Killinger Literaturkunde, Schulbuch

456 Strophenformen Die Volksliedstrophe ist eine einfache, von formaler Schlichtheit geprägte Strophenform und wird für volkstümliche bzw. volkstümlich wirkende Texte verwendet. Sie weist pro Verszeile drei bis vier Hebungen mit Füllungsfreiheit (eine oder zwei Senkungen nach einer Hebung) auf und ist gereimt (Paarreim, Kreuzreim). Die Strophen bestehen meist aus vier bis sechs Verszeilen. Am Brunnen vor dem Thore Da steht ein Lindenbaum: Ich träumt’ in seinem Schatten So manchen süßen Traum. (Text: Wilhelm Müller, Musik: Franz Schubert) Die Terzine ist eine italienische Strophenform mit drei Zeilen. Dante hat seine Göttliche Komödie in Terzinen abgefasst. Die Strophen sind durch den Reim verkettet: aba – bcb – cdc . . . (vgl. S. 228). Ebenfalls aus Italien stammt die Stanze, eine achtzeilige Strophenform mit vorgeschriebener Reimbindung (abababcc). Jeder Vers hat elf bzw. zehn Silben. Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, a Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. b Versuch’ ich wohl, euch diesmal festzuhalten? a Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? b Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, a Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; b Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert c Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. (Goethe) c Die Chevy-Chase-Strophe ist für die englische und schottische Ballade kennzeichnend. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie auch in deutschen Balladen verwendet (z. B. von Fontane). Sie besteht aus vier Kurzzeilen mit stumpfem Ausgang, von denen die Verse 1 und 3 vier Hebungen aufweisen, die Verse 2 und 4 nur drei Hebungen: Und trüg er noch den alten Groll, Frisch wie am ersten Tag, So komme, was da kommen soll, Und komme, was da mag. (Fontane) Darüber hinaus werden auch andere Strophenformen verwendet, vielfach entlehnt aus der Literatur anderer Sprachen und Kulturen. Unterschiedlicher Strophenbau 2 4 2 4 6 8 2 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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