Anwendungsbereich 4: Geschlecht, Ethnien und soziale Klassen im Zeitalter der Industrialisierung 83 19. Jh. heute Karl Lueger Er war Gründer der Christlichsozialen Partei, Wiener Gemeinderat und später Wiener Bürgermeister. Lueger setzte sich für die Herabsetzung des Steuerzensus* in Wien ein, sodass ab 1885 viele Männer wie Handwerker und Kleingewerbetreibende das Wahlrecht erlangten. Diese Schicht hatte eine antisemitische Einstellung, die durch die beleidigenden und hetzerischen Reden Luegers noch verstärkt wurde. 1887 bekannte sich Lueger öffentlich zum Antisemitismus. 1895 wurde er zum Bürgermeister gewählt. In seine Amtszeit fallen wichtige Reformen und Bauprojekte. So ließ er etwa die Zweite Wiener Hochquellenleitung zur Wasserversorgung der Stadt oder Krankenhäuser und Altenheime bauen. Die Stadt Wien übernahm die Gas- und Stromversorgung sowie die Straßenbahnen von privaten Unternehmern. Erinnerungskultur Namen von Straßen oder Plätzen und Denkmäler erinnern bis heute an Menschen, die etwas für ihre Heimat geleistet haben oder künstlerisch tätig waren. Einige waren aber auch überzeugte Antisemiten. Immer wieder kommt es in Gemeinderäten zu Anträgen zur Umbenennung von Straßen oder Plätzen, die nach Menschen benannt sind, die antisemitisches Gedankengut verbreitet haben. Ein Denkmal für einen Bürgermeister, der für die Stadt Wien vorausschauend und modern handelte, ist nachvollziehbar, aber er war eben auch ein überzeugter Antisemit. Daher kommt es immer wieder zu Beschädigungen und zu Protesten gegen sein Denkmal. Das Anbringen von Zusatztafeln bei Straßenschildern oder auf Denkmälern, Schautafeln oder die Gestaltung der Umgebung eines Denkmals vermitteln zusätzliche Informationen über die betreffende Person. So soll ein umfassenderes Bild entstehen und die Person in einen historischen Zusammenhang gestellt werden. M3 Aus einer Rede Karl Luegers vom 20.7.1899 Q Der Einfluss auf die Massen ist in den Händen der Juden, der größte Teil der Presse ist in ihren Händen, der weitaus größte Teil des Kapitals und des Großkapitals ist in Judenhänden, und die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie er ärger nicht gedacht werden kann. Es handelt sich uns darum, in Österreich vor allem um die Befreiung des christlichen Volkes aus der Vorherrschaft des Judentums. Wir wollen auf dem Boden unserer Väter freie Männer sein, und das christliche Volk soll dort herrschen, wo seine Väter geblutet haben. Aller Zwist ist darum durch die Juden entfacht, alle Anfeindungen unserer Partei rühren daher, weil wir der Herrschaft der Juden endlich zu Leibe gerückt sind. Darum sind Juden, Sozi und Deutschnationale jetzt so an der Arbeit, um den verhassten Mann zu stürzen und ihre Fahnen wieder auf dem Rathausturm aufzupflanzen. (nach: J. Sobol, Weiningers Nacht, 1989) M4 Karl Lueger wird Bürgermeister von Wien. Q Wien hat wieder einen Bürgermeister. Und wer ist dieser Bürgermeister von Wien? Es ist Dr. Karl Lueger. Und wer ist dieser Dr. Karl Lueger? Er ist der falsche, heuchlerische Volkstribun, dessen fortwährendes Strebertum dahingerichtet war, sich an die Spitze der Wiener Gemeindeverwaltung hinaufzuschwingen, dessen ganzer Ehrgeiz darin bestand, Bürgermeister von Wien zu sein. Um dieses sein Ziel zu erreichen, war ihm kein Mittel verwerflich genug. Er säte Hass und Zwietracht, er weckte die wildesten Leidenschaften, er vergiftete die Volksseele und brachte es mit seiner meisterhaften Verhetzungsmethode dahin, dass das sprichwörtlich gemütliche Wien eine Stätte der Brutalität geworden ist. Die Bürger der Metropole, die ehedem friedlich miteinander lebten, Freud und Leid austauschten, feinden sich nun gegenseitig an. (nach: Die Neuzeit, 1.11.1895; Die Neuzeit war eine jüdische Zeitschrift und erschien von 1861–1903.) 1 Analysiere und interpretiere M1. Überprüfe die Richtigkeit des Liedtextes mithilfe des Schulbuchtextes. Beurteile die Wortwahl im Liedtext. (HFK III) 2 Analysiere und interpretiere mithilfe des Schulbuchtextes die Karikatur M2. (HMK III) 3 Arbeite aus M3 Luegers Antisemitismus heraus. Stelle seinen Aussagen die Meinung über Lueger in M4 gegenüber. (HMK II) 4 Recherchiert, ob es in eurem Bundesland bereits Anträge auf Namensänderungen von Straßen und Plätzen gegeben hat, und wenn ja, wer die Menschen waren, deren Namen entfernt werden sollten. Sollte in eurer Gemeinde ein umstrittenes Denkmal stehen, entwickelt Ideen für den Umgang damit. Formuliert Vorschläge an den Gemeinderat. (PSK II, PUK III) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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