Killinger Literaturkunde, Schulbuch

48 spieler hat man auch später nicht verwendet, es mussten jedoch manchmal zwei Rollen mit einem Spieler besetzt werden. Die Stoffe zu ihren Werken entnahmen die griechischen Tragiker meist der Mythologie, also den Götter- und Heroensagen, die – zumindest in der älteren Zeit – religiösen Charakter hatten und dem Publikum vertraut waren: Atridensage, Ödipussage, Argonautensage, Herkulessage, Prometheussage. Nur sehr wenige Stücke hatten eine zeitgenössische Thematik, zum Beispiel Die Perser des Aischylos. Das Besondere eines Dramas lag also nicht im Inhaltlichen, sondern in der Art der Verarbeitung. 1. Wählen Sie einen der oben genannten Sagenkreise aus und recherchieren Sie in Enzyklopädien, im Internet, in literarischen Übersichtswerken und/oder Sammlungen klassischer Sagen: • Erstellen Sie eine übersichtliche Tabelle mit – den wichtigsten Figuren, – den wesentlichen Ereignissen. ZWECK DER TRAGÖDIE Aristoteles hat in seiner Poetik als Zweck der Tragödie genannt, Furcht und Mitleid in den Zuschauerinnen und Zuschauern zu erwecken, Mitleid mit der Heldenfigur und Furcht, ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Durch den Schluss der Tragödie und das folgende Satyrspiel sollten sie jedoch von ihren Affekten, ihren Gemütsbewegungen, wieder befreit werden. Das Theater der Griechen sollte also eine „mit Lust verbundene Erleichterung von den durch die Tragödie erregten Affekten“ (Läuterung – Kathársis) bieten. Die Aufführung Der religiöse Charakter des griechischen Theaters hat sich lange erhalten: Die Aufführungen waren Festspiele, die einmal im Jahr veranstaltet wurden und mehrere Tage dauerten. Gespielt wurde vom Morgen bis zum Abend. Der Schauplatz war in älterer Zeit die Orchestra, ein runder Platz mit einem Altar für Dionysos. Die Orchestra war nach hinten durch eine bemalte Bretterwand (Skené) abgeschlossen, die später durch Steinbauten ersetzt wurde. Davor setzte man ein hölzernes Podest, auf dem die Schauspieler agierten. Das Publikum saß im Halbkreis in Reihen, die man meist in einen Berghang gegraben hatte. Als Zuschauer wurden nur Männer zugelassen. Auch die Schauspieler waren Männer, selbst in den weiblichen Rollen. Sie trugen eine Maske vor dem Gesicht und hatten weite Gewänder an. So konnten sie sich wenig bewegen. Man muss sich das griechische Theater als feierliches Deklamationstheater1 vorstellen. Wer aufgeführt werden wollte, musste sein Werk für eine Art Wettbewerb einer Jury der jeweiligen Stadt vorlegen. In älterer Zeit war eine Tetralogie (tetra = vier) vorgeschrieben, eine Folge von vier Dichtungen, die inhaltlich eine Einheit bildeten. Auf drei Tragödien (Trilogie) folgte ein Satyrspiel, ein lustiges, oft auch derbes Spiel, das die vorangegangenen Tragödienstoffe ins Komisch-Groteske abwandelte. Der Preis für den Sieger war ein Dreifuß (Untersatz für einen Kessel), der auch als kultisches Weihegeschenk diente. Furcht – Mitleid – Läuterung Das griechische Theater Schauspieler 1 deklamieren: kunstvoll vortragen Dramatische Werke Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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