HOCHMITTELALTER | 1170 – 1230 25 Strophenform der Minnedichtung Die Strophen der Minnelieder zeigen in der Regel einen dreiteiligen Aufbau: Zwei gleich gebaute Versgruppen (Stollen) bilden den Aufgesang. Der dritte Teil, der Abgesang, weist eine andere Reimbindung auf. Die folgende Strophe aus einem Gedicht Walthers zeigt diesen Aufbau: Ir sult sprechen willekomen: der iu mære bringet, daZ bin ich. }1. Stollen alleZ daZ ir habt vernomen, } Aufgesang daZ ist gar ein wint: nû frâget mich. }2. Stollen ich wil aber miete: wirt mîn lôn iht guot, ich gesage iu lîhte daZ iu sanfte tuot. } Abgesang seht waZ man mir êren biete. [...] Einer der bedeutendsten Vertreter der Hohen Minne war Reinmar von Hagenau, der Lehrmeister von Walther von der Vogelweide am Wiener Hof, dessen Lieder in klagenden, schwermütigen Tönen das Leid unerwiderter Minne besingen. Walther lehnte sich bald gegen diese Form des Minnesangs auf. Er stellte dem „trûren“, dem Traurigsein als Grundstimmung des Liebenden, die „vröude“ der wechselseitigen, erfüllten Liebe entgegen (Ebene Minne). Mit diesen Liebesliedern knüpfte er an die Lyrik der Vaganten1 und an Volkslieder an. Walther von der Vogelweide (1170/75 – 1230) Walther von der Vogelweide war der bedeutendste deutsche Lyriker des Mittelalters. Er entstammte wahrscheinlich einem Ministerialengeschlecht aus dem österreichischen Donautal. Am Hof der Babenberger in Wien lernte er nach eigener Aussage „singen unde sagen“. Nach dem Tod Herzog Friedrichs II. von Österreich, der 1198 auf einem Kreuzzug starb, musste Walther Wien verlassen und das Wanderleben eines „fahrenden Sängers“ auf sich nehmen. 1203 kehrte er vorübergehend nach Wien zurück. Nach neuerlichen Auseinandersetzungen mit Reinmar und dessen Partei am Wiener Hof musste Walther Wien ein zweites Mal verlassen. Walther war sowohl am Hof der Staufer als auch der Welfen tätig, die beide um die Kaiserkrone konkurrierten. Zeit seines Lebens trachtete Walther nach finanzieller Absicherung, ein Ziel, das er gegen Ende seines Lebens erreichte, als er 1220 vom Staufer Friedrich II. ein Lehen (wahrscheinlich in der Nähe von Würzburg) erhielt. Ebene Minne 1 Vagant: fahrender Sänger Buchmalerei, Zürich um 1310 – 1340. Walther von der Vogelweide (um 1170 – um 1230). Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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