zu sichern, haben Seine Majestät der Kaiser sich die Bewaffnung der Studierenden, mit Ausschluss aller Ausländer, und unter zweckmäßiger Regelung anzuordnen geruhet. Se. Majestät erwarten, dass alle Bürger durch Einreihung in die Bürger-Corps diese möglichst verstärken und zur Erhaltung der Ruhe kräftig mitwirken werden. Seine Majestät erwarten, dass in dieser Maßregel ein neuer Beweis der väterlichen Fürsorge erkannt werde und dass die Ruhe zurückkehren wird. Mit Bedauern würden sonst Seine Majestät die Strenge der Waffen eintreten lassen. Der geheime Haus-, Hof- und Staats-Kanzler Fürst v. Metternich hat seine Stelle in die Hände Seiner Majestät des Kaisers niedergelegt. (nach: Wiener Zeitung, 14.3.1848) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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