BALLADE 35 Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut. Er träumt. „Gesteh!“ Sie schweigt. „Gib ihn heraus!“ Sie schweigt. Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut. Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ... „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!“ Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt, Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut, Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar. Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut. Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad. Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch. Friedsel’ge Wolken schwimmen durch die klare Luft, Als kehrten Engel heim von einer nächt’gen Wacht. Die dunklen Schollen1 atmen kräft’gen Erdgeruch. Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug. Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin. Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der andre spricht: „Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir Mein Weib! Und lebst! ... Mein ist die Rache, redet Gott.“ 3. Setzen Sie sich mit der Ballade nach folgenden Gesichtspunkten auseinander: • Fassen Sie den Inhalt zusammen. • Erläutern Sie, welchen inneren Kampf der Edelmann führt und wie er ausgeht. • Diskutieren Sie die Gegensätzlichkeiten zwischen den beiden Hauptfiguren. • Berücksichtigen Sie dabei die politischen und religiösen Gruppierungen, denen sie angehören. 4. Untersuchen Sie die Ballade in formaler und sprachlicher Hinsicht: • Nennen Sie Kennzeichen, die den Text als Ballade charakterisieren. • Beschreiben Sie, welche Technik Meyer verwendet, um den Mord an der Frau darzustellen. • Analysieren Sie den Umgang mit der Zeit (zu welcher Tageszeit setzt die Handlung ein, wann endet sie (= erzählte Zeit)?). • Erläutern Sie, wo die einzelnen Szenen spielen. 5. Stellen Sie in der Kleingruppe die Ankunft des Reiters als Standbild (Freeze Frame) dar: • Die beteiligten Gruppenmitglieder spielen die Szene, bis der Spielleiter/die Spielleiterin „Halt“ sagt. • Die Personen bleiben in der Haltung, die sie gerade einnehmen, stehen. • Der Spielleiter/Die Spielleiterin berührt nun die einzelnen Personen an der Schulter und sie beginnen, ihre Gedanken in dieser Situation wiederzugeben. 50 52 54 56 58 60 62 1 Schollen: Erdklumpen 64 66 68 70 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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