Killinger Literaturkunde, Schulbuch

186 WURZEL: Ist richtig! Auf der Schandbank1 sind wir gesessen. Für sich: Ich kenn ihn gar nicht. JUGEND: Ja freilich! Sie haben uns ja dadurch zwingen wollen, dass wir etwas lernen sollen. WURZEL: Nun ja, was das für Sachen waren, aber wir haben nichts dergleichen getan. Oh, wir waren ein Paar feine Kerls! Für sich: Ich hab ihn mein Leben nicht gsehen noch. JUGEND: Und wie wir beide zwanzig Jahre alt waren, haben wir die ganze Gemeinde geprügelt. Oh, das war ja prächtig, Brüderchen! WURZEL: Oh, das war ein Hauptjux! Für sich: Ich weiß kein Wort davon. JUGEND: Und getrunken haben wir, Bruder, das war mörderisch. WURZEL: Oh, das war schändlich, Bruder! JUGEND: Ja, und was wir alles getrunken haben! WURZEL: Nu, einmal haben wir, glaub ich, gar einen Wein getrunken, das Verbrechen! JUGEND: Ja, und was für einen! WURZEL: Einen Luttenberger. JUGEND: Und einen Grinzinger! WURZEL für sich: Ist alles nicht wahr. JUGEND: Du hast mich ja in alle Wirtshäuser herumgeschleppt, wir waren ja alle Tage sternhagelvoll besoffen. Kurz, wir waren ein Paar wahre Lumpen. WURZEL beiseite: Er muss doch eine Spur von mir haben, er kennt mich doch. Laut: Bruder, wir wollen’s noch sein! schlag ein, Bruderherz! JUGEND: Bruder, nein! Jetzt ist’s gar. Du musst jetzt solid werden, du musst dich um sieben Uhr zu Bette legen, darfst dir keinen Rausch mehr trinken, – kurz, was du zu tun hast, das wirst du von einem anderen hören, der dir alles pünktlich auseinander setzen wird. WURZEL: Bruder, was wär denn das? – Ich keinen Rausch – und das ist das Edelste an mir. Ich bin so gsund, dass ich mit einer Armee raufen könnt. JUGEND: Ja Brüderchen, jetzt solang ich noch bei dir bin. Stark: Doch den ersten Schritt, den ich aus diesem Saal mache, wird dich die Lust verlassen, auf eine so unedle Weise dein Schicksal ferner zu versuchen. WURZEL: Ich fang mich völlig zum Fürchten an. Auf die Letzt kann der Kerl hexen! Das wär eine hantige2 Bruderschaft. JUGEND: Also, adieu, lieber Bruder! Verzeih mir, was ich dir Leids getan hab, du lieber guter Kerl du! Ich bin gewiss ein fideler Junge, hab’s lang genug mit dir ausgehalten, du warst mein intimster Freund, aber du bist gar ein lüderliches Tuch, darum leb wohl, Brüderchen! sei nicht böse auf mich und sage mir nichts Schlechtes nach. Duett JUGEND: Brüderlein fein, Brüderlein fein, Musst mir ja nicht böse sein! Scheint die Sonne noch so schön, Einmal muss sie untergehn. Brüderlein fein, Brüderlein fein, Musst nicht böse sein. WURZEL: Brüderlein fein, Brüderlein fein, Wirst doch nicht so kindisch sein! 30 35 40 45 50 1 Schandbank: Strafbank 2 hantig: bitter, herb 55 60 65 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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