Killinger Literaturkunde, Schulbuch

194 LYRIK DES BIEDERMEIER Die Lyrik des Biedermeier steht nach wie vor unter dem Eindruck der Klassik und der Romantik, allerdings fehlt die Hinwendung zur Antike. Nikolaus Lenau (eigentlich Nimbsch von Strehlenau, 1802 – 1850) behandelt in seinen Gedichten melancholische Themen wie innere Zerrissenheit, Heimatlosigkeit und seine seelische Rastlosigkeit. In seinen Naturgedichten beschreibt er nicht nur die Weite der ungarischen Puszta, sondern auch amerikanische Landschaften. Seine Ruhelosigkeit zeigte sich auch darin, dass er versuchte, nach Amerika auszuwandern, wobei er dort allerdings nicht Fuß fassen konnte und bald zurückkehrte. Nikolaus Lenau: Winternacht (1832) Vor Kälte ist die Luft erstarrt, Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart, Nur fort, nur immer fortgeschritten! Wie feierlich die Gegend schweigt! Der Mond bescheint die alten Fichten, Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt, Den Zweig zurück zur Erde richten. Frost! friere mir ins Herz hinein, Tief in das heiß bewegte, wilde! Dass einmal Ruh’ mag drinnen sein, Wie hier im nächtlichen Gefilde! 14. Interpretieren Sie dieses Gedicht nach folgenden Gesichtspunkten: • Geben Sie Assoziationen wieder, die Sie mit einer „Winternacht” (= Titel) verbinden (z. B. in Form einer Mind Map). • Vergleichen Sie Ihre Begriffe mit dem Wortinventar des Gedichts und stellen Sie etwaige Unterschiede fest. • Erläutern Sie das Bild von den „alten Fichten” (V. 6–8). • Arbeiten Sie darauf aufbauend die Wendung heraus, die mit der dritten Strophe eintritt. • Erschließen Sie, welche Gegensätze Vers 10 gegenüber den restlichen Versen aufweist. • Deuten Sie die Gemütslage des lyrischen Ichs. 15. Vergleichen Sie diesen Text mit einem romantischen Gedicht (z. B. Eichendorff Sehnsucht S. 175) und zeigen Sie die Unterschiede auf. Nikolaus Lenau: Schilflieder, Nr. 2 (1832) Trübe wird’s, die Wolken jagen, Und der Regen niederbricht, Und die lauten Winde klagen: Teich, wo ist dein Sternenlicht? Suchen den erloschnen Schimmer Tief im aufgewühlten See. Deine Liebe lächelt nimmer Nieder in mein tiefes Weh! 16. Vergleichen Sie Lenaus Vorgangsweise mit der des jungen Goethe: • Benennen Sie formale und inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Lenaus Text und Goethes Gedicht Maifest (S. 104). • Analysieren Sie, mit welchen Verben in der Naturschilderung die Stimmung des lyrischen Ichs ausgedrückt wird. Weltschmerz und Ruhelosigkeit 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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