Anwendungsbereich 4: Geschlecht, Ethnien und soziale Klassen im Zeitalter der Industrialisierung 77 19. Jh. 20. Jh. Schlechte Ernährung Einmal richtig satt zu werden wünschten sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter, vor allem aber deren Kinder. Selten reichte das Einkommen für abwechslungsreiches, nahrhaftes und gesundes Essen. In der Früh gab es meist Zichorien-* oder Feigenkaffee und ein Stück Brot, am Land häufig eine Brennsuppe aus Hafer- oder Maismehl. Mus und Brei waren weit verbreitet. Zu den wichtigsten Nahrungsmitteln zählten Mais und Kartoffeln. Im Sommer gab es auch Gemüse, meist dick eingebrannt*: Kohl, Rüben, Kraut und Bohnen. Fleisch gab es selten, höchstens an Sonn- und Feiertagen. Zuerst durfte sich der Familienvater das Essen nehmen. Für Frau und Kinder blieb meist nicht mehr viel übrig. Sie mussten ihren Kalorienbedarf mit Brot und Zucker decken – daher war auch oft der Zustand ihrer Zähne schlecht. Wer sich nicht einmal das Zuckerbrot leisten konnte, musste wässrige Suppe essen. Suppenwürfel Er war für viele Haushalte mit wenig Geld ein beliebtes Lebensmittel. Damit ließ sich eine Suppe schnell zubereiten. Sie war nahrhaft und billig: 5 Heller* (nach heutigem Wert etwa 0,15 Euro) kostete 1910 ein „Maggi“-Rindsuppenwürfel, ein Kilo Suppenfleisch jedoch 1 Krone 50 Heller (ca. 4,5 Euro). M8 Suppenwürfel: Anfang des 20. Jh. brachte Julius Maggi mit großem Erfolg Suppenwürfel auf den Markt. Er setzte sich für das Wohl seiner Angestellten ein. In seinen Betrieben gab es Kantinen, eine Betriebskrankenkasse und freie Samstage. Das war damals sehr ungewöhnlich. (Werbeplakat, um 1915) M6 Wie man Brennsterz macht Q 200g Mais- oder Getreidemehl, 1/4L kochendes Wasser, 1 EL Schmalz oder Butter, 1/2 TL Salz Mehl und Salz in eine Schüssel geben, Wasser darüber gießen, immer wieder gut umrühren. Schmalz oder Butter in einer Pfanne erhitzen, Teig hineingeben, anbraten und zerteilen. (Rezept aus der Steiermark, mündlich überliefert, 2023) M7 Ein Arbeiter erzählt aus seiner Kindheit. Q Ich vergesse es mein Lebtag nicht – es war an einem harten Winterabend – kein Brot, kein Öl, kein Brennmaterial im Hause! Wir Kinder waren vor Frost in die Betten gekrochen, als die Mutter eintrat, einen halben Laib Brot in der Schürze. Sie verteilte es unter die heißhungrigen Kinder und schickte sich wieder zum Fortgehen an, um nach weiterem Verdienst auszuspähen. Ich bat sie, doch auch etwas zu genießen. „Ich brauche nichts“, sagte sie, „solange ihr hungrig seid.“ Da entfiel der Bissen meinem Mund, ich kroch mit dem Kopf unter das Deckbett und fing bitterlich an zu weinen. (nach: A. Lepp, Autobiographische Skizzen, um 1850) 1 Beschreibe M1. Vergleiche die Einrichtung dieser Küche und das Spielzeug mit dem von heute. (HOK II) 2 Vergleiche deine Wohnverhältnisse mit jenen in M2 und M5. (HMK II) 3 Beschreibe die Unterbringung in den Arbeiterhäusern (M3). Entwickle Vorschläge, mit welchen kostengünstigen Maßnahmen die Situation dieser Menschen verbessert werden kann. (HOK III) 4 Beschreibe die Haushaltstätigkeit der Frau (M4). Vergleiche sie damit, wie wir dieselbe Tätigkeit heute verrichten (lassen). (HMK II) 5 Diskutiert, welche Auswirkungen Wohnverhältnisse auf das Privatleben, die Gesundheit und die Bildung der Menschen haben können. (HOK III) 6 Formuliere Fragen an das Kind (M7). Erkläre, warum es einen Unterschied macht, wie alt der Junge ist. Wenn er in deinem Alter wäre, mache Vorschläge, wie er die Situation seiner Mutter kurzfristig verbessern könnte und was er für eine nachhaltige Besserung tun müsste. (HFK III) 7 Brennsterz (M6) ist nicht schwer zu machen. Vielleicht habt ihr eine Schulküche oder eine Kochplatte. (HOK II) 8 Beschreibe das Werbeplakat M8. Analysiere, welche Erwartungen durch die im Korb enthaltenen Lebensmittel geweckt werden. Beurteile, ob Julius Maggi selbst auch einen Vorteil davon hatte, dass er auf das Wohl seiner Arbeiterinnen und Arbeiter schaute. (HMK II, HFK III) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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