Killinger Literaturkunde, Schulbuch

38 ABKEHR VOM MITTELALTER – AUFBRUCH ZU NEUEM Renaissance und Humanismus Renaissance (französisch) bedeutet „Wiedergeburt“. In der Kulturgeschichte bezeichnet man mit Renaissance eine geistige Bewegung in Italien im 14. und 15. Jahrhundert, welche die Wiederbelebung der antiken Kultur zum Ziel hatte. Italienische Gelehrte und Kunstschaffende besannen sich dabei besonders auf die große Vergangenheit des römischen Reiches. Sie wollten eine politische und geistige Überwindung der mittelalterlichen Bindungen und Vorstellungen und waren erfüllt von der Sehnsucht nach einer Erneuerung des Lebens. Nach ihrer Überzeugung waren die antiken Römer freie Individuen, in Heiterkeit dem Diesseits zugewandt. Diese Lebensform sollte wiedergeboren werden. Man versteht unter Renaissance vor allem eine Stilrichtung in der Baukunst, der Bildhauerei und Malerei, die die Italiener prägten, die aber auch – mit zeitlicher Verzögerung – nördlich der Alpen bedeutende Werke hervorbrachte. Humanismus, vom lateinischen humanitas abgeleitet, deckt sich zum Teil mit dem Begriff Renaissance: Man bezeichnet damit vor allem die Bestrebungen der Wissenschaftler, an die Schriftsteller und Philosophen der Antike anzuknüpfen, die das Humane (= die Veredelung des Menschen durch Bildung) nach ihrer Meinung bereits erreicht hatten. Man studierte daher lateinische Werke im Original, entdeckte alte Handschriften, wie die Germania des Tacitus (ca. 58 – 120 n. Chr.), und veröffentlichte sie. Hinzu kamen griechische Handschriften, die Flüchtlinge aus Konstantinopel nach der Eroberung durch die Türken (1453) nach Italien gebracht hatten. Ulrich von Hutten, der sich als Dichter fühlte, was damals eher selten war, drückte in einem Brief aus dem Jahr 1518 das Lebensgefühl der Humanisten so aus: O Jahrhundert, o Wissenschaften! Es ist eine Lust zu leben, wenn auch noch nicht in der Stille. Die Studien blühen, die Geister regen sich. Barbarei, nimm dir einen Strick und mach dich auf Verbannung gefasst. 1. Deuten Sie dieses Zitat von Ulrich von Hutten: • Erläutern Sie, welche Rolle Hutten der humanistischen Wissenschaft zuschreibt. • Überprüfen Sie, ob die humanistische Wissenschaft dieser Rolle aus heutiger Sicht tatsächlich gerecht wurde. Aus dem humanistischen Geist entwickelte sich eine Reihe von Einzelwissenschaften, wie die Geographie, die Astronomie (Nikolaus Kopernikus, 1473 – 1543), die Alchemie (Paracelsus, 1493/1494 – 1541), die Anatomie, die Optik und die Mechanik. Da manche Ergebnisse der Wissenschaften in Widerspruch zu damaligen theologischen Auffassungen standen (z. B. geozentrisches Weltbild), kam Wiedergeburt der antiken Kultur Gelehrte Bildung Kopernikanische Wende RENAISSANCE, HUMANISMUS, REFORMATION ETWA 1450 BIS 1600 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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