ALLGEMEINE MERKMALE VON TEXTEN 447 Maja Haderlap: Engel des Vergessens (2011) Nach dem Abwasch legt sie die emaillierten Schälchen und Töpfe zum Abtropfen auf das Fensterbrett. Das Abwaschwasser aus der Blechschüssel schüttet sie ins Freie. Ihre langen geröteten Finger sind nach dem Spülen violett. Sie sehen aus wie Krallen eines Greifvogels. Ab und zu pocht sie mit ihnen auf meinen Kopf. Mit einem Schürhaken hebt sie ein tellergroßes Gusseisenteil aus der Herdplatte des Sparherds und zerteilt die Glut, damit sie rascher auskühlt. Kaum setzt sie sich in Bewegung, folge ich ihr. Sie ist meine Bienenkönigin und ich bin ihre Drohne. Ich habe den Duft ihrer Kleidung in der Nase, den Geruch nach Milch und Rauch, einen Hauch von bitteren Kräutern, der an ihrer Schürze haftet. Sie gibt mir den Rundtanz vor und ich tänzle ihr nach. Ich passe meine kleinen Schritte ihren schleppenden an, ich summe eine zarte Melodie aus Fragen und sie spielt den Bass. Wir gehen in die Stube und sehen nach der Milchzentrifuge hinter der Tür, die wir ein paar Mal in der Woche drehen, um den Rahm von der Milch zu trennen. In der Kammer dahinter werden die Fenster geöffnet, die Betten, in denen wir schlafen, gelüftet, die Strohsäcke, die gefüllt sind mit getrockneten Maisblättern, aufgelockert, die Kräuter, die auf dem Fensterbrett liegen oder an Vorrichtungen aufgehängt sind, gewendet und kontrolliert, wird die Treppe hinauf auf den Dachboden gestiegen, der unheimlich wirkt, in die Dachkammer geschaut, in die sich vor Jahren Gespenster geflüchtet haben zu den Schlafenden und sie aus dem Zimmer gejagt haben, wie Großmutter erzählt. Ausgewählte besondere Verfahrensweisen Ironie Es wird das Gegenteil dessen gesagt, was gemeint ist. Meist wird durch einen ironischen Unterton der Sinn einer Aussage unterstrichen. Ironie soll durch Spott lächerlich machen und kann humorvoll harmlos bis bitter sein. Sarkasmus bezeichnet die äußerste, bitterste Form des schneidenden Humors. Tragische Ironie/Ironie des Schicksals Die Zuhörerinnen und Zuhörer wissen schon im Voraus, was die dramatische Figur erst langsam im Verlauf der Handlung herausfindet (vor allem im Enthüllungsdrama). Z.B. in der Tragödie König Ödipus von Sophokles. Romantische Ironie (vgl. S. 165) Satire Textform in allen literarischen Gattungen, bei der eine Person oder ein Sachverhalt lächerlich gemacht und damit kritisiert wird, um eine Verbesserung der Lage zu erreichen. Meist wird diese Vorgangsweise zur Anprangerung von Missständen übergeordneter Stellen bzw. der Mächtigen in einer Gesellschaft (z. B. des Fürsten) eingesetzt. Häufige Mittel sind Ironie, Über- bzw. Untertreibung, Verzerrung etc. (vgl. S. 348). 5 10 15 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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