162 Religion und Kultur prägen unser Leben M1 Nikolausfeier im multikulturellen Kindergarten (Foto 2016) M3 Religionszugehörigkeit von Jugendlichen (10–19 Jahre, Quelle: Institut für Jugendkulturforschung, 2019) Deklarierte Religionszugehörigkeit Jugendliche gesamt Katholisch Evangelisch Orthodox Muslimisch Sonstige Kein Bezug zu Religion 31,9 % 6,1 % 7,3 % 18,6 % 2,7 % 33,5 % Was ist eine Religion? Das Wort bedeutet eigentlich „Ehrfurcht vor Gott oder einer höheren Macht“. Gläubige Menschen orientieren sich dadurch in ihrem Leben und finden vielleicht auch eine Antwort auf die Frage, was nach dem Tod geschieht. Zu einer Religion gehören Gebete, heilige Bücher wie die Bibel oder der Koran und Feste (zB Weihnachten, Chanukka oder das Zuckerfest). Was ist eine Religionsgemeinschaft? Wenn viele Menschen eine Religion gemeinsam ausüben, sprechen wir von einer Religionsgemeinschaft. M2 Mia (18) aus Kroatien erzählt Q Meine Eltern sind mit 15 nach Österreich gekommen. Bis zu meinem zweiten Lebensjahr habe ich nur Kroatisch gesprochen und erst im Kindergarten Deutsch gelernt. Im Gespräch mit meinen Freunden ist mir aufgefallen, dass ich so erzogen worden bin, wie es die Eltern meiner Freunde aus ihrer Jugend kennen. Ich bin römisch-katholisch und religiöser erzogen worden als meine Freunde. Eigentlich fühle ich mich mehr als Österreicherin als als Kroatin. Eine Sache gibt es aber, die mir in Kroatien viel besser gefällt: Das ist der Zusammenhalt in der Familie. Ich habe einen viel engeren Bezug zu meinen Cousinen als meine österreichischen Freundinnen, auch wenn wir einander natürlich nicht so oft sehen können. Doch für Familienfeste und Feiertage fahren wir immer nach Kroatien. Ein weiterer Unterschied fällt mir noch ein: „Was werden die Nachbarn sagen?“, ist in Kroatien immer wieder Thema, das habe ich hier auch noch nie gehört. (Interview, März 2023) M4 Sevin (18) und Melissa (18), beide haben türkische Wurzeln, erzählen. Q Sevin: „Zunächst möchte ich sagen, dass die Situation von Familie zu Familie völlig unterschiedlich ist. Man kann da nichts verallgemeinern.“ Melissa: „In meiner Familie gab es schon früher viel Gewalt, und diese Erfahrung wird mit der Erziehung von Generation zu Generation weitergegeben. Ich hoffe sehr, dass ich diese Kette bei meinen Kindern eines Tages brechen kann. Bei uns bestimmt der Vater alles, und die Söhne bestimmen als die Nachfolger des Vaters auch über ihre Schwestern. Meinungsfreiheit für Mädchen gibt es da keine. Man muss sehr aufpassen, was man sagt.“ Sevin: „Als unsere Eltern hierher kamen, mussten sie sich selbst anpassen. Mit strengen Regeln versuchen sie, ihre Kinder zu schützen. So versuchen sie die Kontrolle zu behalten.“ Melissa: „Ja, aber damit verhindern sie nichts: Die Kinder passen sich der hiesigen Gesellschaft an und lügen ihre Eltern notfalls einfach an.“ Sevin: „Nicht der Islam, sondern die türkische Kultur bestimmt unsere Erziehung. In diese sind wir hineingewachsen. Als Kinder waren wir damit unzufriedener als heute. Es ist sehr schwierig, etwas daran zu ändern.“ Melissa: „Wir sind damit aufgewachsen und hoffen, dass es uns eines Tages gelingt, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen. Dafür ist eine gute Ausbildung wichtig.“ Sevin: „Meine Eltern wollen einen guten Schulabschluss für mich. Als sie jung waren, war die Erziehung noch viel strenger als meine jetzt. Meinen Ehemann möchte ich mir eines Tages nach dem Charakter und nicht nach der Herkunft aussuchen.“ (Interview, März 2023) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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