82 verstehendes Lernen und durch eine lebenspraktische Ausrichtung des Unterrichts ersetzt werden. Die Erkenntnisse des Verstandes – so forderte man – müssen praktisch anzuwenden, das Leben muss vernünftig zu gestalten sein. Zur Bildung der Erwachsenen schrieb eine Reihe bedeutender französischer Gelehrter das erste Lexikon (die „Encyclopédie“), in dem das gesamte Wissen der Zeit vom Standpunkt der Aufklärung dargestellt wurde. Der einflussreichste französische Aufklärer war Voltaire (1694 – 1778, François Marie Arouet), ein äußerst vielseitiger Schriftsteller und Denker, dessen Urteile von zwei Generationen übernommen wurden. Voltaire lebte drei Jahre am Hof König Friedrichs II. von Preußen (1712 – 1786) und prägte den „aufgeklärten Absolutismus“ entscheidend mit. Er schrieb Dramen, Romane, Epen, philosophische Werke, Streitschriften und Artikel für die „Encyclopédie“. Das gebildete Bürgertum, das weder politischen Einfluss noch wirtschaftliche Macht besaß, erhob Anspruch auf Beteiligung am Staat. Die Legitimation dafür waren literarische Bildung und moralische Lebensgrundsätze. In beiden Bereichen wusste sich das Bürgertum dem Adel überlegen. 2. Geben Sie die genannten Folgen der Aufklärung wieder. LITERATUR DER AUFKLÄRUNG Die Literatur hatte für die Aufklärer den Zweck, den Menschen zu bilden, zu erziehen und zu unterhalten. Die Dichterin oder der Dichter musste gelehrt und gebildet sein und sich nach Regeln richten. Die künstlerische Produktion war vom Verstand zu kontrollieren. Die Dichtungsgattungen mussten säuberlich geschieden sein, Tragik und Komik durften nicht vermischt werden (wie etwa bei Shakespeare). Im Mittelpunkt der Dichtung standen Menschen, die sich durch ihren Willen und ihre Vernunft zu vollkommeneren Wesen entwickelten. Im deutschen Sprachraum waren die bevorzugten Formen der Literatur unter anderem das Lehrgedicht, die Fabel und satirische Darstellungen, in denen der „esprit“ (Geist, Witz) eine große Rolle spielte. Zunächst herrschte der Vers vor; Prosa galt nicht als künstlerische Gestaltung. Allmählich setzte sich auch – durch englischen Einfluss – der empfindsame Familienroman durch. Sehr beliebt war der Typ des Reiseromans. Die vielen Poststationen gaben der Hauptfigur Gelegenheit zu Bekanntschaften und allerlei Abenteuern. In England vermochten Dramatikerinnen und Dramatiker sowie Romanschriftstellerinnen und -schriftsteller ihr Publikum zu Tränen zu rühren. Unter ihren Werken findet man das erste bürgerliche Trauerspiel und den ersten Briefroman. Eine herausragende Literatin im England des 17. Jahrhunderts war Aphra Behn (1640 – 1689). Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie als freischaffende Schriftstellerin. Eine zweite Heirat lehnte sie entschieden ab, sie wollte keinesfalls zur finanziellen Absicherung eine Ehe eingehen. Behn schrieb sowohl Theaterstücke, die ein Fixpunkt im Repertoire der Londoner Bühnen bis zur Mitte des 18. Jahrhundert waren, als auch Prosa und Gedichte. Ihr Roman Love Letters between a Nobleman and his Sister (1684 – 1687) gilt als erster Briefroman. Mit ihrem Hauptwerk, dem Roman Oroonoko (1688) über einen Sklaven in Suriname, beeinflusste sie massiv die Anti-Sklaverei-Bewegung. Die Frauenbewegung ehrt Aphra Behn als eine ihrer Vorkämpferinnen. Noch in den trivialen Liebesromanen des späten 19. Jahrhunderts sind die Spuren dieser rührseligen Literatur zu finden (z. B. die unglückliche Liebe zwischen einer Bürgerlichen und einem Adeligen). Träger der Literatur waren die akademisch Gebildeten aus dem dritten Stand, dem Bürgertum, besonders Theologen, Sprachgelehrte und Schulmänner. Sie lösten sich aus der Abhängigkeit der Fürstenhöfe (Abwendung vom Mäzenatentum). Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 – 1803) und Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) lebten – zumindest zeitweilig – als freie Schriftsteller. Dies war nur möglich, weil die Produktion schöngeistiger Bücher in der Zeit der Aufklärung auf das Vierfache stieg. Die Zentren der Anspruch des Bürgertums Literatur als Mittel der Bildung Gebildete aus dem 3. Stand Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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