AUFKLÄRUNG | 1700 – 1770 83 Handelstätigkeit (Hamburg, Leipzig, Frankfurt, Berlin, Bremen) waren zugleich Zentren literarischer und philosophischer Gesellschaften und des Verlagswesens. Von 1450 bis etwa 1700 waren Drucker, Verleger und Buchhändler in der Regel in einer Person vereinigt. Die Bücher wurden einmal im Jahr auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt am Main angeboten. Die Kundschaft musste sich für das kommende Jahr versorgen. Feste Preise gab es keine. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich ein arbeitsteiliger literarischer Markt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten: Verleger beauftragten Druckereien mit der Herstellung von Büchern. Die Bücher wurden über so genannte Sortimentsbuchhändler weitervertrieben. Bei ihnen konnte man das ganze Jahr über kaufen, und zwar zu festen Preisen. Dieses Produktions- und Verteilersystem hat sich bis heute erhalten. Erst mit dem Aufkommen des Internets kamen neue Vertriebsformen hinzu (vgl. S. 436). Ein Urheberrechtsgesetz gab es allerdings im 18. Jahrhundert noch nicht. Das bedeutete: Jeder konnte Bücher nachdrucken (Raubdrucke) und billig auf den Markt werfen, weil auf Autoren- und Verlegerrechte keine Rücksicht genommen werden musste. Daher zahlten die Verleger den Schriftstellerinnen und Schriftstellern meist nur geringe Honorare für die Manuskripte und brachten nur Auflagen mit geringer Stückzahl heraus. So konnten nur wenige, besonders angesehene von ihren Tantiemen1 leben. Goethe beispielsweise erhielt von 1795 bis zu seinem Tod jährlich etwa 3.000 Taler von seinem Verleger, Schiller dagegen zuerst 400, dann 800 und kurz vor seinem Tod etwa 1.400 Taler. (Zum Wertvergleich: Ende des 18. Jahrhunderts bekam man für einen Taler zwölf Kilogramm Brot; ein Maßanzug kostete 20 Taler.) Viele Autorinnen und Autoren versuchten dadurch zu überleben, dass sie nach dem Geschmack der Leserschaft schrieben und zu Lohn- und Trivialschriftstellerinnen und -schriftstellern wurden. Nur ein kleiner Teil der Autorinnen und Autoren beugte sich nicht den Gesetzen des Marktes und produzierte nach seinem künstlerischen Gewissen. (Mehr zu Trivialliteratur vgl. S. 427.) Neben dem Buchhandel mit gehobener und noch mehr trivialer Literatur gab es – vor allem seit der Mitte des Jahrhunderts – ein ausgedehntes Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, das allerdings weniger das Tagesgeschehen vermittelte (dazu waren Herstellung und Verteilung zu langsam), sondern gesellschaftliche, religiöse, moralische, ästhetische und literarische Ideen „für das gebildete Publikum“ zu verbreiten suchte. Die einzelnen Nummern waren nicht im freien Verkauf erhältlich, sondern mussten abonniert werden. Die Redaktion der Zeitschrift bestand häufig nur aus ihrer Begründerin oder ihrem Begründer und einigen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Meist wurden die Zeitschriften nach wenigen Nummern eingestellt. Vorbilder für diese Moralischen Wochenschriften fanden sich in England, wo sich die Aufklärung mit moralischen Bestrebungen verband, die aus dem strenggläubigen Protestantismus (Puritanismus) kamen. Diese Moralischen Wochenschriften verbreiteten die neuen wissenschaftlichen und sittlichen Anschauungen im gehobenen Bürgertum und wirkten in hohem Grad meinungsbildend. Sophie von La Roche (1730 – 1807) war eine Vertreterin der Empfindsamkeit und gilt als erste Schriftstellerin im deutschen Sprachraum, die mit ihrer Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Ihr bekanntestes Werk ist der Roman Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771), sie verfasste aber auch Briefromane und gab die erste deutsche Zeitschrift für Frauen heraus (Pomona für Teutschlands Töchter, 1783 – 1784). Ihre Enkel sind Bettina von Arnim und Clemens Brentano, die zur Zeit der Romantik besondere Bedeutung erlangten. Gottscheds Theaterreform Für die Entwicklung der deutschen Literatur hatte das Wirken des Ostpreußen Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) große Bedeutung. Gottsched war Professor in Leipzig und setzte sich mit Strenge für eine Reform der Sprache, der Dichtkunst und besonders des Theaters ein. Sein Kampf gegen den blumigen Schwulst der späten Barockzeit ist eines seiner unbestreitbaren Verdienste. Buchmarkt 1 Tantiemen: ausgezahlte Vergütung für ein literarisches Werk Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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