Killinger Literaturkunde, Schulbuch

BIEDERMEIER UND VORMÄRZ | 1815 – 1848 197 REVOLUTIONÄRINNEN UND REVOLUTIONÄRE Eine zweite Gruppe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, zu denen Hoffmann von Fallersleben, Ferdinand Freiligrath, Georg Herwegh, Fanny Lewald und Georg Weerth gehören, hat revolutionäre Ziele. Sie wirft den Jungdeutschen mangelnde politische Konsequenz und einen unentschiedenen Liberalismus vor. Einige aus dieser Gruppe sind mit Marx und Engels befreundet und Mitglieder der ersten Arbeiterparteien. Sie setzen sich für eine Änderung der politischen Verhältnisse ein und machen als Erste auf das Elend der Industriearbeiterinnen und -arbeiter aufmerksam. Georg Büchner (1813 – 1837) Georg Büchner machte vor allem durch seine revolutionären Schriften und durch seine Dramen auf sich aufmerksam. Allen seinen Werken ist gemeinsam, dass er gegen die Idylle der biedermeierlichen Gesellschaft auftrat. Der Hessische Landbote (1834) Friede den Hütten! Krieg den Palästen! Im Jahr 1834 sieht es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am 5ten Tage, und die Fürsten und Vornehmen am 6ten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen. Im Großherzogtum Hessen sind 718,373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich an 6,363,364 Gulden [...]. Dies Geld ist der Blutzehnte, der von dem Leib des Volkes genommen wird. An 700,000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird es erpreßt, die Presser berufen sich auf die Regierung und die Regierung sagt, das sei nötig die Ordnung im Staat zu erhalten. Was ist denn nun das für gewaltiges Ding: der Staat? Wohnt eine Anzahl Menschen in einem Land und es sind Verordnungen oder Gesetze vorhanden, nach denen jeder sich richten muß, so sagt man, sie bilden einen Staat. Der Staat also sind Alle; die Ordner im Staat sind die Gesetze, durch welche das Wohl Aller gesichert wird, und die aus dem Wohl Aller hervor gehen sollen. – Seht nun, was man in dem Großherzogtum aus dem Staat gemacht hat; seht was es heißt: die Ordnung im Staate erhalten! 700,000 Menschen bezahlen dafür 6 Millionen, d.h. sie werden zu Ackergäulen und Pflugstieren gemacht, damit sie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt hungern und geschunden werden. [...] Hebt die Augen auf und zählt das Häuflein eurer Presser, die nur stark sind durch das Blut, das sie euch aussaugen und durch eure Arme, die ihr ihnen willenlos leihet. Ihrer sind vielleicht 10,000 im Großherzogtum und Eurer sind es 700,000 und also verhält sich die Zahl des Volkes zu seinen Pressern auch im übrigen Deutschland. Wohl drohen sie mit Aufruf zum Aufstand 5 10 15 20 25 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==