444 erlebte Rede, bei der die Geschehnisse aus der Sicht eines der Charaktere in der 3. Person und meist im Indikativ dargestellt werden (vgl. S. 279). Die radikalste Form des personalen Erzählverhaltens stellt der innere Monolog dar (z. B. Schnitzler Leutnant Gustl und Fräulein Else, vgl. S. 234). Die Erzählfigur kann in der 1. Person (ich) oder in der 3. Person (er/sie) auftreten. Bewusstseinsstromtechnik (stream of consciousness): Das Geschehen wird bei dieser Erzähltechnik als ungeordnete (oft nicht einmal chronologisch angeordnete) Assoziationskette einer oder mehrerer Personen, als Bewusstseinsstrom, dargestellt. Die Handlung spielt sich lediglich im Bewusstsein der Erzählfigur(en) ab. In die Erzählung fließen Gefühle, Gedanken, Eindrücke jeglicher Art ein, die erst in ihrer Gesamtheit ein Textganzes ergeben. (z. B. Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz, vgl. S. 270). ZEITVERLAUF Die erzählte Zeit ist der Zeitraum, den das fiktionale Geschehen umfasst. Sie ist meist festzustellen mit Hilfe der Frage: Wie viel Zeit vergeht vom Einsetzen der Handlung bis zum Schluss? Die Erzählzeit ist die Zeit, die die Erzählerin oder der Erzähler braucht, um die Geschichte vorzutragen, bzw. die Leserin oder der Leser braucht, um die Geschichte zu lesen. Erzählte Zeit (fiktionaler Zeitablauf) und Erzählzeit (realer Zeitablauf) können übereinstimmen. Das ist z. B. in Kurzgeschichten der Fall, die zum Großteil aus direkten Reden bestehen (Wolfgang Borchert, Die Küchenuhr, vgl. S. 337, Brot). Manchmal ist die erzählte Zeit kürzer als die Erzählzeit, nämlich dann, wenn das Geschehen genau und ausführlich geschildert wird (Dehnung). Stimmen Erzählzeit und erzählte Zeit überein, so spricht man von Zeitdeckung. Im Sekundenstil wird ein Geschehen minutiös und detailgetreu, aber ohne große Anteilnahme erzählt. Adalbert von Hanstein definiert den Sekundenstil so: Das vermeintliche Kunstgesetz hatte also hier eine neue Technik hervorgerufen, nicht nur eine innere, sondern auch eine äußere. Die innere Technik ist das, was ich als „Sekundenstil“ bezeichnen möchte, insofern Sekunde für Sekunde Zeit und Raum geschildert werden. Nichts Keckes, Dreistes ist mehr gestattet, kein kühner Sprung darf mehr über die Wüsten hinwegsetzen, um die Oasen einander näher zu bringen. Nein, ein Sandkorn wird nach dem anderen sorgfältig aufgelesen, hin und hergewendet und sorgsam beobachtet und in die tagebuchartige Dichtung eingezeichnet. Solch peinliche Kleinmalerei läßt allerdings einen kleinsten Ausschnitt aus Leben und Wirklichkeit mit absoluter Treu wiedererstehen, aber sie hängt gleichzeitig der Dichterphantasie unerträgliche Bleigewichte an die Füße. In den meisten Fällen ist die erzählte Zeit jedoch wesentlich länger als die Erzählzeit. Z. B. erzählt Thomas Mann in den Buddenbrooks das Schicksal einer Familie durch mehrere Generationen. Die Erzählerin oder der Erzähler muss also Geschehen raffen und Zeiträume überspringen (Raffung). In epischen Werken wird bisweilen ein kompliziertes Zeitgefüge geschaffen. Während das lyrische Gedicht meist ohne zeitliche Dimension ist und im Drama die Vorgänge auf der Bühne in einer Szene grundsätzlich so lange dauern wie im täglichen Leben, kann die Erzählerin bzw. der Erzähler sehr souverän mit der Zeit umgehen: Sie oder er kann Ereignisse nachholen und vorwegnehmen, kann Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges assoziativ verbinden, wie es auch im menschlichen Bewusstsein erfolgt. Umgang mit der Zeit 5 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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