BALLADE 33 sittliche Idee, die der Mensch aus freiem Willensentschluss zu verwirklichen hat. Verstößt er dagegen, so ist er zum Scheitern verurteilt. Der Ideenballade fehlen der volkstümliche Ton und die Sangbarkeit. Beispiele: Schiller, Die Bürgschaft, Der Ring des Polykrates, Der Graf von Habsburg, Der Taucher. Die Romantik bevorzugte den Typ der spanischen Romanze (volkstümliche Dichtung oft lyrischen Charakters, die Sagen oder historische Ereignisse zum Inhalt hat). Die Erzählgedichte aus dieser Zeit sind somit zwar dem Volkslied nahe, aber das Erzählerische tritt zugunsten des Lyrischen zurück. Die Themen verlieren ihre dramatische Wucht, Stimmungen treten deutlicher hervor. Beispiele: Clemens Brentano, Lore Lay, Romanzen vom Rosenkranz; Joseph von Eichendorff, Die zwei Gesellen; Heinrich Heine, Atta Troll (parodistisch). Die Wertschätzung der Romantik für das Volkstümliche und damit Ursprüngliche zeigte sich in der Volksliedersammlung Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano (vgl. S. 167), in der sich fast alle erhaltenen Volksballaden finden. Bedeutende Balladendichterinnen und Balladendichter des 19. Jahrhunderts waren Annette von Droste-Hülshoff (1797 − 1848), Theodor Fontane (1819 − 1898) und Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898). Dieser verfasste viele Balladen mit historischer Thematik, darunter auch eine über die Verfolgung der Hugenotten in Frankreich. Conrad Ferdinand Meyer: Die Füße im Feuer (1882) Fragen des Glaubens beschäftigten die Menschen des 16. Jahrhunderts sehr stark. Die von Deutschland ausgehende reformatorische Bewegung erfasste auch die Schweiz und Frankreich. Die französischen Hugenotten schlossen sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts auf der Grundlage des calvinischen Glaubensbekenntnisses zusammen1. Die Hugenotten zeichneten sich durch ein einfaches Leben, einen starken, verinnerlichten Glauben und eine große Leidensbereitschaft aus. Sie wurden von den katholischen Königen immer wieder grausam verfolgt. Höhepunkt war die Bartholomäusnacht des Jahres 1572, in der die Führer der Hugenotten und Tausende ihrer Anhänger ermordet wurden. 1598 wurde den Hugenotten im Edikt2 von Nantes die freie Ausübung ihrer Religion innerhalb gewisser Vorschriften gewährt. Ludwig XIV. hob jedoch 1685 dieses Edikt auf. Die Hugenotten wurden wieder verfolgt und enteignet. Mehrere 100.000 Menschen, und zwar die besonders tüchtigen und charakterfesten, wanderten in die protestantischen Länder Europas aus. Orientierung an volkstümlichen Formen 1 Johann Calvin, französischer Reformator, gestorben 1564 in Genf 2 Edikt: Erlass, Verordnung Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm. Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross, Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest. Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell, Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann ... „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!“ François Dubois (1529 – 1584), Le massacre de la Saint-Barthélemy, ca. 1584. 2 4 6 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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