40 Sein wichtigstes Werk war jedoch seine Bibelübersetzung. Aus der Überzeugung, dass auch die Laien einen unmittelbaren Zugang zu Gottes Wort haben müssten, übertrug Luther die Bibel in eine zeitgemäße sprachliche Form, die rasch großen Anklang in der Bevölkerung fand. Zunächst veröffentlichte er 1522 die Evangelien, übersetzt aus dem griechischen Urtext. Nach mehreren Teilveröffentlichungen erschien die Gesamtausgabe der Bibelübersetzung erstmals 1534. Im folgenden Text trifft Luther Kernaussagen zu seiner Übersetzungstechnik: Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen (1530) Ich hab mich des beflissen im Dolmetschen, daß ich rein und klar Deutsch geben möchte. Und ist uns sehr oft begegnet, daß wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einziges Wort gesucht und gefragt, haben’s dennoch zuweilen nicht gefunden. [...] man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, [...] sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet. [...] wer dolmetschen will, muss großen Vorrat von Worten haben, damit er die recht zur Hand haben kann, wenn eins nirgendwo klingen will. 2. Übertragen Sie diese Aussagen in heutiges Deutsch und beachten Sie dabei die Vorgangsweise, die Luther erläutert. Sie können, anstatt auf der Straße Befragungen durchzuführen, Ihre Klassenkameradinnen und Klassenkameraden befragen. Merkmale von Luthers Übersetzungstechnik: • E r betrachtete einerseits den Text nach grammatischen Kriterien, andererseits versuchte er, die Bedeutung einer Textstelle aus dem Kontext zu erschließen. • E r suchte nach der besten Entsprechung der Bedeutung in der deutschen Sprache, wobei er bemüht war, eine klare und einfache Formulierung zu finden, die auch Ungebildete verstehen konnten. • E r verwendete als Grundlage seiner Übersetzung das Ost-Mitteldeutsche. Allerdings benützte er auch Ausdrücke aus dem Ober- und Niederdeutschen, wenn ihm diese Ausdrücke klarer vorkamen und wenn sie besser klangen. • E r schuf dabei eine Reihe von neuen, zusammengesetzten Wörtern (z. B. Gotteshaus für Kirche, Sündenbock, Gewissensbiss) und prägte sprachliche Wendungen, die bis heute verwendet werden (z. B. Sand am Meer, Dorn im Auge, verlorener Sohn). Das Kirchenlied, dessen Anfänge bis ins 9. Jahrhundert zurückgehen, erhält durch Martin Luther eine wichtige Funktion im Dienst der Reformation: Es wird zum Träger des neuen Glaubensgutes, indem es die protestantische Sichtweise stärkt. Die Gemeinde soll durch den gemeinsamen Gesang zu einer Glaubensgemeinschaft werden. Luther hat eine Reihe von Kirchenliedern geschaffen, in denen sich die Bildkraft seiner Sprache zeigt und die bis heute gesungen werden, zum Beispiel: Martin Luther: Eine feste Burg ist unser Gott (1529) Ein feste Burg ist unser Gott, Ein gute Wehr und Waffen, Er hilft uns frei aus aller Not, Die uns jetzt hat betroffen. Bibel in zeitgemäßer Sprache 5 10 Luthers Übersetzungstechnik 2 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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